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Kategorie: Film & Fernsehen

Wer bekommt die Bären? Die Wettbewerbsfilme auf der 62. Berlinale vom 9. bis 19. 2. 2012, 25/25

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) –Als fulminanter Abschluß der Berlinale gab es – allerdings außer Konkurrenz – einen in 3 D produzierten Film, für dessen Genre wir keinen Namen haben – ein Kampfkunstfilm, was auf chinesisch Wuxia bedeutet, ein beliebtes Genre ist und bei uns auch Martial Art genannt wird. Wir umschreiben dies lieber als einen sagenhafter Actionfilm, der von den wirklichen historischen Ereignissen ausgehend eine Welt von Menschen mit schier überirdischen Fähigkeiten durch die Lüfte tanzen und kämpfen läßt.

DRAGON GATE  war vor über 20 Jahren der Lieblingsfilm des Hongkonger Regisseurs Tsui Hark, der auch das Buch zu dessen Fortsetzung geschrieben hat, das er nun verfilmte. Die DRAGON-Filme sind Kult in China. Das sind Stücke wie von Shakespeare. Es gibt Liebe, es gibt Verrat, es gibt Männerbünde. Aber anders als beim englischen Dichter siegt wohl immer das Gute. Zumindest ganz am Schluß. Auffällig ist, wie stark die Frauen im Film als Gleichberechtigte und Gleichstarke vertreten sind. Das entspricht, sagen die Vertreter auf dem Podium der Pressekonferenz, der Situation der chinesischen Frau in Literatur, Gesellschaft und Geschichte.

 

Und - einmalig auf der Berlinale - sitzen auch mehr Frauen als Männer da oben. Guey Lun Mei erzählt über ihre Dreherfahrungen als kampfkräftige Frau, die sie im Leben nicht ist. Klassische Romane haben oft weibliche Helden in China, das ist wichtig für den Schreibprozeß des Regisseurs und Drehbuchautors, da die Rollen aus Chinas Geschichte genommen werden. So gab es im 7. Jahrhundert die historische Kaiserin, die die Tang Dynastie zum Erfolg führte, betont Regisseur Hark, das war eine sehr starke Nation. Ohne Frauen im Film wäre es für ihn eine sehr begrenzte Vision von der Welt. Er hat gerne starke Frauenrollen, und sieht das als den schönsten Teil seiner filmischen Arbeit an.

 

Hark schreibt nicht für den Markt und dreht auch nicht vorgegebenen Erfolgen hinterher. „Man muß dem eigenen Herzen folgen“ und dann hoffen, daß es gefällt.  Auch die Produzentin Shi Nansun weist darauf hin: „Wir haben in China sehr starke Frauenrollen im kulturellen Erbe. Die zahlreichen berühmten  Wuxia-Romane habe ich im Bett verschlungen. Die Frauen haben in ihnen  wichtige Funktionen und deshalb haben auch diese Filme starke Frauenrollen.“ Natürlich müsse man beim Filmemachen kommerziell handeln und „wir wollen ein großes Publikum anziehen.“, worauf Tsui Hark ergänzt. „ Manchmal gelingt es, Weltkino zu machen“.

 

Ein weiterer Produzent ergänzt, daß AVATAR in China so erfolgreich war und auch andere amerikanische 3 D oder Xmas Filme, so daß man in China mit eigenen Filmen anschließen wollte. Fast alle Kinos haben schon die Möglichkeit des 3 D. Und dieser FLYING SWORDS OF DRAGON GATE hat auf Anhieb in China alle in die Kinos getrieben, weil es ein ideales Zusammengehen von chinesischen Traditionen der Wuxia-Romane mit der neuesten Filmtechnologie ist.

 

All das, was die Chinesen über ihre Traditionen weitergaben, hat keine Entsprechung in Europa. Von daher kann man unterschiedlich auf einen solchen Film reagieren. Sich entweder tatsächlich mit der Materie gründlich beschäftigen, dann auch den historischen Ablauf des Geschehens fundierter verstehen oder einfach diesen schnellen luftigen Film, wo einem mit 3 D immer einer auf der Nase herumtanzt oder man den Kopf einzieht, weil gerade ein Schwert auf einen zufliegt, als rasantes buntes Einerlei genießen. Oder man sollte es lassen, neue Erfahrungen zu machen.

 

Aber dennoch soll über den Inhalt des Films auch etwas gesagt werden.  Es geht um eine Geschichte aus der Ming-Dynastie im 15. Jahrhundert. Damals terrorisierten korrupte Eunuchen das Land. Das sei keine Erfindung, sondern tatsächlich hatten die Eunuchen die politischen Fäden in der Hand. Aber der fiese Kommandant Yu hat einen freiheitsliebenden Gegenspieler Zhao Huai und dann geht die Hatz los. Jetzt sollte man lieber erzählen, daß die aberwitzigsten Luftnummern uns vor Augen kommen und vor allem der Sandsturm so unglaublich in unsere Gesichter weht, daß man sich schnell wegducken möchte, wir also in gewissem Sinn mit auf die Reise durch die Lüfte genommen werden.

 

Diese neue Technologie ist bestens geeignet, zwei chinesische Volksmythen zu verbinden, wo es um fliegende Schwerter, magische Fähigkeiten und eine romantische Liebesgeschichte geht. Der Erfindungsreichtum der Szene ist herrlich und die originalen Kostüme der damaligen Zeit sind sehr gut für das Schweben durch die Lüfte geeignet, denn beim Landen bauschen sich die langen Kleider wie ein Fallschirm. Bei Männern und bei Frauen.