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Kategorie: Film & Fernsehen
f remake2hindle wakes1Vom 26. November bis 1. Dezember finden erneut die Frankfurter Frauen Filmtage statt, Teil 3

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein Höhepunkt des diesjährigen Programmes von Remake. Frankfurter Frauen Film Tage ist ein festliches CineConcert mit der Welturaufführung einer Filmmusik zu Hindle Wakes am Donnerstag, 28. November 2019 im Großen Saal des Schauspiels Frankfurt. Im Auftrag der Kinothek Asta Nielsen e.V. hat die renommierte niederländische Komponistin und Pianistin Maud Nelissen eine neue Musik für kleines Ensemble zu einem der spektakulärsten britischen Filme der 1920er Jahre geschrieben, .

Beim CineConcert sind unter der Leitung von Maud Nelissen die international bekannten Musiker*innen Daphne Balvers, Franceso Ferrarini, Lucio Degani und Rombout Stoffers zu hören. Es wird eine 35mm-Kopie des British Film Institute gezeigt.

Maurice Elveys Film ist inhaltlich und formal außergewöhnlich. Die junge Fanny Hawthorn arbeitet in einer Baumwollspinnerei im englischen Hindle, Lancashire. Beim jährlichen Ferienausflug der Firma in den Vergnügungsort Blackpool on Sea vergnügt sie sich in einer Affäre mit dem Sohn des Fabrikbesitzers. Aus Familiensicht bleibt nur die Hochzeit, um die Ehre zur retten. Doch Fanny gibt ihre Freiheit nicht ihrer „little fancy“ wegen auf: Sexuelle Selbstbestimmung ist - ganz im Sinne Emma Goldmans – Teil des Arbeiterinnenstolzes.

Mit der in seiner Zeit Aufsehen erregenden Emanzipationsgeschichte vergegenwärtigt der Film zugleich einen Blick in die erste global-kapitalistische Wirtschaft, die Baumwollindustrie. Er zeigt eine Spinnerei in Lancashire, die Arbeit dort steht in direkter Verbindung mit der Sklavenarbeit auf den Baumwollplantagen der US-amerikanischen Südstaaten. Diese sehen wir zwar nicht (vgl. jedoch Daughters of the Dust und Beloved im Festivalprogramm), aber der Film ist gleichwohl in doppelter Hinsicht ein Dokument: einmal der Frauenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zum anderen eben der Arbeitssituation in der englischen Baumwollindustrie. Erzählung, die Story, mit Dokumentarischem zu verbinden, ja zu durchdringen, war die erklärte Absicht des Regisseurs Maurice Elvey, wie die britische Stummfilmhistorikerin Lucie Bea Dutton schreibt, "Hindle Wakes verbindet ein von Elvey hochgeschätztes Theaterstück mit seinem Wunsch, ‚echte Schauplätze‘ auf die Leinwand zu bringen, um eine ‚dramatized documentary‘ zu schaffen. Aus dieser Kombination entstand einer von Elveys am meisten gefeierten Filmen – damals, bei der Uraufführung, und heute, 90 Jahre später. Ich habe 14 Jahre lang Forschungen zu Elvey und seine Karriere betrieben, daher bin ich sicher, er wäre entzückt, stolz und auch ein bisschen erstaunt zu hören, dass die Komponistin Maud Nelissen, als sie an einer neuen Musik zu diesem wunderbaren Film arbeitete, sich die Mühe machte, das wirkliche Blackpool zu besuchen und auch Lancashire, um zu sehen, was von den Baumwollspinnereien in Englands Nordwesten geblieben ist.“ (Lucie Bea Dutton in: Geschichtsanschauungen/ Views of History, Frankfurt am Main 2019, eine Publikation der Kinothek Asta Nielsen e.V. zu Remake 2019)

Die Kinothek Asta Nielsen e.V. hat die renommierte niederländische Komponistin und Pianistin Maud Nelissen mit der Komposition beauftragt. Zu Hindle Wakes schreibt sie eine Musik für kleines Ensemble. Maud Nelissen (Komposition und Klavier) wird am 28. November 2019 zusammen mit den international bekannten Musiker*innen Francesco Ferrarini (Cello), Daphne Balvers (Saxophon), Lucio Degani (Violine) und Rombout Stoffers (Schlagzeug und Akkordeon) zu hören sein.

Nelissen ist eine der international bedeutendsten Stummfilmpianistinnen und  -komponistinnen, sie tritt in Europa, den USA und Asien auf und spielt regelmäßig bei den Festivals Il Cinema Ritrovato, Bologna und Le Giornate del Cinema Muto, Pordenone. Sie arbeitet seit vielen Jahren mit der Kinothek Asta Nielsen zusammen, mehrfach in Kooperation mit ZDF/ARTE und hat ihr eigenes Stummfilmorchester, The Sprockets.

Remake. Frankfurter Frauen Film Tage 2019 hat das Thema Geschichte als Schwerpunkt: „Geschichtsanschauung, HerStory im Kino“, – Geschichte der Frauen, Geschichtsschreibung aus der Perspektive von Frauen, Geschichte vor allem, wie das Kino sie "schreibt". Am Kino der ersten Jahrzehnte des Films, dem Stummfilmkino, hatten Frauen einen aus heutiger Sicht ungewöhnlich starken Anteil. Diese Erkenntnis ist Ergebnis einer seit Jahren wachsenden internationalen Forschung. Der Stummfilm nimmt in Remake 2019 einen bedeutenden Platz ein. Neben der außergewöhnlichen Aufführung von Hindle Wakes, zeigt die Kinothek Asta Nielsen e.V. weitere Filme aus den frühen 1920er Jahren: Thora van Deken (John W. Brunius mit Pauline Brunius, Schweden 1920) und The Child Thou Gaves Me (John M. Stahl, USA 1921). Stahl wurde als ein bemerkenswerter Regisseur, dessen Filme in ungewöhnlicher Weise Frauengeschichte in den Mittelpunkt stellen, von den Festivals Le Giornate del Cinema Muto und Il Cinema Ritrovato 2018 wiederentdeckt.

Thora van Deken (1920) und The Child Thou Gavest Me (1921) werden von Maud Nelissen am Flügel begleitet.


Foto:
© Verleih

Info:
Remake. Frankfurter Frauen Film Tage wird gefördert von der HessenFilm und Medien GmbH, dem Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main, dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain, der Mariann Steegmann Foundation und dem Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main. Unterstützt vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Alle Informationen zu den Filmen, Gästen, Spielzeiten und -orten sind ab sofort unter www.remake-festival.de zu finden.