fa raonySerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. Dezember 2019, Teil 4

Redaktion 

New York (Weltexpresso) - Alle Figuren in A RAINY DAY IN NEW YORK ringen auf die eine oder andere Weise mit ihrer Identität. Gatsby hat dabei die offensichtlichsten Schwierigkeiten: er weiß schlicht noch nicht genau, wer er eigentlich ist. Derweil entpuppt sich seine Mutter (Cherry Jones) als vollkommen andere Person, als er immer gedacht hatte.

Im Fall von Ashleigh werden wir immer wieder daran erinnert, dass auch ihre Identität noch nicht gefestigt ist: als sie auf Vega trifft, ist sie derart von seinem Ruhm verunsichert, dass sie sich nicht einmal an ihren eigenen Namen erinnert, und gleich zweimal im Film zückt sie ihren Führerschein um sich auszuweisen. Drehbuchautor Davidoff lebt unterdessen im Schatten von Regisseur Pollard, stets einen Schritt entfernt vom Ruhm des Autors. Pollard selbst hat unterdessen den Bezug zu dem Künstler verloren, der er einmal war, und Schauspieler Vega kämpft dagegen an, stets in einer bestimmten Schublade festzustecken.

Eng verknüpft mit diesem wiederkehrenden Motiv der Identität ist die Sehnsucht der Figuren, gesehen und wahrgenommen zu werden. Gatsby wünscht sich, dass seine Mutter erkennt und akzeptiert, wer er wirklich ist. Chan ist gekränkt, dass Gatsby sie früher nicht wahrgenommen hat. Vega trägt zunächst eine Maske, weswegen Ashleigh ihn erst erkennt, als er sie abnimmt. Und Gatsbys Mutter beschließt, dass es endlich an der Zeit ist, ihrem Sohn ihr wahres Ich zu zeigen.

„Für diese Figuren ist es wichtig, dass die anderen durch ihre äußere Hülle hindurchsehen und erkennen, wer sie wirklich sind“, erklärt Allen. „So ist es ja oft im Leben. Man schwärmt für jemanden, doch der sieht einen einfach nicht. Nicht im körperlichen Sinne natürlich, sondern einfach, weil man scheinbar keinen bleibenden Eindruck im Leben des anderen hinterlässt.“ Passend zu diesen Bemühungen, um ihrer selbst willen erkannt zu werden, ist es ein Merkmal des visuellen Stils des Films, dass die Gesichter der Protagonisten häufig verdeckt oder im Schatten sind. So ist zum Beispiel im Fenster des Autos am Filmset im Greenwich Village eine Reflektion des Straßenbildes zu sehen statt der Gesichter von Gatsby und Chan im Inneren des Wagens.


Die Kamera

„Im Kino geht es darum, nicht immer alles eindeutig zu zeigen“, gibt Kameramann Vittorio Storaro zu Protokoll, der mit Woody Allen bereits bei CAFÉ SOCIETY und WONDER WHEEL zusammengearbeitet hat. „Es könnte in den meisten Fällen passender sein, dass die Charaktere von etwas verdeckt werden oder nur teilweise sichtbar sind. Man muss schließlich unterschiedliche Momente und Situationen schaffen, um das Interesse des Publikums aufrecht zu halten.“ A Rainy Day in New York 8 Um die Unterschiede der Persönlichkeiten von Gatsby und Ashleigh deutlich zu machen, setzte Storaro vielfältige Lichtquellen und verschiedene Kamerabewegungen ein. „Gatsby liebt New York mit Wolken am Himmel oder besser noch mit etwas Regen“, führt er aus. „Ashleigh dagegen ist strahlend und leidenschaftlich, deswegen habe ich bei ihr wärmere Farben verwendet.“

