Bildschirmfoto 2022 10 21 um 01.31.45Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Oktober 2022, Teil 4

Uli Decker

München (Weltexpresso) - Als ich aufwuchs, war mir klar, dass einem bestimmte Dinge auf keinen Fall über die Lippen kommen dürfen, weil man sie noch nie jemanden sagen gehört hat. Das Unsagbare wird unfühlbar, undenkbar, unsichtbar, unlebbar – verbannt in die geheimen Winkel, die sich mit niemandem teilen lassen. Dort bleibt jeder einsam, während an der Oberfläche ein anderes Stück aufgeführt wird.

Schweigen und Scham graben sich in jede Körperzelle und prägen uns, auch wenn wir gar nichts von ihrer Ursache wissen. Seit mein Vater starb und ich sein Geheimnis erfuhr, hatte ich einerseits das Gefühl, dass das Leben mir eine Geschichte gegeben hatte, die erzählt werden müsse, andererseits versuchte ich, ihr zu entkommen. Doch sie holte mich immer wieder ein.

Daraus einen Dokumentarfilm zu machen, war für mich lange Zeit schwer vorstellbar, denn ich hatte Panik, meine Familie und mich dadurch bloßzustellen und allzu Privates auszuplaudern. Beim Ringen um die Form half mir die Entscheidung, mit Fantasie und Humor zu spielen und den teils tragischen Inhalt auf formaler Ebene in einen hybriden, queeren, teils barocken, letztlich lebensbejahenden Film zu übersetzen. Wichtig war mir vor allem, die Zuschauer auf eine innere Reise mitzunehmen, die enge Kategorien sprengt und den Blick öffnet für tiefe menschliche Erfahrungen und den weiten Sehnsuchtshorizont.

Bildschirmfoto 2022 10 21 um 01.30.15ULI DECKER – REGIE & DREHBUCH
Geboren und aufgewachsen in Oberbayern. Nach einjährigem Auslandsaufenthalt im Amazonasgebiet Brasiliens Studium der Spanischen, Portugiesischen und Lateinamerikanischen Literatur, Theater- und Filmwissenschaft am King's College London, Humboldt Universität zu Berlin und Universidad Complutense, Madrid. Master in Kreativem Dokumentarfilm an der Universidad Pompeu Fabra, Barcelona. Zahlreiche Theaterarbeiten und konzeptionelle Mitarbeit an Dokumentarfilmprojekten (u.a. „Chuchillo de Palo“, Regie: Renate Costa, 2010, Berlinale Panorama, „Del Vent al Blau“, Regie: Pere Herms, 2011, Televisió de Catalunya). Seit 2009 eigene Kurzfilme, TV-Reportagen, Dokumentarfilme als Regisseurin und Kamerafrau.

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Info:
Stab
Regie: Uli Decker
Buch: Uli Decker, Rita Bakacs

Abdruck aus dem Presseheft