ff 17tukurVerleihung des Hessischen Film- und Kinopreises 2017 am Freitag, den 13., Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Lange mußte man darauf warten, daß der anläßlich des jeweils am Freitag der Buchmesse stattfindenden Hessischen Filmfestes übergebene, aber schon vor Wochen bekanntgegebene Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten an Ulrich Tukur auf der Bühne Tatsache wurde.

Und dennoch geschah dies früher als sonst, denn statt am Ende dann auch noch einen Preis zu bekommen, wurde dies Ereignis in die Mitte verlagert, was der Veranstaltung bekam, erst recht, wenn der Preisträger Ulrich Tukur heißt. Noch in seiner Laudatio hatte Volker Bouffier , der als Ministerpräsident diesen undotierten Preis persönlich bestimmen darf, also keine Jury fragen muß, Tukur als geborenen Hessen bezeichnet, konkret: „Ein Hesse – jedenfalls von Geburt“. Diese vorsichtige Distanzierung vom tätigen Hessensein widerlegte bei seiner Dankesrede Ulrich Tukur vom ersten Wort an. Hessischer kann man nicht reden, wenn man gleichzeitig noch erreichen will, daß ihn andere verstehen, was bei seinem Geburtsort „Vernem“, schon nicht mehr der Fall ist, schließlich versteht auch kein Nichthesse Denkem. Ersteres ist Viernheim, am Rande des schönen Odenwald gelegen, zweiteres Dörnigheim am Main, was hier keine Rolle spielt, nur zeigen sollte, daß auch dem Hessischen Ausspracheregeln innewohnen.

Endlich wurde es witzig bei dieser leicht oberflächlichen Veranstaltung, wo das Reden so weichgespült erschien, ach was, war. Dann sind solche Elogen wie: „Leben hat erst dann einen Sinn, wenn ich Ulrich Tukur bin.“, schon was besonders Geistreiches, auf jeden Fall Amüsantes, weil sich tatsächlich nur wenige Schauspieler so selbstironisch geben dürfen wie Ulrich Tukur, der das kann und darf. Und auch den Ministerpräsidenten zu Sensibilität gegenüber dem Publikum verführte: „Ihr Applaus läßt die Vermutung zu, daß Sie mit meiner Entscheidung einverstanden sind.“ Ja, das war das Publikum, aber dennoch sollte sich die Festabendregie überlegen, ob so was angemessen ist, daß dann das Publikum geschlossen aufsteht, was nicht immer freiwillig geschieht, sondern auch bedeutet, daß man sich dem nicht entziehen will und dazu noch applaudiert. So etwas, wie geschlossenes Aufstehen, finden wir, sollte für ganz besondere Ehrungen reserviert sein.

Und das sagen wir, gerade weil wir goutierten, wie Tukur seine Ehrung entgegennahm, dessen finanzielle Nullsumme ihm durchaus bewußt war, was er hinterfotzig anmahnte, als er zum Schluß den ganzen Saal für den morgigen Abend nach Sachsenhausen einlud, wo für alle ein Fünf-Liter-Bembel (für Nichthessen: ein bauchiges Apfelweinkeramikgefäß) warte. Denn tatsächlich hatte er sich in diesem Zusammenhang als echter Hesse bewiesen, was das Publikum gar nicht mitbekam, weil sie selber so reden, als er vom „einzischsten“ Negativum sprach, dem fehlenden Geld. Nein, dem geborenen oder eingeplackten (hochdeutsch: zugezogenen) Hessen ist ‚einzig‘ nicht genug. Die Leute lachten sich schief, über Tukurs Aufwachsen in Großkrotzeborsch und sein Wechseln nach Hanau...und still dachte man bei sich, ob er deshalb nach Venedig als Wohnort floh?

Aber in Venedig kann er sich nicht oft aufhalten, dachte man sich auch, denn er ist ein vielbeschäftigter und besonders vielseitiger Schauspieler, dessen Intensität alle rühmen. Und natürlich durfte weder bei der Laudatio auf ihn „ein besonderer Mitarbeiter des Landeskriminalamts Wiesbaden“, so Bouffier, fehlen, der Felix Murot heißt und für besonders heiße TATORTE an Sonntagabenden sorgt. Aber der Ministerpräsident hatte all die anderen Rollen und vor allem all die anderen Tätigkeiten des weithin nur als Schauspieler wahrgenommenen Multitalents auch benannt und sprach von ihm als einem: „...stets sicher im Takt, und nichts bringt ihn dabei aus dem Rhythmus“. Das muß man einfach auf seine Musikalität beziehen, er singt, tritt mit Band (seit 1995: Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys) auf, und – was die wenigsten wissen, das ist, daß er als Musiker auf der Bühne ‚entdeckt‘ wurde und erst anschließend in Stuttgart an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst ‚Schauspiel‘ studierte.

Noch im Studium entdeckte ihn Michael Verhoeven und besetzte ihn in DIE WEISSE ROSE, danach war er zehn Jahre am Hamburger Deutschen Schauspielhaus engagiert und wurde schon 1986 als „Schauspieler des Jahres“ gewählt. Vor allem aber schreibt er, schon seit längerem weshalb seine Bezeichnung als „Autor“ durch Bouffier nicht nur richtig ist, sondern auch wichtig, denn er schreibt richtige Literatur, nicht irgendwas Autobiographisches zur eigenen Verherrlichung.

Was man leicht vergißt, ist, daß er auch internationales Renommee besitzt, was schon vor DAS LEBEN DER ANDEREN (2006) mit SOLARIS (2002) an der Seite von George Clooney; aber das sei nur hinzugefügt und auch, daß es wohl tut, mit der Jungmännertruppe Dietrich Brüggemann, Tom Lass und Jerry Hoffmann die einzige vorzeigbaren Laudatoren aufgeboten hatten, die auch diesen herrlichen Spruch auf den Preisträger so ironisch, wie liebevoll abgeliefert hatten, den wir gerne wiederholen: „Leben hat erst dann einen Sinn, wenn ich Ulrich Tukur bin.“ Schließlich hatte Turkur seine Dankesrede auch damit geschlossen: „Ich habe den Preis verdient“. Dem können wir nur zustimmen.

P.S. Doch, auch Margarita Broich und August Zirner haben als Laudatoren Sinnvolles gesagt, was aber nicht für die weiteren Laudatorinnen gilt und auch für den Moderator des Abends, worauf wir noch zu sprechen kommen. Leider ist nicht genug Platz auch darüber zu sprechen, daß wir den Regisseur Dietrich Brüggemann für uns nur als „streng“ charakterisierten, was an dem unglaublich eindrucksvollen Berlinalefilm KREUZWEG liegt, dabei hat er ja mit HEIL auch längst Lustiges abgeliefert. Aber wie komisch er mit seinen zwei Kollegen agierte, war echt überraschend und eine Entdeckung.

FORTSETZUNG folgt also

Foto: Tukur und Bouffier, als sich Tukur mit Diener bedankt © hessenschau.de

Info:
www.hessischer-filmpreis.de

Bisherige Berichterstattung

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