Sogar in den Szenen, in denen die beiden gemeinsam zu sehen sind, fand Storaro Variationen: „Es regnet ja selten den ganzen Tag und immer und überall auf die gleiche Weise. Manchmal windet es, die Sonne kommt kurz durch, später verschwindet sie wieder hinter den Wolken. Solche zufälligen Wettermomente habe ich mir zunutze gemacht. Als Gatsby unter den von ihm so geliebten Wolken bei Ashleigh anruft, bricht zum Beispiel bei ihr gerade ein warmer Sonnenstrahl durch.“ Während er Gatsby mit einer fixierten Kamera filmte, setzte Storaro für Ashleighs Szenen eine bewegliche Steadicam ein. „Mit der Steadicam wollten wir in den Bewegungen Ashleighs Freiheit und Unbeschwertheit unterstreichen“, sagt der Kameramann. „Sie ist ein Freigeist und offen für alles, während Gatsby versucht, in seinem Umfeld alles eher ruhig und schlicht zu halten.“

Ähnlich wie New York City spielt auch der Regen eine ganz entscheidende Rolle im Film. „Der Regen soll in unserem Film als Symbol für Romantik und Liebe stehen“, sagt Allen. „New York ist an diesen grauen, nebligen und regnerischen Tagen wunderschön. Dieses sanfte Licht und die sauber gespülten Straßen, das hat einfach was.“ Am Regen zeigt sich auch, wie unterschiedlich Gatsby und Ashleigh auf das Leben blicken: „Während sie ihn als trüb und bedrückend wahrnimmt, findet Gatsby ihn romantisch.“ Die verschiedenen Persönlichkeiten der beiden jungen Liebenden und ihrer Erlebnisse in New York City spiegeln sich auch in den Orten wider, die sie in der Stadt besuchen. „Gatsby liebt das New York der Vergangenheit“, berichtet Produktionsdesigner Santo Loquasto. „Wir sehen ihn im Village, in alten Hotels und an Orten, die an längst vergangene Tage erinnern, wie etwas Bemelmans Bar im Carlyle Hotel.

Ashleigh dagegen verliebt sich in ein deutlich moderneres New York, zu dem der hippe Glamour eines Hotels in Soho genauso gehört wie ein Loft in Downtown. Ihre Welt ist sehr viel auffälliger als seine, bei ihr geht es um wunderschöne zeitgenössische Möbel und Raum.“ Als Drehort für das fiktive Wooster Hotel, in dem Ashleigh den Regisseur Roland Pollard zum Interview trifft, diente das The Bowery Hotel im East Village. Um das Kommen und Gehen des regulären Hotel-Betriebs nicht zu stören, bauten Loquasto und sein Team in einer anderen Straße eine Hotel-Fassade und richteten ihre eigene Lobby im Stockwerk direkt über der echten ein. „Ich verwendete die Möbel des Hotels und ließ die Lobby aussehen wie die echte“, wie der Produktionsdesigner sagt. „Wir setzten auf zahlreiche orientalische Teppiche und Gemälde, um diesen angesagten 19. Jahrhundert- -Look zu erschaffen.“


Die Einrichtung und Kleidung

Für Pollards Hotelsuite griff man auf ein privates Loft-Apartment zurück. „Schon beim Betreten sah es unglaublich aus. Perfekt für eine fantastische, leicht übertriebene Hotelsuite, wie sie ein erfolgreicher Regisseur mieten würde“, fährt Loquasto fort, und berichtet außerdem, dass als die klassische Upper East Side-Wohnung von Chans Familie ein Apartment in Central Park West diente.

