peli3Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. September 2020, Teil 2

Katrin Gebbe

Berlin (Weltexpresso) - PELIKANBLUT erkundet die alptraumhafte Vision der Elternschaft. Der Titel bezieht sich auf das christliche Symbol der Pelikanmütter, die ihren toten Nachwuchs mit ihrem eigenen Blut füttert und ihn so zurück ins Leben holt. Es ist eine Metapher für selbstaufopfernde Liebe und Glauben. Um ihr emoIonal „totes“ Kind zu retten, geht auch die Protagonistin meines Films den Weg der Selbstaufopferung. Sie stürzt sich in eine fragwürdige Erziehung und wird auf der Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma immer obsessiver.

Der Film erzählt die Geschichte der Pferdetrainerin Wiebke, die ein zweites Kind aus dem Ausland adopIert. Schon bald muss sie erkennen, dass das neue Kind schwer traumaIsiert und emoIonal gestört ist und eine echte Bedrohung für das Leben ihres ersten Kindes darstellt. Wiebke steht vor einem Dilemma: Bringt sie ihre eigene Gesundheit und die ihres ersten Kindes in Gefahr, um dem neuen Kind eine letzte Chance auf Heilung zu ermöglichen? Dabei wird ihr immer klarer, dass sie kein Kind für das andere opfern will, aber die SituaIon scheint ausweglos zu sein. Um das Unmögliche doch noch zu schaffen, muss sie über Grenzen gehen.

Seit meinem Debütflm TORE TANZT (internationaler Titel: NOTHING BAD CAN HAPPEN) erforsche ich die Ursprünge von Gut, Böse und dem freien Willen. Im Laufe meiner Recherchen habe ich mich mit der Kindheit von Strafätern mit psychopathischen Störungen befasst. Dabei bin ich auf sich wiederholende Schicksale gestoßen und habe mich gefragt, ob es möglich ist, ein „böses“ Kind zu retten – ein Kind, das möglicherweise selbst ein Opfer ist. Wie weit würde meine Liebe und Geduld für einen Menschen reichen, der meine Liebe nicht erwidert? Würde ich unter allen Umständen an der Seite eines psychisch kranken Kindes, Partners, Freundes oder Familienmitgliedes bleiben, wenn die vielleicht unheilbare Krankheit ein intaktes Familienleben zerstört? Und ganz allgemein: Wie geht unsere Gesellschaft mit Mitmenschen um, die gegen unsere Moral- und Verhaltensstandards verstoßen? Wie viel würden wir opfern, um sie zu integrieren? Und die persönlichste Frage: Was kostet es uns, unseren Idealen, Moralvorstellungen und Träumen treu zu bleiben? Was kostet es uns, die Hoffnung nicht aufzugeben?

Ich freue mich, die vermeintliche Kluft zwischen TechnokraIe und Mythologie, zwischen RaIonalität und Emotionalität auszuloten. Wir sehnen uns nach der einen Wahrheit.

Aber so einfach ist das Leben nicht. Manchmal müssen wir unseren Horizont erweitern, unseren InstInkten folgen und Wagnisse eingehen. Wir müssen darauf vertrauen, dass
das Leben mehr zu bieten hat.