Bildschirmfoto 2019 11 25 um 02.29.22Das EXGROUND FILMFEST vom 15. bis 24. November in Wiesbaden, Schwerpunkt BRASILIEN, Teil 4

Claudia Schulmerich

Wiesbaden (Weltexpresso) –  Muß man es noch einmal deutlich sagen? Daß der Iran eines der Länder ist, der das Filmemachen sozusagen in den Genen vererbt, was übrigens auch für Kuba gilt. Wie soll man sonst erklären, daß auch unter den gegenwärtigen restriktiven politischen Verhältnissen Filme gedreht werden, die Filmkunst darstellen und die immer wieder Subversives transportieren.

Es ist ein fester Bestandteil vom Exground Filmfest, Kurzfilme aus dem Iran zu zeigen. In diesem Jahr waren es sieben Filme: fünf Welturaufführungen und eine Deutschlandpremiere. Grob kann man sagen, daß alle Filmen die Situation der Frau im heutigen Iran auf die Leinwand brachten, jedoch unter ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten. Wenn man so sachneutral von „der Situation der Frau“ spricht, ist das euphemistisch ausgedrückt. Natürlich muß es heißen: es geht immer um die Verbote für Frauen, was Frauen alles nicht dürfen, aber eben auch, wie sie das auszuhebeln versuchen.

Die Vorführung war am Donnerstag, 21. November um 17.30 im Murnau-Filmtheater

ALL EYES ON ME
von Saber Tatarcheh
Iran 2019 11 Min.
OmeU Kurzspielfilm

Erst einmal sieht man den Winter, den Schnee, eine junge Frau am Steuer eines Autos, natürlich mit Kopftuch, aber unternehmungslustig. Man bekommt mit, daß sie mit zu Hause telefoniert, wo keiner mitbekommen soll, was sie tut. Sie kommt aus einer religiösen Familie, die aber wohlhabend sein muß, schon wegen des Autos. Sie fährt also heimlich – in ein Tätowierungsstudio. Das sind zwei Verbote auf einmal. Das Tätowieren ist nicht erlaubt und einer Frau schon mal gar nicht.

Denn der Tätowierer ist ja mit ihr allein und macht sein Handwerk. Für jemanden, der sich nie tätowieren lassen würde, ist dieser Ausdruck der Renitenz und der Freiheitsgefühle natürlich problematisch, aber man kann nachvollziehen, wie revolutionär die Entscheidung der jungen Frau für sie selber ist.


INNER SELF [NAHAN]
von Mohammad Hormozi
Iran 2019 15 Min.
OmeU Kurzspielfilm

Ein starker Film, bei dem man beim Zuschauen glaubt, ihn mindestens eine halbe Stunde gesehen zu haben. Das liegt an der Mischung zwischen Statik und Bewegung. Hier fährt – erneut in Schwarzweiß – eine junge Frau mit dem Violinkasten los, sie will, das bekommt man dann mit, zum Vorspielen, allerdings ist sie nicht entsprechend den Kleidungsvorstellungen der Sittenpolizei angezogen, weshalb sie von einer Sittenwächterin am Betreten gehindert wird. Was so nüchtern klingt, wirkt gerade durch die harmlose Darstellung subversiv.


SILENCE
von Vahab Gaeeni
Iran 2019 9 Min.
o. Dial. Kurzspielfilm

Auch hier regnet es. Männer, lauter Männer, die auf einem Schrottplatz arbeiten. Die Bedingungen sind mies. Und die Hauptperson, ein Arbeiter, arbeitet gegen sich und wird entlassen. Eine düstere, aber realistische Situation.


SLEEPWALKER [KHABGRADHA]
von Poya Nabi
Iran 2018 16 Min.
OmeU experimenteller Kurzspielfilm

Schon wieder Regen. Wir sind in einem Abbruchhaus, so wie es dort aussieht. Und was hierzulande nicht mehr zu sehen ist: eine Fernsehtruhe, wie sie in den Sechzigern vor allem in Westdeutschland in jede gute Stube einzog. Aber was der junge Mann hier überhaupt will? Sein Wissen über seine Vergangenheit muß er aus einer Schneekugel beziehen. Er weiß nichts. Unheimlich ist das.

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A GIRL FROM PARSIAN [DOKHTARI AZ PARSIAN]
von Parinaz Hashemi Mobarakeh
Iran 2019 20 Min.
OmeU Dokumentarfilm

Bei den Kleidervorschriften von Kopftuch und langem Mantel ist es für Frauen schwierig, Fahrrad zu fahren. Wie gut also, daß sie es sowieso nicht dürfen, denn eine Frau auf dem Fahrrad beleidigt sozusagen Gott. Das sehen die Ehemänner genauso. Nur die Frauen nicht. Denn die – diesmal sind wir in einer kleinen Stadt, weit im Süden, eine so schöne Landschaft mit See und Bergen – die fahren einfach. Hügel hinauf und hinab gibt es genug.


WHITE SEASON [FASLE SEPID]
Bildschirmfoto 2019 11 25 um 02.29.31von Hasan Najmabadi
Iran 2019 15 Min.
OmeU Kurzspielfilm

Eine seltsame Situation. Für uns normal. Ein Ehepaar hat seine Probleme. Sie führen ein Mediationsgespräch, eine Paarberatung. Dabei wird alles mögliche angesprochen, doch das, worum es der Frau geht, wird stets umgangen. Sie wollte nur nicht dauernd gegängelt werden. Sie will frei sein. So einfach und doch so schwer. Unser Foto zeigt es. 




DRIVING LESSONS [CLASS RANANDEGI]
von Marziyeh Riahi
Iran 2019 12 Min.
OmeU Kurzspielfilm

Eindeutig der witzigste Film, der seine Souveränität aus dem Antlitz der Frau gewinnt, die fast stoisch die beiden Männer erträgt. Der eine, ihr Ehemann sitzt auf dem Rücksitz, der andere, der Fahrlehrer neben ihr. Kaum zu glauben, aber systemimmanent darf eine Frau nicht ohne ihren Ehemann mit ihrem männlichen Fahrlehrer im Auto sitzen. So gibt der Ehemann gute Ratschläge, die durchaus denen des Fahrlehrers widersprechen. Was zur Schizophrenie für die Fahrerin führen müßte, wenn Frauen nicht gewohnt wären, mit solchen Situation fertig zu werden.

Außerdem telefoniert der Ehemann, will eigentlich seine eigenen Angelegenheiten regeln, die Situation gerät außer Kontrolle, weil der Hickhack zwischen Fahrlehrer, dem dauernd reingesprochen wird, und dem Ehemann eskaliert. Erst steigt der eine aus, dann der andere. Wir sehen nur in die Augen der Frau und wissen: jetzt geht es los und schon fährt sie mit dem Wagen den beiden Männern davon. Ein so schlichter wie zukunftsfreudiger Schluß.

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