„Die Familie, die dort lebte, hatte einen Sohn und eine Tochter. Letztere hatte praktisch genau den Stil, der uns für Chan ohnehin vorschwebte. Wir mussten noch ein paar Zeichnungen und Bücher mitbringen, doch alles andere, wonach wir für diese Figur suchten, war bereits vorhanden.“ Kostümdesignerin Suzy Benzinger hatte keine Schwierigkeiten, passende Outfits für Gatsby zu finden. „Ralph Lauren von der Stange“, erklärt sie lachend. „Das ist die Standard-Uniform für Kinder aus reichem Hause, die sich nicht viel aus Kleidung machen. Gatsby ist kein Fashion-Kid, sondern eine alte Seele, die überwiegend Dinge trägt, die er auch schon vor langer Zeit hätte kaufen können. Die Fischgrät-Jacke, die er trägt, macht Ralph Lauren zum Beispiel schon seit Ewigkeiten.“

Dagegen schlägt Ashleigh in Pollards Hotel in einem pastellpinken Sweater auf, der Eindruck schinden soll. „Ashleigh hat eine Mission“, erklärt Benzinger. „Sie möchte sich als karriere-orientierte junge Frau präsentieren, die alles im Griff hat, damit Pollard sie ernst nimmt.“ Dagegen ist Chan in ihrem Auftreten sehr viel selbstsicherer und kleidet sich entsprechend mutiger. „Sie ist eines dieser New Yorker Mädchen, die sich sehr lässig sehr A Rainy Day in New York 9 teure Mode überwerfen“, fährt die Kostümdesignerin fort. „Auf den ersten Blick mögen ihre Outfits nach typischer Teenager-Kleidung aussehen, doch ihre Turnschuhe kosten 600 Dollar und ihr Sweatshirt einen Tausender. Der Stutterheim-Regenmantel in Burgunder etwa war in dem Jahr der Regenmantel schlechthin. Es war fast unmöglich, für den Film überhaupt einen zu bekommen, geschweige denn mehrere, die wir für die Dreharbeiten benötigten.“

A RAINY DAY IN NEW YORK ist Woody Allens Version einer altmodischen Hollywood-Romanze. „Ich habe solche Filme immer geliebt und finde sie wundervoll“, sagt er. „Mein Film ist eine Liebesgeschichte, und der Gedanke, sie vor der romantischen Kulisse eines verregneten New Yorks zu erzählen, fand ich enorm ansprechend.“ Der Film ist sehr viel optimistischer als viele von Allens früheren Filmen, wie er selbst bestätigt: „Ich finde die Geschichte insgesamt sehr positiv. Gatsby findet meiner Meinung im Laufe dieses Wochenende zu sich selbst. Am Ende hat sich nicht nur das Verhältnis zu seiner Mutter verbessert, sondern er hat auch einen Entschluss bezüglich der Frau in seinem Leben gefasst.“

Gatsby und Ashleigh kommen an einem Samstagvormittag in New York an und wollen eigentlich am nächsten Tag wieder abreisen. Weil er alles bis auf die Minute geplant hat, sind wir uns der Zeit – und wie er die Kontrolle darüber verliert – immer bewusst. Die Zeit ist ein entscheidender Faktor in diesem Film, und es ist kein Zufall, dass in der Geschichte auch eine Uhr eine wichtige Rolle spielt. „Gatsby hat alles bis ins kleinste Detail geplant, damit er und Ashleigh ein wunderbares Wochenende zusammen haben, doch es kommt alles anders“, fasst Allen zusammen. „Die Stadt hat ihre eigene Agenda, sagt Gatsby. Die Zeit ist immer gegen dich. Man kann versuchen, sie in den Griff zu bekommen oder ein wenig zu manipulieren, aber letzten Endes ist das unmöglich. Von dem Moment an, an dem sich die Figuren am Ende unter der Uhr küssen, beginnt die Zeit ihre Beziehung vorwärtszubewegen. Sie mag ein Jahr halten, zwei, zehn, 20 oder sogar ein Leben lang. Aber die Zeit wird auch hier laufen, so wie das immer ist.“

Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung
In den Hauptrollen (in alphabetischer Reihenfolge)
Gatsby           Timothée Chalamet
Ashleigh         Elle Fanning
Chan              Selena Gomez
Ted Davidoff           Jude Law
Francisco Vega      Diego Luna
Roland Pollard       Liev Schreiber