Bildschirmfoto 2022 12 05 um 00.59.51VERSO SUD 28, das Festival des italienischen Films im Deutschen Filminstitut und Filmmuseum Frankfurt (DFF), Teil 3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am Freitag ging es nun endlich los. Das Prozedere ist an beiden Anfangstagen, Freitag und Samstag, gleich. Weil viele die Eröffnungsfilme sehen wollen, zu denen Gäste aus Rom, dieses Jahr Drehbuchschreiber, kommen, werden die Filme zweimal aufgeführt, jeweils um 18.30 und 21.30 Uhr. Dazwischen gibt es einen kleinen Empfang (Foto ganz unten).

Andreas Beilharz (oben) begrüßte die Gäste von Made in Italy aus Rom, (im rechten Foto: rechts Franco Montini) dem italienischen Generalkonsulat aus Frankfurt und dem Italienischen Kulturinstitut aus Köln, die alle ihre Grußworte sprachen; eine besondere Begrüßung erhielt Marco Pettenello (im Foto links), der zusammen mit dem Regisseur Andrea Serge das Drehbuch schrieb, zum IMG 6453Eröffnungsfilm WELCOME VENICE nach Frankfurt gekommen war und nach der Vorführung für ein Gespräch Rede und Antwort stand. Flexibel übersetzt hat wieder Marina Grones (im rechten Foto in der Mitte).

WELCOME VENICE ist eine interessante Mischung aus einer Familiengeschichte und der Lagunenstadt Venedig, hier vor allem den Wassern um sie herum, die in einem diffusen Licht stimmungsvoll wirken, die aber im Herbst oder gar in Winterstürmen eine Düsternis und Kälte verbreiten, die so gar nicht mit den heiteren Gondelbildern von Venedig übereinstimmen. Ein Film, der das echte Venedig zeigt, keine Donna Leon Verfilmung, wie Gast Pettenello am Schluß anmerkte. Zu Recht.

Drei Brüder gibt es, deren Familie ein Fischerhaus auf der Giudecca besitzt, die dritte, die größte der Inseln Venedigs, auf der die meisten der ‚normalen‘ Venezianer wohnen, aber auch die beiden feinsten Hotels an den jeweiligen Enden liegen. Man spürt eine Spannung, als die drei unterwegs zum Fischen sind und der ausgleichende Bruder tot zu Boden fällt. Nun sind sie nur noch zwei, denen das Fischerhaus gehört, das aber alleine Pietro (Paolo Pierobon) bewohnt, das aber Alvise (Andrea Pennacchi) an einen zwielichtigen Immobilienhai verkaufen möchte, die die ganze Stadt Venedig zu einem reinen Touristenort machen möchten – um viel Geld zu verdienen.

Wir sind nun Zeugen, wie Alvise alles und alle, seine Frau, schwangere Tochter etc. in die Waagschale wirft, um Pietro zu überzeugen, daß ein Verkauf auch sein Leben leichter macht, denn wie hart das Leben eines Fischers, hier sind es Krebse, ist, zeigt der Film sehr deutlich. Aber Alvises Überredungsversuche scheitern alle, bis der Film einen Kontrapunkt setzt, der es in sich hat. Wir sind ja vom amerikanischen Kino gewohnt, daß in Filmen die Geschichten in allen Details erzählt werden, linear, wo keine Fragen offen bleiben. Hier aber wird Pietro, den aus dem Boot in die Lagune gestoßenen Bruder Alvise, von dem wir wissen, daß er nicht schwimmen kann, in letzter Sekunde retten. Logisch ginge das so weiter, daß Alvise aus Dankbarkeit auf den Verkauf des Hauses, auf das er übrigens alles gesetzt hat, längst hochverschuldet ist, verzichtet, damit Pietro darin wohnen bleiben kann. Aber psychologisch gibt Pietro nach, zieht auf’s Festland nach Mestre, einen Stadtteil Venedig, und das verkaufte Haus wird zu einem Schmuckstück für den Fremdenverkehr. Doch, als die ersten Touristen, es sind immer Amerikaner, eintreffen, da....diese Bilder kann man nicht beschreiben, das muß man selber sehen.

Bildschirmfoto 2022 12 05 um 00.59.28Es ist immer interessant, mit denen, die Filme machen, über ihre Arbeit an und mit den Filmen zu sprechen. Gerade Drehbuchautoren sind ja die, die fertige Filme besonders streng anschauen, denn es geht nicht nur um’s Drehen, sondern ein Film entsteht eigentlich erst beim Schneiden. Und wenn ein Regisseur Ko-Autor ist, hat der Mitschreiben es auch nicht leicht. So war das Frage-Antwort-Spiel von Franco Montini und Marco Pettenello auf jeden Fall interessant, blieb aber doch stark im Psychologischen und auch bei Äußerlichkeiten. Es war Montini wichtig, daß der Film die Partei des Fischers ergreife, ein Film müsse aber unparteilich sein. Das war für den Drehbuchautor leicht zu widerlegen, denn die Behauptung stimmt einfach nicht. Filme dürfen parteiisch sein, aber daß wir zum Fischer halten, ist erst einmal nicht formal Partei ergreifen, sondern hat mit dessen harten Arbeitsbedingungen zu tun, die im Morgengrauen bei Wind und Wetter beginnen. Bruder Alvise dagegen, macht sich wichtig, führt dauernd Gespräche, um gewinnbringend das Elternhaus zu verkaufen. Arbeiten sehen wir ihn nicht.

Daß es aber im Kern bei diesem Film um die Auseinandersetzung von Kapital und Arbeit geht, die an den beiden Brüdern die menschlichen Beispiele findet hat mir erst danach der Drehbuchautor mit einem Griff an seine Stirn bestätigt. Denn der Fischer arbeitet noch selbst, aber Alvise will und wird das Kapital arbeiten lassen, das er durch den Verkauf des Hauses empfangerwirtschaftet hat. Manchmal sind Filme klüger als die, die sie gemacht haben.

Foto:
Redaktion

Info:
VERSO SUD
28. Festival des italienischen Films | 25.11.-7.12.2022
Das gesamte Programm finden Sie im PDF des Festivalkatalogs und auf der webseite www.dff.film.
Tickets für alle Vorführungen können Sie ab sofort kaufen.