f la dolceZum 100sten Geburtstag von Federico Fellini seine Gespräche mit Costanzo Costantini aus dem Verlag Kampa, Teil 3/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Doch darf aus den bisherigen Fragen und Antworten keinesfalls geschlossen werden, daß Fellini intellektuell nicht auf der Höhe der Zeit gewesen sei. Auf viele Phänomene der Zeit antwortet Fellini derart hellsichtig, daß man nicht anders kann, als ihn zitieren.

Und immer wieder Rom, Roma

Lange Passagen gelten Rom, wohin der in Rimini am 20. Januar 1920 Geborene und dort Aufgewachsene nach kurzen Aufenthalten in Florenz geht und bleibt. Rom bleibt ja auch der Ort seines Filmgeschehens und er spricht darüber, wie er nach und nach einzelne Stadtteile zum Ort jeweiliger Filme machte. Man erfährt so viel Neues über das dortige Leben und Arbeiten. Interessant, in Rom stehen die Intellektuellen und Künstler früh auf, um sieben sitzt Moravia schon am Schreibtisch und Fellini ist um 8 Uhr schon unterwegs.

Und im Zusammenhang mit Rom muß man immer wieder über das dann schon aberwitzige Zwiegespräch der beiden lachen. Erst führt Costantini aus: „Du bist zu bescheiden: Du hast Dinge von Rom gesehen, die vor dir niemand gesehen hat.“, und als Fellini aus dem Schwärmen über die tiefe Ruhe in Rom, die Afrika gleiche, gar nicht mehr herauskommt, unterbricht er ihn: „Sag mal, wo lebst du eigentlich? Ist dir nie aufgefallen, daß Rom immer neurotischer und chaotischer geworden und an ein Durchkommen nicht mehr zu denken ist?

In der antwortenden Liebeserklärung an Rom führt Fellini (S. 105) aus: „Ich habe versucht, auch diese Aspekte von Rom in ein paar Filmen schildern, doch dann hat man mich beschuldigt, die Stadt nicht zu lieben. Wie Jung lehrt, kann ein Anfall von Neurose, wenn er nicht gar zu heftig wird, als positives Zeichen dafür gesehen werden, daß wir in Kontakt treten sollen mit entlegenen, unbekannten Aspekten von uns selbst. Für einen Künstler stellt der pathologische Aspekt der Neurose eine Art Reichtum, einen verborgenen Schatz dar.

Andererseits ist Rom für mich immer das Rom, das ich geschaffen habe, beziehungsweise das Rom, das mich geschaffen hat und das ich wieder geschaffen habe wie einander spiegelnde Spiegel...“

Im Zusammenhang mit Rom wird Fellini auch vorgeworfen, daß er sich in seinen Filmen wiederhole, immer wieder wiederhole...“Klar, das stimmt, ich wiederhole mich, wiederhole mich immer wieder: Ich bin immer Regisseur, habe nie den Beruf gewechselt...Ich sehe nicht, was Roma, Satyricon, Amarcord und Giulietta degli spiriti miteinander gemein haben sollen. Außer, daß es immer wieder ich bin: wie grenzenlos auch unsere Neugier sein mag, wie vielseitig wir auch ...“(S.113)

Die Frage „Aber hast Du nicht das Gefühl, daß Du, indem du dich in deine Erinnerungen flüchtest, wie ein Gespenst in deinem persönlichen Marienbad lebst.“ (S. 114), mündet in eine ausführliche Auseinandersetzung mit zwei gesellschaftlichen Gegebenheiten Italiens, dem Faschismus und der Katholischen Kirche... (115) Der Faschismus lauert immer in uns. Und immer besteht die Gefahr der Erziehung, der katholischen Erziehung, die nur ein Ziel hat: das Individuum in eine Position psychischer Minderwertigkeit zu bringen, seine Integrität zu beschneiden, es jeglichen Verantwortungsgefühls zu berauben, um es beliebig lang in einem Zustand der Unmündigkeit festzunageln. Indem ich das Leben einer Kleinstadt schildere, schildere ich das Leben eines Landes und zeige den Jungen, aus welcher Gesellschaft sie hervorgegangen sind, wie fanatisch, provinziell, infantil, plump, überbordend und beschämend der Faschismus und die damalige Gesellschaft waren.“

Ach, so geht es weiter mit Fellinis substantiellen Aussagen zum Leben, die mit ihrer sprachlichen Präzision dem Leser Bewunderung abnötigen. Sein Prinzip, nichts zu sagen zu haben, hatte der fragende Interviewer schon am Anfang des Buches als Methode dekuvriert. Als er ihn auf seinen Ehrenoscar für sein Lebenswerk 1993 ansprach – Fellini starb dann überraschend am 31. Oktober 1993 – und um ein Interview bat, antwortete Fellini, er habe nichts zu sagen. „Das ist der vierte Oscar, den ich unverdienterweise bekommen habe, ich kann doch nicht immer das Gleiche wiederholen.“, läßt sich dann doch auf fünf Minuten Interview ein, am nächsten Morgen um neun Uhr. Dort entschuldigt er sich noch einmal, daß er nichts zu sagen habe..., „dann redete er ohne Punkt und Komma bis um 13.30 Uhr“.

Das war Federico Fellini und Costanzo Costantini hat ihn uns in ICH BIN FELLINESK wunderbar nahegebracht.

P.S. Ein wichtiger Hinweis, der sicher auf die Reihe, die Rechte und die Kosten zurückgeht. Es fehlen schmerzlich die Bilder ! Die Fotos der Protagonisten, die Filmbilder, auch die vom jungen, dem älter werdenden und dem alten Fellini und seiner Frau Giulietta Masina. Leider.

Was man bei diesem Buch nicht erwartet, wäre eine Beigabe in Form von DVDs der Filme. Aber eine Angabe, welche Filme wo zu erwerben sind, wäre schon sinnvoll. Da können wir wenigstens die Information weitergeben, daß bei Arthaus am 26. März sein erster Film, DER WEISSE SCHEICH und DIE NÄCHTE DER CABIRIA als DVD und Blu-ray in einer 4K-Restaurierung und Digitalisierung erscheinen.

Zu kurz gekommen ist die tiefe Verehrung Fellinis gegenüber Freund und Vorbild Roberto Rosselini, die anhaltende Freundschaft mit Marcello Mastroianni,  die anhaltende und tiefe Liebe im Zwiegespräch mit seiner Frau Giulietta Masina, die in vielen seiner Filme mitspielte und wie man mitbekommt, die positive Kraft in seinem Leben blieb.

Foto:
La doce vita, Mastroianni, Ekberg
© Verleih

Info:
Federico Fellini, Ich bin fellinesk, Gespräche mit Costanzo Costantini, Kampa Verlag 2019