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Kategorie: Bücher

LiBeraturpreis auf der Frankfurter Buchmesse 8. bis 12. Oktober 2014, Teil 25 

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am Buchmessensamstag, 11. Oktober, wurde der LiBeraturpreis 2014 an die saudi-arabische Schriftstellerin Raja Alem verliehen. Auf der Buchmesse gilt dieser Preis nur Frauen aus Afrika, Asien und Lateinamerika, die bei Veröffentlichungen und erst recht Preisen bisher zu kurz kommen. Sie erhielt die Auszeichnung für ihren Roman 'Das Halsband der Tauben' aus dem Unionsverlag.

 

Überschaut man die Preisträgerinnen seit 1988, so fällt auf, wie häufig der Unionsverlag die literarische Heimat der Preisträgerinnen ist. Leicht verständlich, denn das Verlagsprogramm widmet sich vorwiegend Autoren der sogenannten Dritten Welt und eben auch Frauen. Im Verlauf der diesjährigen Buchmesse kommt es zu einem willkommenen Zwischenspiel, wenn eine saudi-arabische Autorin zur Preisträgerin gekürt wird. Endlich mal eine – aus unserer Sicht - Neuhinzugekommene aus einem uns mehr als fremden Land, so wird es empfunden.

 

Ein Hauch von Orient und Tausendundeine Nacht kommt unweigerlich auf. Das darf auch sein. Jedoch, die Voraussetzungen sind nicht mehr die früheren. Das Verhältnis des Abendlandes zum Morgenland ist problembeladen geworden. „Orient“ ist – leider - nicht mehr so positiv besetzt. Gleichzeitig ist das vorausgesetzte, gefühlsmäßige Fremdartige nicht ohne Reiz, wenn eine Schriftstellerin aus Saudi-Arabien wie selbstverständlich eine Rolle im von der Aufklärung dominierten Buchgewerbe eingenommen hat. Zweifellos ist sehr viel Klischee, was an Anmutungen aufkommt, darunter gemischt. Die Autorin hat nichts zu tun mit eventuellen, uns Westlichen fragwürdig erscheinenden Praktiken in ihrem Heimatland. Überdies: Fragwürdiges und Kritisches ist Gegenstand ihres Romans.

 

Die Preisträgerin möchte nicht als Repräsentantin Saudi-Arabiens gesehen oder befragt werden. Ihr Leben spielt sich lange schon oberhalb traditioneller Gebundenheit - aufgrund ihrer Herkunft - ab. Das dürfte ohnehin Autorinnen und Autoren mit globaler Wirkung auszeichnen.

 

Nicht zu vergessen auch, dass der Orient – ein leicht her gesagtes Wort - mit Al Andalus, der großen maurischen Ära in Südspanien, über acht Jahrhunderte eine Aufklärungszeit hatte, als im Abendland noch geistige Ödnis und Rückständigkeit herrschte. Dort wurde Ungeheures an Vorleistung für die spätere Entwicklung des Abendlandes erbracht. Die Schriften des Aristoteles wurden hier ins Lateinische übersetzt und gerieten so zu Vorlagen und Folien für die theologisch-philosophischen Debatten in der Scholastik im Mittelalter. Unsere Vorfahren bekamen auf diese Weise einen sprachlichen und intellektuellen Schub verpasst. Später ist aber bedauerlicherweise etwas mehr schief gelaufen und zwar von beiden Seiten her, so dass das gute Verhältnis getrübt wurde.

 

Um auch noch eine eventuelle Vorstellung auszuräumen: die Autorin trat mit keinerlei Gesichtsbedeckung auf. Seit Beginn ihrer Lebenszeit hat sie, durch Elternhaus und Herkunft möglich gemacht, ein kosmopolitisches Leben leben können. Ihr Roman wurde von einem libanesischen Verlag herausgebracht und in viele Sprachen übersetzt.Diese Auszeichnung soll auch zu weiteren Übersetzungen beitragen.

