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Kategorie: Film & Fernsehen
f binoche2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 8. August 2019, Teil 6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was ist ein guter Film? Dieser Film auf jeden Fall hat eine komplexe Handlung, die überhaupt nicht aufhört, durcheinander zu gehen, bis nicht nur die Hauptfigur Claire nicht mehr durchblickt durch die Fallstricke, die sie selbst gelegt hatte. Und viel zu lang das Ganze. Das wäre doch ein mieser Film. Aber Trotz einiger Schwächen sitzt man fasziniert, weil in SO WIE DU MICH WILLST eine Wahrhaftigkeit aufscheint, die auch einen Namen hat: Juliette Binoche.

Sie spielt diese Claire, die von ihrem Mann für eine sehr viel Jüngere verlassen, mit zwei großen Söhnen da steht, die Verletzung durch das Verlassenwerden als Fünfzigjährige nicht verwinden kann, deshalb eine Psychotherapeutin aufsucht, die ihre zugetan ist und sie aufmunternd und der sie dennoch nicht die Wahrheit sagen kann. Denn – und das ist absolut Spitze an diesem Film - , was uns lange als Gezackere und Gezicke einer in die Jahre gekommenen Frau vorkommt, die im Selbstmitleid versinkt und die deshalb schwierige, eigentlich unmögliche Sachen macht, erfährt am Schluß des Films eine Aufklärung, nach der man das unangemessene und verzweifelte Verhalten überhaupt erst verstehen kann. Es geht um den schlimmsten Verrat, den man sich vorstellen kann, einen doppelten, den wir hier nur andeuten können, denn wir dürfen ihn nicht verraten.

Aber er steckt uns jetzt noch in den Knochen. Auf diesen Hintergrund läßt sich die Geschichte sehr viel kürzer erzählen. Also, die verlassene Claire hat einen interessanten Beruf. Sie ist Literaturdozentin an der Uni und darf dann bei allem persönlichen Leid auch noch DIE GEFÄHRLICHEN LIEBSCHAFTEN von Choderlos de Laclos mit den Studenten durchnehmen, ein Briefroman, der genau das Manipulieren mit Worten bis zum Tod aufzeigt und wo sie voll durchblickt. Überhaupt scheint sie am Anfang durchaus gut drauf zu sein, denn ihre Liebesnacht mit ihrem jungen Liebhaber Ludo hat ihr gefallen, aber gleich morgens verhält er sich relativ kühl und sofort sieht sie seine potentielle Ablehnung und das Aus der Beziehung vor sich.

Schnell erkennen wir, daß sie eine zutiefst verunsicherte Frau ist. Obwohl sie so klug ist, ist sie männerdumm, läuft dem Rotzlümmel hinterher, bis er sie abserviert und bei einem der vielen unsinnigen Anrufe ihrerseits sich sogar verleugnen läßt. Demütigend und sie sucht geradezu diese Demütigungen, denkt man als Zuschauerin, die ja, wie gesagt, das Ende noch nicht kennt und darum nicht weiß, warum sie – mit Recht – so verzweifelt ist.

Von Anfang an gibt es ein durchlaufenden weiteres Thema. Das Internet. Es gibt ja inzwischen mehrer Filme, die auf der selben Voraussetzung fußen, daß ein oder eine Ältere sich bei digitalen Partnerschaftsanzeigen als junger Mensch ausgeben und wenn es sein muß, auch ein falsches Foto posten. Das macht auch Claire und gezielt fängt sie mit dem Mitbewohner ihres nun Ex-Liebhabers, mit Alex ( ) eine Internetbekanntschaft an, die sich im Hin und Her zu mehr auswächst.

Sie verwickelt sich so in ihre eigene Intrige, das sie nicht mehr ein noch aus weiß, bis sie die Verbindung zu Alex abbricht und etwas Schreckliches passiert. Hier driftet der Film ganz schön ab und wir sind genau an unserer Anfangssequenz, daß bei allem Zuviel, was dieser Film hier zumutet, eine so bittere Wahrheit das Überdrehte verständlich macht und wir dieser verwirrten und andere wirre machenden Claire ihre ganzen Winkelzüge verzeihen und mit einem tiefen Mitgefühl für sie das Kino verlassen. So stark hat Juliette Binoche diese alternde Frau verkörpert.

Übrigens, das noch am Rande, sie läßt beim Älterwerden nichts aus. Wir sind Zeugen, wenn auf der großen Leinwand nicht nur ihre Falten vergrößert in die Tiefe gehen, sondern auch andere Altersprozesse sichtbar werden. Das macht die Binoche mutig und deshalb tritt diese Wirkung von Wahrhaftigkeit ein. Ganz im Gegensatz zu Julianne Moore in GLORIA, der Zweitverfilmung durch denselben Regisseur, der übrigens am 22. August anläuft, wo eine ebenfalls Überfünfzigjährige sich mit dem Älterwerden auseinandersetzt, aber das fast faltenlos und klinisch. Gerade in diesem Vergleich erkennt man die Kunst des Spiels der Französin.

Foto:
© Verleih

Info:
BESETZUNG

Claire Millaud                 JULIETTE BINOCHE
Alex Chelly                      FRANCOIS CIVIL
Dr. Catherine Bormans   NICOLE GARCIA
Katia                               MARIE-ANGE CASTA
Ludovic Dalaux              GUILLAUME GOUIX
Max                               JULES HOUPLAIN
Tristan                            JULES GAUZELIN
Gilles                              CHARLES BERLING
Solange                          CLAUDE PERRON