
Redaktion
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Entwicklung innovativer Stadtquartiere ist heute eine Herausforderung für viele deutsche Städte. Aspekte wie Klimaschutz, Mobilität, soziale Integration und demografischer Wandel müssen berücksichtigt werden.
Vor einhundert Jahren waren die im Rahmen des Wohnungsbauprogramms des „Neuen Frankfurt“entstandenen Siedlungen ein Musterbeispiel für innovatives, soziales Bauen. Die als Satelliten an den
Rändern der Stadt angelegten Siedlungen waren jedoch monofunktional konzipiert. Wohnen und Arbeiten waren in separate Zonen verlagert. Dadurch wurde die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur
immer wichtiger. Dieses flächenintensive Modell der Außenentwicklung prägte jahrzehntelang die Stadtplanung, bis zu den Großsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre.
Eine Wende hin zur Innenentwicklung in der bestehenden Stadt begann Mitte der 1980er Jahre, beispielhaft mit den Projekten der Stadterneuerung auf der Internationalen Bauausstellung (IBA) in West-Berlin. Daraus folgten Strategien zur Umnutzung von Brachen sowie Partizipationspraktiken. Heute entstehen wieder gemischt genutzte Quartiere, die Wohnen, Arbeiten und Gewerbe vereinen. Die zentralen Herausforderungen liegen dabei in der Schaffung nachhaltiger und sozial durchmischter Strukturen mit hoher Lebensqualität trotz zunehmender Flächenknappheit.
Stadt Bauen Heute? stellt der historischen Planung der Frankfurter Römerstadt von 1928 acht Quartiere in Deutschland gegenüber, die seit 1990 geplant wurden – von der Messestadt Riem in München bis zum WarnowQuartier in Rostock. Sie verdeutlichen Entwicklungslinien nachhaltiger Planung, wobei zwei Projekte auch die Grenzen und das Scheitern aufzeigen.
Eine Stadt ist niemals eine abgeschlossene Planung. Strukturen zu schaffen, die flexibel und offen sind, um Veränderungen aufzunehmen, gehört ebenfalls zu den ganz großen Herausforderungen einer
zukunftsfähigen Quartiersplanung heute.
QUARTIERSENTWICKLUNG HEUTE
Ein Quartier ist eine überschaubare städtische Einheit, größer als eine Nachbarschaft, aber kleiner als ein Stadtteil. Im Gegensatz zur Siedlung ist das Quartier gemischt genutzt. Die heutigen Herausforderungen liegen in einer breiten sozialen Mischung der Bewohnenden und in einem ausreichenden Angebot an bezahlbarem Wohnraum. Darüber hinaus sollten kurze Wege und unterschiedliche Formen der Mobilität möglich sein. In ökologischer Hinsicht sind alle Faktoren der Klimagerechtigkeit von Bedeutung: die Art der Wärmeversorgung, der Erhalt bestehender Biotope, Maßnahmen zur Wasserretention und die Vermeidung von Hitzeinseln.
Die architektonische Qualität der sozialen Infrastruktur kann dem Quartier Identität und Wiedererkennbarkeit verleihen. Dafür müssen die Bürger_innen frühzeitig in eine integrierte Planung des Quartiers einbezogen werden.
Kennzeichnend für eine Quartiersentwicklung ist ihr prozesshafter Charakter: Die Schritte reichen von Umweltverträglichkeitsprüfungen über Ideenwettbewerbe, Vertragsvereinbarungen bis zur Begleitung und Zustimmung durch die Gemeinde- oder Stadtverordnetenversammlung. Parallel dazu entstehen verschiedene Planwerke: vom Flächennutzungsplan über städtebauliche Rahmenplanungen bis zum
rechtsverbindlichen Bebauungsplan. Ein gemischt genutztes, nachhaltiges, resilientes und sozial vielfältiges Stadtquartier ist dabei nicht das Ergebnis eines fertigen Entwurfs. Vielmehr müssen in diesem
Prozess viele Akteur_innen mit unterschiedlichen Interessen zu einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung zusammenfinden.
SIEDLUNGEN DES NEUEN FRANKFURT
Mit Ernst Mays Berufung zum Frankfurter Stadtbaurat 1925 erhielt das neue Planungsdezernat weitreichende Kompetenzen: Bauaufsicht, Hochbau, Stadtplanung und Gartenwesen wurden vereint. Bis 1930 entstanden dadurch Siedlungen mit rund 12.000 Wohnungen. Nicht nur der städtebauliche Entwurf kam von dem Team um May, sondern auch die detaillierte Bauplanung für die Gebäude, die Innenausstattung, die Gartenhütten und die Bepflanzungspläne. Auf diese Weise und durch die Normierung und Typisierung von Bauteilen konnten die Siedlungen so schnell realisiert werden. Sie bildeten einen Gegenentwurf zur dicht bebauten Stadt mit Wohngebäuden neben Fabriken – weg von Lärm und beengten Verhältnissen hin zu einem Leben mit Licht, Luft und Grünräumen zur Erholung. Besonders im Niddatal zeigte sich der Gartenstadtcharakter deutlich. Soziale Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Waschhäuser und Gemeinschaftsbauten ergänzten die Planung, wenngleich nicht alle realisiert wurden. Der größte Teil der Wohnungen war für Vier-Personen-Haushalte konzipiert. In der funktionalen Detaillierung und Ausstattung der Wohnungen sowie der Qualität der Außenräume waren
die Siedlungen richtungsweisend. Ihre überschaubare Größe schuf Nachbarschaften mit einem starken Zusammengehörigkeitsgefühl.
Die für die Lebensbedingungen der 1920er Jahre entwickelte funktionale Gestaltung erschwert jedoch die Anpassung an heutige Anforderungen. Zudem markieren diese nahezu rein monofunktionalen Siedlungen einen frühen Schritt hin zur Zersiedelung der Landschaft und Fragmentierung der Stadtstruktur in den darauffolgenden Jahrzehnten.
Fortsetzung folgt
Foto:
Römerstadt, Frankfurt am Main (1927-29)
© Moritz Bernoully
Info:
STADT BAUEN HEUTE? Herausforderungen neuer Quartiere in Deutschland, Ausstellung im DAM in Frankfurt
28. Juni bis 2. November 2025
Quelle: Presseinformation DAM