hwk strater 6296Kabarettist Torsten Sträter in Osthessen

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Im Rahmen des 25. Geburtstags der Kulturinitiative KUKI kam der Schriftsteller, Slam-Poet und Kabarettist Torsten Sträter nach Schlüchtern. In der völlig ausverkauften Stadthalle präsentierte er sein Programm: „Es ist nie zu spät, unpünktlich zu sein“.

Nach einer halben Stunde hat der Mann mit der Mütze immer noch nicht mit seinem Programm begonnen. Ständig schwadroniert er über den Veranstaltungsort, etwa „lieber nüchtern in Schlüchtern / als kackenbreit in Wattenscheid.“ Als „kommerziellen Misserfolg“ empfindet er es, dass vorne ein Sitz frei geblieben ist. Zwischendurch quasselt er über das Ankommen in anderen Orten: In Berlin wollte er abends einen Kaffee in einem angesagten Hipsterlokal. Das ginge nicht, habe die coole Bedienung verkündet, die Maschine sei schon sauber. „Ich habe doch nichts gegen sauberen Kaffee, aber das nützte mir gar nichts.“

Spontane Abschweifungen, groteske Stegreifgeschichten und schräge Ideen im Publikumskontakt sind sein eigentliches Programm. Oft fragt er: „Was liegt Ihnen auf dem Herzen?“. Die Leute sollten ihn ruhig was fragen, denn schließlich könne er sich ja „durchimprovisieren.“

Obwohl es bestimmt einige feste Programmpunkte gibt, ist jeder Auftritt eine einmalige gemeinsame Vergnügungsreise mit dem Publikum. Durch Sträters Situationskomik und seine fast endlosen Improvisationsketten ist es schwierig, seine Gags aus ihrem Kontext herauszulösen: Des Nachts Zebrastreifen auf den Nürburgring malen. Das Bällchenbad bei Ikea auf 10 Meter vertiefen...

Selbst die kleine Rhön-Sprudelflasche auf seinem Tisch inspiriert ihn zum Fabulieren. Das Natrium sei „ausgewogen“ liest er vom Etikett ab, „na ja, besser als ein Kilo Kalk im Wasser.“ Neulich sei er in Gerolstein gewesen, dort könne man das wertvolle Gerolsteiner Wasser sogar aus dem Hahn trinken, nun freue er sich auf seinen baldigen Auftritt in Warstein.

Gelegentlich liest er aus einem seiner Bücher, aber auch die dienen ihm als Anreiz zum Abschweifen. Die Mallorca-Geschichte: Blöderweise habe er sich ein E-Auto geliehen, jedoch seinen Urlaub an der dortigen Tankstelle für Strom verbracht „Denn der Umweg zum Laden hat mehr Elektrizität verbraucht, als an den Urlaubsort zu kommen.“

„Ich sammle Redensarten, schwachsinnige Redensarten“, verkündet er plötzlich: „Die Klassiker kennen wir doch alle, (obwohl wir nicht alle Torsten heißen), etwa dass unsere Mutter (obwohl wir nicht alle die gleiche haben) immer behauptete, das Zimmer räumt sich nicht von alleine auf.“ Mit dreißig habe er gemerkt, doch, das ginge. „Wir sind nicht bei den Hottentotten“, hieß es oft zu Hause, „na, die Hottentotten habe ich beneidet, denn die durften ja alles.“ Dann fabuliert er über Neid, afrikanische Dialekte, Kolonialgeschichte und Intervallfasten, bevor er das Publikum auffordert, ihm in der nun folgenden Pause Fragen aufzuschreiben.

Danach erwartet ihn ein Zettelberg, den er vergnügt und weitschweifig abarbeitet. Nur zur AFD will er nichts Witziges sagen: „Die sind so erbärmlich, ich warte immer noch auf ein gutes Programm von Kollegen.“ Ganz ernsthaft spricht er über den Osten, „das ist ein schöner Landstrich, doch da lässt sich nichts mehr machen, die Leute sitzen im Nichts.“ Als ein Zwischenrufer brüllt, „wie in der Schule“, macht er Schluss: „Ok, dann erzähle ich mal meinen Lieblingswitz.“

Sträters Alltagserlebnisse mit Kaffeemaschinen, Raclette oder Flaschenautomaten werden durch seinen schrägen Blick zum Kabarett. Doch mutig und humorvoll, ohne dabei peinlich zu werden, räsoniert der Entertainer auch über seine Depression, sein Übergewicht oder Prostataprobleme. Das unterscheidet den begeistert gefeierten Komiker deutlich von vielen Possenreißern und macht diesen Abend zu einem ganz Besonderen.

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© Hanswerner Kruse