 

Die Ankündigung zur Verleihung vermittelt uns: ihr Roman ist einerseits Krimi, andererseits auch 'literarische Studie über den weiblichen Körper in der muslimischen Gesellschaft' und darüber hinaus 'nicht zuletzt Großstadt-Roman über Mekka'. Damit sind die markierenden Hinweise gesetzt. Der Roman hat mehrere ineinander gelagerte Schichten und Stränge.

 

 

Die Bühne besetzten:

 

Raja Alem (Saudi-Arabien), Autorin und Preisträgerin

Karl-Markus Gauß (Österreich), Laudator
Hartmut Fähndrich (Schweiz), Übersetzer
Moderation: Claudia Kramatschek (Deutschland), Literaturkritikerin;
sie verlas die Laudatio des verhinderten Karl-Markus Gauß

Kooperation: Litprom – Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus
Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.

 

An Auseinandersetzungen, Konflikten und anberaumten Besprechungen waren da viele mit dem Übersetzer Hartmut Fähndrich während der Zeit der Übersetzung des Buches. Es wurde vielfach gerungen, um einzel-wortliche Übertragungen, auch wegen Unverständlichkeiten, die auszuräumen waren, oft - aber nicht immer nur - zu Lasten des Übersetzers. Der Übersetzer wurde im Gespräch zur Übersetzungsproblematik allgemein befragt.

 

Wovon der Roman im Wesentlichen handelt

 

Er erzählt von Nora und Aischa. Nora, aus der Oberschicht, hat Freiräume, die sie regelmäßig ins Ausland führen, sie kehrt aber schließlich ausdrücklich zurück in die angestammte Kultur. Sie kann ein unabhängiges Inneres nicht genügend ausprägen.- Aischa gehört der E-Mail-Generation an. Bücher sind ihr nicht vertraut, sie kann sie nur heimlich lesen. Die ferne Welt kommt über das Internet zu ihr in ihr separiertes Zimmer. Globale Kommunikation entwickelt sich, sie fasst einen ersten Fuß.

 

Saudi-Arabien lernten wir in den 60ern nur mit 'König Saud von Saudi-Arabien' kennen – diese Bezeichnung liegt noch tief in der Erinnerung. Er musste damals die Herzklinik in Bad Nauheim aufsuchen. Wir bekamen bloß den karikierten Eindruck von einem übersättigten Potentaten vermittelt. Zu jener Zeit führte aber König Abdallah Schulen für Mädchen ein.

 

Analphabetismus war zu dieser Zeit noch vorherrschend. Der unvermittelte Übergang von der Tradition in die Moderne rief einen Bruch mit Verlust an Erinnerung hervor. Die Gegensätze konnten nicht vermittelt werden.

 

Mekka ist heute ein offenbar sehr widersprüchliches Gebilde. Es ist nicht wirklich gar so entfernt von den Problemlagen anderer Riesenstädte in der Welt. Alles, was Menschen eben ausmacht, zum Vor- und Nachteil, findet sich auch hier, von der Droge bis zum hellen, heiligen Glanz. Für die Ermittlungen zu Mekka ist eine Detektivfigur im literarischen Einsatz.

 

Der Großvater der Schriftstellerin war Sufi, hochgebildet. Sein Haus hatte Kultur. Gelesene Bildung war anderen fremd. Der Vater war liberal und gebildet. Sie lernte früh die Welt kennen und hat immer viel gelesen.

 

Andere Einflüsse, Motive: Die Beduinenkultur und der für diese so wichtige, bedeutsame Austausch als Weitergabe von Erzählungen und Geschichten.

 

Reizvolles Utensil: ein Schlüssel, der wiederzugewinnnen ist, er symbolisiert etwas Verlorenes, Verkanntes. Der Wille Lebensgrenzen zu übersteigen, Einschränkungen zu brechen, wird wenig akzeptiert.

 

Wir werden eine ausführlichere Rezension des preisgekrönten Romans aus dem Unionsverlag bringen.

 

 

INFO:

 

'Das Halsband der Tauben', Raja Alem, Unionsverlag, 2014 ISBN-10:3-293-20660-1