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Kategorie: Bücher

Serie: Verleihung des Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien für Kriminalliteratur 2013 am 11. September 2013, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Beim Vorlesen aus den nominierten Büchern kam vom Alphabet her, an dem sich das Vorleseprotokoll streng ausrichtete, der spätere Sieger Thomas Raab erst zum Schluß. Man muß offen sagen, hätte er diesmal nicht den Leo-Perutz-Preis schon für das Buch erhalten, man hätte an diesem Abend eine zusätzlichen Preis für den besten Vorleser erfinden müssen.

 

Auch wir, die wir viele Dichter, Schriftsteller, Philosophen und sonstige Freigeister schon haben - gut und besser - lesen hörten, müssen zugeben, daß eine so zupackende Lesung, die einen mitten in die Handlung hineinzog und dort gemütlich sitzen ließ, uns noch nicht ereilte. Das hat Gründe, weshalb wir Thomas Raab ab jetzt eben auch für ein Naturtalent im legitimen Vermarkten seiner Bücher halten. Und sollte es je für den Schriftsteller kein Auskommen mehr geben, dann kann er als Schauspieler sich sein Brot auf jeden Fall verdienen.



Jeder Autor hatte 5 Minuten, in denen er sich zur Lesung aus seinem Buch die Seiten wählen konnte, womit er die Zuschauer bannt und in seine Geschichte hineinzieht. Warum sich Thomas Raab auf das Kapitel Trible A und der Minister verließ, das konnte man sehr schnell nachvollziehen. Nach dem ersten Geplänkel und Vorstellen von Josef Krainer: „Das alles weiß Josef Krainer, er weiß sogar, daß Homo sapiens der einsichtige, weise Mensch bedeuten soll. Er versteht nur nicht, warum grad er von lauter Idioten umgeben sein muß, also von wegen Weisheit, warum ihn die Mitarbeiter seiner Dienststelle meiden, warum es bisher keine Frau länger als drei Jahre bei ihm ausgehalten hat und er mit seinen bald 60 Lenzen immer noch solo lebt.“ (S. 105), hatte man im Nu ein Psychogramm des Ermittlers im Kopf.



Das wurde noch um seine häusliche Wohnung ergänzt und um die tiefenpsychologische Erkenntnis: „Alles Humbug, diese 'Liebe dich selbst, dann lieben dich auch die anderen'-Psychoratgeber. Mehr selbst lieben wie Josef Krainer Kann sich ein Mensch gar nicht. Josef Krainer ist als am Ende mit seinem Latein. Äußerst unrund und hundemüde beißt er in seine Leberkässesemmel und greift trotz Mittagspause zum Telefon...“(106). Und schon hatte Autor und Vorleser Raab einen Telefonhörer in der Hand, in den er den Dialog des Textes auswendig sprach, ach was sprach: lebte: „Hier Krainer!“...

Dann folgt ein so aberwitziger Dialog am Telefon, der deshalb so anregend ist, weil man ja nur immer die Worte, die Fragen oder Anworten des Josef Krainer hört, nicht aber die seinen deutschen Kollegen Schulze. Das wirkt deshalb so stark, weil es im heimischen Dialekt vorgetragen wird, der zwar auch im Buch steht, aber von einem Kundigen ausgesprochen, sehr viel stärker wirkt, einschließlich: „Das ist mir auch Blunzen, daß...Es ist mir auch Blunzen, daß sie das Gefühl haben, wir hätten noch gar nicht mit den Ermittlungen begonnen....Sie können sich gern an meinen Vorgesetzten wenden, das wäre dann übrigens ich...Nein, Schulze ich habe keine Frau....Was heißt, das können Sie sich vorstellen, so prähistorisch und frauenfeindlich, wie ich daherred!.. Nein, ich weiß nicht, was Sie alles können, Schulz! Ich weiß nur, was Sei mich alles können...(107/108



Man hört also nicht nur eine Lesung, sondern erlebt einen fulminanten Theaterauftritt mit, buchstäblich oscarreif. Und mit Thomas Raab erlebt man auch einen Schalk per se. Man hatte nämlich schon vernommen, daß er das dritte Mal dabei ist, bei den für den Krimipreis Nominierten, worauf er schon zuvor launig eingegangen war, „alles andere habe ich eh versucht, mit Geld und so...“



Nach der Jurybegründung und Preisübergabe – vergleiche unser erster Artikel – fiel Thomas Raab noch einiges zur Zahl Drei ein. Es war nämlich erst der dritte Verlag, der sein Manuskript mit seinem sonderbaren Ermittler, den Restaurator Adrian Metzger mitsamt seinem Prachtweib Danjela annahm und in seinem Leben kam dieser Zahl immer wieder eine spezielle Bedeutung zu. Das alles war artig gesagt und die Freude konnte man dem 43jährigen, der auch als Musiker bekannt ist und Alben veröffentlicht hat, so richtig ansehen. Er selbst sah sich als Gleicher unter Gleichen und verwies explizit auf die hohe Qualität der vorangegangenen Lesungen und der ihnen zugrundeliegenden Krimis. So ging es uns auch, weshalb nun die ersten vier Lesungen folgen. Fortsetzung folgt!



P.S. Leider kamen wir nicht dazu, nachzufragen, weshalb seine bisher sechs Metzgerromane in bisher drei Verlagen erschienen sind. Die beiden ersten ab April 2007 bei Leykam, drei im Piper Verlag, der neue, preisgekrönte nun im Droemer Verlag.



Bibliografie

Raab, Thomas: Der Metzger kommt ins Paradies, Droemer Verlag

288 Seiten, 21,8 x 14,8 cm, Hardcover, ISBN: 978-3-426-19955-8

 

 Die Jury

 

Die Shortlist des Leo-Perutz-Preises der Stadt Wien für Kriminalliteratur wurde von einer Jury erstellt, die sich aus je einer Vertreterin/einem Vertreter der Kulturabteilung der Stadt Wien, des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels, des Sortimentsbuchhandels, der Medien sowie der Vereinigung österreichischer Kriminalschriftstellerinnen und -schriftsteller zusammensetzt.

 

2013 gehörten der Jury Sylvia Faßl-Vogler (Referatsleiterin Kulturabteilung der Stadt Wien), Michael Kratochvil (Buchhandlung Kuppitsch), Nora Miedler (Krimiautorin), Erwin Riedesser (HVB-Vizepräsident, Vorsitzender des Österreichischen Buchhändlerverbands) und Tobias Hierl (Chefredakteur des Magazins Buchkultur) an.

 

 

Der Preis

Mit dem Leo-Perutz-Preis, der jährlich vergeben wird, werden Krimis ausgezeichnet, deren Qualität und literarischer Anspruch an den namensgebenden österreichischen Literaten erinnern. Darüber hinaus sollen die ausgezeichneten Werke möglichst innovativen Charakter haben und einen Wien-Bezug aufweisen.

 

 

Bisherige Preisträger

2012 ging der Preis an Manfred Rebhandls Das Schwert des Ostens (Czernin Verlag), 2011 wurde Der Posamentenhändler (Leykam) von Lizl Stein und Georg Koytek ausgezeichnet, und 2010 erhielt Stefan Slupetzky für Lemmings Zorn (Rowohlt) den Leo-Perutz-Preis.