f gegen den strom stills 01Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 13. Dezember 2018, Teil 4

Jacqueline Schwarz

Berlin (Weltexpresso) - Mit Pfeil und Bogen schreitet Halla zur Tat. Sie schießt ein Metallseil über Hochspannungsleitungen, provoziert einen Kurzschluss und unterbricht damit die Stromversorgung in der Aluminiumschmelzhütte. Dann ergreift sie die Flucht durch die Weiten der isländischen Heide. Ein Hubschrauber naht schon am Himmel. In Hecken und Felsspalten kann sich die Verfolgte jedoch gut verstecken, im Anhänger eines Schafzüchters entkommt sie schließlich der Polizei.

Benedikt Erlingsson erzählt die Geschichte einer militanten Umweltaktivistin.

Mit Industriesabotage und Vandalismus bekämpft sie die Verhandlungen zwischen der isländischen Regierung und einem internationalen Investor, entschlossen, den Ausverkauf an der Natur zu stoppen.

Da niemand die mutige, alleinstehende Frau Ende vierzig verdächtigt, kann sie ihren durchdachten Plan ungehindert umsetzen. Als Chorleiterin führt sie ein unauffälliges Leben. Nur einer ihrer Sänger weiß um ihre heimlichen Aktivitäten: Unter dem Pseudonym „Die Bergfrau“ veröffentlicht die Öko-Terroristin ihre Forderungen, für die sie viel Zustimmung erntet, aber auch Protest.

Bald riskiert Halla gefährlichere Anschläge, bei denen Metallsägen und Sprengstoff zum Einsatz kommen.
Mit entwaffnender Selbstverständlichkeit gibt Halldóra Geirharðsdóttir die Guerillakämpferin als eine arktische Schwester der Göttin Artemis.

Schon allein ihre sportlichen Leistungen im Laufen und Bogenschießen beeindrucken, vor allem aber lotet sie die Ambivalenz ihrer Figur glaubwürdig aus. An den politischen Eskalationen ist sie angesichts ihrer Verbrechen nicht ganz unbeteiligt, zunehmend wird es für die Amazone schwieriger, für das Gute zu kämpfen. Halla muss sich fragen, wem ihr Einsatz eigentlich nützt.

Wie nebenbei meistert die Hauptdarstellerin ihre Rolle als kompromisslose Aktivistin. Irgendwann kommt auch Hallas Zwillingsschwester Asa, eine Yogalehrerin, ins Spiel, ebenfalls verkörpert von Geirharðsdóttirs: Zwischen den Schwestern spitzt sich ein privater Konflikt um das Sorgerecht für ein Waisenkind zu.

So wie Halla zunehmend von Geheimdiensten verfolgt wird, schwinden ihre Aussichten auf ein Adoptivkind. Doch lässt Regisseur Erlingsson einen Widerspruch zwischen Mutterschaft und Umweltkampagnen nicht zu. Vielmehr beugt er mit surrealen Elementen und komischen Einlagen einem melodramatischen Ausgang sympathisch vor.

Besondere Bedeutung kommt der Musik zu. Eine mit Schlagzeug, Tuba, Akkordeon und Klavier konzertierende drei-Mann-Kapelle und ein vokales Frauentrio treten immer wieder kurz in die Erzählung ein. Schräge Frisuren, Hüte und Trachten lassen sie, mal am Straßenrand, mal im Hochgebirge ins Bild gerückt, wie Fremdkörper aus einer anderen Welt erscheinen. Ihre folkloristisch-melancholischen Gesänge und grotesken Improvisationen wenden den Feldzug gegen eine bis an die Zähne bewaffnete staatliche Übermacht gekonnt ins Absurde.

„Gegen den Strom“ beschert mithin einen bitterbösen Kommentar auf eine Gesellschaft, die sich mit den ernst zunehmenden Ursachen für die Zerstörung der Umwelt arrangiert hat. Und ein skurriler Film mit einem eigenwilligen Charme.

Foto:
© Verleih

Info:
Darsteller:
Halldóra Geirharðsdóttir
Juan Camillo Roman Estrada
Margaryta Hilska
Jóhann Sigurðarson
u.a.