fussgaenger und radfahrer sind auf dem mainkai in frankfurt unterwegs ab dem 1 september sollen hier wieder autos fahren duerfen 1Den nördlichen Mainkai Frankfurts wieder dem Auto zurückzugeben hat etwas von Verblendung

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In Anbetracht der in planetarischem Ausmaß bedrängten Natur und Schöpfung, für die wir noch nicht mal bezahlt haben, aber noch bezahlen werden.


Es ist immer das alte Lied, das dem Milieu des besitzbürgerlichen Materialismus eines in Egoismus verblendeten Bürgertums entsteigt; zu dem unweigerlich der Besitz und die dolle Nutzung des Autos gehören muss, groß und schwer, wie das goldene Kalb in biblischen Zeiten der heidnischen Götzendienerei.

Da ist sie also wieder, die Frankfurter Partei der Christenheit, meistens männlich, der nibelungentreu auch die Gattin in den Fußstapfen folgt, während die Nachkommen sich längst abgewandt haben. Obwohl doch – unbezweifelbar - wir uns das heutige Auto und die Vielfliegerei nicht mehr leisten können, bei der traurigen Lage der Atmosphäre und Biosphäre. Bravo, dass Corona das im letzteren Fall klargestellt hat. So darf es getrost weitergehen. Eigentlich will die Christpartei doch Elite sein. Warum stellt sie sich dann so bockig vor die Blechkiste Auto, den Moloch unserer Zeit, in dem aus einer Explosion eine Vorwärtsbewegung gemacht wird. Ja, wie schräg ist denn das bloß immer noch?
 
Kürzlich zeigte sich auf einer Fahrt mit der S1 nach Wiesbaden und zurück, dass mehr als die Hälfte der Bäume in Nähe der Geleise auffällig von Schäden gezeichnet sind. Auch in den Schrebergartenanlagen haben die Bäume jetzt seltsam gekräuselte Blätter und verdorrte Äste. Die Bäume signalisieren durchweg Stress, wenn sie nicht gerade an einem Fluß oder in einer Au gelegen sind. Auch in Nähe der Ein- und Abflugschneisen des Flughafens ist das Grün flächendeckend schadhaft.

Was die Rückentwicklung des zwischenzeitlich autofreien Frankfurter Kais am Main angeht: warum muss die christliche Partei nur so blind ihrer Gefolgschaft dienen, obwohl das Auto das edle Sachsenhäuser Wohngebiet so sehr untergräbt, dass der Straßenrand zur Rumpelkammer verkommen ist.

In diesem Stadtteil gehört das Auto nur noch minimiert genutzt; altmodischer Weise könnte es im Übergang auf den Nürburg- oder Hockenheimring zwecks Auslebung archaischer Ausbrüche und extra Poser-Auspuff-Sound (=anal) stundenweise ausgelagert werden. Umweltfreundliche Verkehrsmittel könnten die nach scharfem Dieselhauch Lechzenden dorthin überführen und damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: im Interesse der kurzfristigen und langfristigen Lebensreform. Konsequenterweise aber sollten auf dem Ring nur elektrogetriebene Gefährte brausen, damit nicht wieder allzu viel umweltpolitisch daneben geht.

Stattdessen will die Christpartei und ihre Anhänger das an und für sich elegante Sachsenhausen weiterhin mit Blechkisten verrümpeln, die im Schnitt nur eine Stunde am Tag genutzt werden. Autos, die stehen, sind rausgeschmissenes Geld. Das Bürgertum, besinnungslos wie es sich offenbart, will im Auto immer nur beschleunigt gradeaus, bei winzigster Korrektur aus dem Handgelenk. Ja, wie stumpfsinnig, unbequem und in den Sitz geschmiedet geht denn das bloß zu, ist das nicht hirnloser Schnee von gestern? Das Bike hingegen ist viel, viel wendiger.

Ein freier Mainkai ohne Autos mit frisch angelegtem Grün heizt sich weniger auf als eine blanke Platte aus Asphalt. Studentinnen der Darmstädter Universität haben das am Sonntag, dem 16. August 2020, nach einer Rad-Demo mit anschließender Kundgebung am Eisernen Steg, glaubwürdig darlegen können. Der Verkehrsdezernent Klaus Oesterling hörte mit und stimmte anhand gegebener Gebärden mit ein. Es geht auf einer stattlichen Fläche um nichts weniger als mehrere Grade weniger Hitze im Hochsommer.

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© Heinz Markert
 
Info:
Für die dauerhafte Öffnung des Frankfurter Mainkais und eine autofreie Innenstadt am 22. August 2020 Zwei Radrouten Richtung Mainkai, 13 Uhr ab Weißer Stein und Bockenheimer Warte, 14.30 Kundgebung am Mainkai.

Protestaktion von Fridays for Future, Dienstag 1. September 2020. Start an der Alten Oper, 12 Uhr.

Nachbemerkung
Mainkai 22 08 2020Am Nachmittag des 22. August 2020 waren die Frankfurter Grünen am Mainkai nicht mit von der Partie. Ausgiebig und entschlossen hingegen die SPD. Sie steht ohne Wenn und Aber zum autofreien Mainkai und zur autofreien Innenstadt, die woanders in Europa bereits Realität ist. Die Grünen geben an, sie seien – mit wem anders wohl als mit der CDU? – noch am Entwickeln von Konzepten für die Verkehrswende Innenstadt. Als ob sie in den Siebzigern und Achtzigern nicht schon jede Menge Entwürfe für die Gesamtstadt veröffentlicht hätten (die unsere Archive prall füllt). Als unmündig gemachter Juniorpartner der CDU haben sie aber von all dem schon mal Gedachten nichts mehr wissen wollen, geschweige denn vom Ungedachten. Das müffelt verdächtig nach Kapitulation und Selbstverleugnung.
 
Sachsenhäuser Bürgerinitiativen agieren widersprüchlich. Sie wollen den Verkehr, der durch die Sperrung des nördlichen Mainkais angeblich mit Wucht auf den südlichen verdrängt wurde, jetzt wieder zurücklenken, indem der nördliche Mainkai zum 1. September wieder für die Autos geöffnet wird. Zwar reden alle bürgerlich Bewegten und Engagierten von der Blechlawine südlich des Mains, müssen aber zur notwendigen Hebung der Attraktivität des südlichen Stadtteils, den Einzelhandel eingeschlossen, doch wieder Autos mit noch mehr Autos bekämpfen. Dabei ist längst klar, dass nur die Aufenthaltsqualität dem Einzelhandel auf Dauer guttut.