f was gewesenware1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. November 2019, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn Astrid (Christiane Paul) mit Paul (Ronald Zehrfeld) das Hotel Gellert in Budapest betritt, oder ist es ein anderes und nur das Baden findet in dessen Heiligen Hallen statt, wenn also die beiden an der Rezeption ihr Zimmer bekommen und dieses betreten, dann schaut der Zuschauer erst einmal betreten. Man weiß nicht so recht, was los ist.

Der Regisseur, bzw. der Drehbuchautor hat hier ein retardierendes Element eingefügt. Denn das Paar, alle beide, lassen eine Unsicherheit spüren, aha, sie sind ja als Endvierziger in einem Alter, wo meist eine Beziehung, eine Ehe, schon lange besteht, aber da verhält man sich anders und junge Leute würden wahrscheinlich übereinander herfallen, doch diese beiden lassen sich Zeit, sie beschnuppern sich, bevor sie dann doch, denn das gehört dazu, miteinander ins Bett fallen.

Bald wissen wir, daß die beiden wirklich der Liebe wegen nach Budapest gefahren sind, denn sie sind gerade mal knapp drei Monate zusammen und der Anlaß ihres Kennenlernens ist durchaus einmal ungewöhnlich: sie ist Ärztin, ist Chirurgin und hat vor über drei Monaten ihn am Herzen operiert. Schon wieder: aha. Das Herz. Genau um dieses wird es gehen, allerdings nicht biologisch. Herz reimt sich auf Schmerz und das Herz einer Frau in der zweiten Hälfte der Vierziger ist bei äußerlicher Robustheit doch etwas sehr Empfindliches. Das Herz des Mannes im gleichen Alter auch, nur merkt dieser es nicht so.

In gewisser Sprödigkeit gehen die beiden miteinander um. Das ist auf der Leinwand völlig ungewöhnlich, wo normalerweise Gefühlsseligkeit sehr viel stärker schwelgt, als im wirklichen Leben, wo ja zwei Erwachsene, die in diesem Alter schon Liebesdinge erlebt und erlitten haben, allen Grund haben, vorsichtig miteinander umzugehen. Diese Unsicherheit bei allem Wollen zeigen die Protagonisten Christiane Paul und Ronald Zehrfeld auf leise, ja herrlich holprige Weise. Ronald Zehrfeld hat auch in den letzten Jahren anspruchsvolle Rollen spielen dürfen; bei Christiane Paul, die gerade derzeit sehr häufig besetzt wird, ist in all den Jahren keine Rolle dabei gewesen, die an ihre Besetzung in Théo Angelopolous Drama VOM STAUB DER ZEIT, wo sie die Ex-Ehefrau von Willem Dafoe spielt, heranreicht.

Und während man noch auf die Weiterentwicklung der Beziehung wartet, nimmt der Film eine ganz andere Wendung. Denn während alles noch nach einem Liebeswochenende aussieht, passiert am folgenden Morgen im Frühstückssaal etwas, was Astrid in die Vergangenheit zurückbeamt. Sie sieht Julius (Sebastian Hülk), den damals jungen Mann, der in der DDR vor 30 Jahren ihre erste große Liebe war...wie das genau war, erfahren wir in Splittern, die immer wieder als Rückblenden auf der Leinwand erscheinen. Auf jeden Fall ging sie nicht auf, diese Liebe, und hat einen großen Rest hinterlassen, der nun mit einem Schlag Astrid vor die Füße fällt. Was tun, wo sie doch mit Paul in Budapest weilt.

Erst geht sie Julius aus dem Weg, will nicht mehr in den Speisesaal, doch dann passiert zweierlei: sie merkt, daß sie dem Stolperstein aus ihrem Leben nicht aus dem Weg gehen kann und sie bemerkt, daß die Erinnerung an ihn so virulent wird, daß sie auf ihn zugeht – und nun Paul im Regen steht. Denn daß sie auf einmal einen anderen Mann im Sinn hat, mit diesem ihre Zeit verbringt, ist für ihn gegen jede Spielregel. Erst ist er irritiert, dann beleidigt, dann packt er seine Sachen und bricht das Liebeswochenende ab. Er zeigt seine Gefühle, was in gewissem Widerspruch zu seiner phlegmatischen, kompakten körperlichen Erscheinung steht.

Als Astrid merkt, daß er weg ist, weiß sie auf einmal genau, was sie will, fährt zum Flughafen....

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© Verleih

Info:
Regie: Florian Koerner von Gustorf
Drehbuch: Gregor Sander
nach dem gleichnamigen Roman von Gregor Sander
mit Christiane Paul, Ronald Zehrfeld, Sebastian Hülk, Leonard Kunz, Mercedes Müller,
Lena Urzendowsky, Barnaby Metschurat, Erika Marozsá, Tamás Lengyel, Matti Schmidt-Schaller u.a.
Deutschland 2019 | Länge: 90 Minuten
KINOSTART: 21. November 2019