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Kategorie: Heimspiel
Bildschirmfoto 2021 08 27 um 00.21.50Etwas Besonderes in der AusstellungsHalle 1a in Frankfurt-Sachsenhausen

Roswitha Cousin

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Heute gilt Frankfurt schon sehr lange als günstiger Ort für Künstler, sowohl, was ihre Tätigkeit angeht, wie auch für die Ausbildung. Das liegt an der positiven gesellschaftlichen Wertung von Kunst, aber auch an dem Geld, das in Frankfurt durch die Häufung von Banken u.a. da ist, Institutionen, die sich zudem gerne mit Moderner Kunst oder der Förderung von Künstlern schmücken. Das war einmal anders.

Ersatzkunst als künstlerische Praxis entstand in einer Zeit, als Frankfurt für freie Künstlerinnen und Künstler ein eher unwirtliches Pflaster war. Außerhalb der Museen und Galerien fehlte es an Ausstellungsorten. Mitte der 1970er Jahre formten sich erste Initiativen von Künstlerinnen und Künstlern, die abseits der Institutionen und des Kunsthandels die PräsentationHe von Werken bildender Kunst möglich machten. Pioniere dieser später so genannten „Off-Räume“ waren in Frankfurt die Künstler Vollrad Kutscher und Stephan Keller. Sie luden 1975 Künstlerinnen und Künstler zu einer ersten „Ersatzkunst-Ausstellung“ in die Werkstatt Stephan Kellers in Sachsenhausen ein, der weitere folgten. Das Markante waren die künstlerischen Äußerungen, die aus ungewöhnlichem, häufig kunstfernen Materialien gefertigt und daher dem Ersatz-Gedanken entsprachen. Performatives und Aktionskunst, Kabarett und Konzerte waren Ausdruck der Bewegtheit dieser Umbruchszeit.

Die nahe der Ersatzkunst-Geburtsstätte stattfindende Ausstellung bereitet das Ersatzkunst-Geschehen zwischen 1975 und 1985 auf. Videostationen werden die legendären Performances der Ersatzkunst-Künstler in die Gegenwart holen: Darunter sind die politische Performance „Sack O Sacks Sacktheater“ (Keller, Kutscher, Schmitz) von 1975, Vollrad Kutschers „Kaugummirede“ (1975/92), der „Frankfurter Ersatztango“ mit einer Schweinehälfte (Stephan Keller, 1985) und die Aktion „Zwergen schlagen“ von Ottmar Hörl (1985) sowie ein Zeichentrickfilm von Nicole Guiraud. Den Auftritten des Ersatzorchesters von Heiner Goebbels (* 1952) und Alfred Harth (* 1949) sowie der Kabarettisten Matthias Beltz (1945–2002) und Heinrich Pachl (1943–2012) kann ebenfalls in Dokumenten begegnet werden. Installiert wird die „Kulturelle Verrichtung“ aus Mumien von Vollrad Kutscher, die 1978 gemeinsam mit dem großformatigen Tapetenhaus von Stephan Keller in der Kommunalen Galerie Frankfurt gezeigt worden ist. Die Ausstellung führt beide Werke erstmals nach über 40 Jahren wieder zusammen. Weitere Exponate sind die Setzkästen und Zigarrenkistenobjekte von Walter Hanusch, die Bronze- oder Keramik-Schrebergärten von Oskar Schmitz, Pappmachéobjekte der früh verstorbenen Annick Laforgue und die Einmachgläser sowie das Bildobjekt „Dschungel“ von Nicole Guiraud, das mit Coca Cola, Christus, Marx und Lenin einen sinnlichen Rückblick in die Diskurse der Zeit bietet.

„Die Kunst dieser Zeit steht für einen bedeutenden Aufbruch. Weltweit genauso wie vor 40 Jahren in Frankfurt. Wir haben es hier mit einer politisch engagierten, non-konformen Kunst zu tun”, resümiert Kulturdezernentin Ina Hartwig. „Ich freue mich, dass mit dieser materialreichen Ausstellung gezeigt werden kann, wie viel die heutige Kunstszene diesen bewegten Jahrzehnten verdankt. Ein Großteil der Künstlerinnen und Künstler sind nicht nur sich, sondern Frankfurt treu geblieben.”

Mitwirkende Künstler und Künstlerinnen: Nicole Guiraud (* 1946), Walter Hanusch (* 1934), Ottmar Hörl (* 1950), Stephan Keller (* 1937), Vollrad Kutscher (* 1945), Annick Laforgue (1945–1976), Oskar Schmitz (1947–2009), Alfred 23 Harth (* 1949)/Heiner Goebbels (* 1952), Matthias Beltz (1945–2002)/Heinrich Pachl (1943–2012) und andere.

Foto:
Aus einer gegenwärtigen Ausstellung©AusstellungsHalle1a

Info:
Die Ausstellung wird gefördert von der Hessischen Kulturstiftung, der Dr. Marschner Stiftung und dem Kulturamt der Stadt Frankfurt.

Zur Ausstellung ist der Katalog „Ersatzkunst. Die Wüsten-Jahre 1975-1985“ im Kann Verlag erschienen. Weitere Informationen dazu finden sich unter kann-verlag.de.

Die Ausstellung ist von Freitag, 3., bis Sonntag, 26. September, in der AusstellungsHalle, Schulstraße 1A, zu sehen. Die Eröffnung findet am Donnerstag, 2. September, um 19 Uhr unter den dann geltenden Corona-Regeln statt. Dort sprechen Eva Claudia Scholtz, Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, und Isa Bickmann, Kuratorin der Ausstellung.

Ausstellungsort
Die AusstellungsHalle ist mittwochs und donnerstags von 18 bis 20 Uhr und freitags, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Sie ist zudem geöffnet zum Saisonstart der Frankfurter Galerien im Rahmen von „The Frankfurt Art Experience“ am Freitag, 3. September, von 18 bis 22 Uhr, und Samstag und Sonntag, 4. und 5. September, von 11 bis 18 Uhr.

Begleitprogramm
Donnerstag, 9. September, 20.30 Uhr: Ersatzkunst im Film. Moderation: Vollrad Kutscher
Mittwoch, 15. September, 19 Uhr: Kuratorinnenführung
Sonntag, 26. September, 17 Uhr: Finissage