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Kategorie: Kulturbetrieb
wien kabbowieKABBALAH. Ausstellung im Jüdischen Museum Wien bis 3. März 2019, Teil 2/3

Claudia Schulmerich

Wien (Weltexpresso) – Die KABALLAH muß geheimnisvoll bleiben, das ist ihre Funktion und überblickt man die Jahrhunderte, in denen sie durch besagten Isaac Luria im 16. Jahrhundert wieder virulent wurde, so sieht man sofort die Querverbindungen mit der Renaissance und einem Wiederfinden alter Weisheiten und Muster, insbesondere der Antike. Ob Humanismus, später das Freimaurertum, alles Erklärungsmuster für unser Dasein und Hilfestellungen bei der Bewältigung unseres Lebens.

Daß Künstler diesen Fragen besonders ausgeliefert sind, ist ja Teil des künstlerischen Wesens und auch seines Prozesse. Wer sagt im Künstler, was er zu tun habe, wie ist sein Schöpfungsprozeß einzuordnen? Doch so weit wollen wir uns jetzt nicht hinauswagen, sondern bei den herkömmlichen Interpretationen bleiben, aber betonen, was uns an dieser Ausstellung vielleicht am besten gefällt: daß Künstler der heutigen Zeit Werke geschaffen haben, die in der Ausstellung einen sinnvollen Platz finden, weil sie nicht additiv zu den alten kostbaren Stücken stehen, was vor allem für diese so feinen, geschriebenen oder gedruckten Bücher und Folianten gilt, sondern einen gemeinsamen geistigen Zusammenhang schaffen.

Das gilt beispielsweise gleich im zweiten Raum, wo besagte alte Bücher (Buch der Schöpfung, Zohar, Buch des Glanzes, Thora...) Konkurrenz durch rote Rosen erhalten. Buchstäblich, denn dieses merkwürdige Glasgefäß, eher an Alchemie erinnernd denn Kaballah, wobei wir bei diesem Gedanken gleich ins Rutschen kommen, gehört nicht die Alchemie genau in den Kontext der Kabbalah, nur flüssig..., also, dieses merkwürdige Glasgefäß, eine Mischung aus Destille und Radioröhren, das What‘s in the Rose? heißt, von Ghiora Aharoni aus dem Jahr 2007 stammt und als Form Assemblage genannt wird, hat zu seinen Füßen die sinnliche Wucht von tiefroten Rosenblättern aufeinandergehäuft. Nein, das ist nichts, was sich durch den Anblick erklärt. Da nimmt man besser eine Führung in Anspruch oder liest im Katalog nach. Dort heißt es von dem in New York ansässigen israelischen Künstler : „Seine Kunstwerke sind von der Textbezogenheit des Judentums geprägt, die er als Kind beim Studium mit seinem Großvater erfahren konnte.“(64)


Aber das hilft bei diesem Werk erst einmal nicht weiter. Aber dann „‘What‘s in the Rose?‘...Der Titel ist eine Anspielung auf den Eröffnungssatz des kabbalistischen Hauptwerks, des ZOHAR, wo die Frage: ‚Was ist die Rose?‘ lautet. Die hebräischen Buchstaben am Objekt“ - die wir erst jetzt richtig wahrnehmen - „sind invertiert und nur von innen zu lesen, sie signalisieren dem Betrachter, er solle hinter die Oberfläche schauen. Auch die Rose, allgemein ein Symbol für Schönheit, die im Zohar von Dornen umgeben ist und für Israel steht, wird hier in ihrer Bedeutung ‚nach innen gewandt‘ und so zur Allegorie der menschlichen Existenz – wir besitzen die beiden Energien – die des Gerichts (Dornen) und die der Güte (Rosen) – in uns. Ganz oben auf der Skulptur ist die Vitarka Mudra zu sehen, Buddhas Lehr- und Argumentationsgeste.“ (64f)

Das nun auch noch, aber das ahnten wir schon, daß in der Kabbalah auch die mystisch-religiösen Urgründe aller Gesellschaften und Völker stecken. Aus einfachem Grund. Der Mensch ist sich - unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht und Sprache - eben sehr ähnlich. Auch in seinen Mythen und den Fragen nach seiner Herkunft, seinem Dasein auf Erden und seinem Tod oder einem potentiellen Weiterleben.

wien imkerMan kann die ganze Fülle der Objekte weder aufführen, noch würdigen, denn die MACHT DER BUCHSTABEN wird nicht allein in den ausgestellten, bibliophilen Schriften deutlich. Gewänder, Borten, Einbände von Gebetbüchern, Amulette, Gemälde, Zeichnungen auf Pergament, Medaillons, Aquarelle, Schnupftabakdosen, Filmstills, Plakate, Scherenschnitte, Schmuckstücke, T-Shirts („Kabbalists do it better“), sie alle sind Boten einer Nachricht, die den einen Himmelsreise, den anderen Höllenfahrt verspricht. Da hilft auch nicht der Talisman-Schutzanzug des Michael Berkowitz, der mit Schriftzeichen übersät gleichsam apotropäisch dem Kabbalisten als Waffe gegen das Böse dient, aber durch seine Formähnlichkeit mit einer Imkerrüstung auch unseren Lachnerv reizt.

Und eigentlich ist diese eigenartige Stimmung, in die man gerät, ein Abgehobensein und eine Leichtigkeit ob der Schwere dessen, um was es geht, das Wichtigste in dieser Ausstellung, die uns ein wenig innehalten läßt, ohne einen durch einen Wust an Objekten zu erschlagen. Sinnbildlich gezeigt an einer Skulptur von Dan Reisner am Ende der Ausstellung, die leider mit dem Namen Uplifting keine Erklärung für seinen Gegenstand bietet, dafür aber beim Ansehen keine Erklärung braucht.

Bildschirmfoto 2018 11 14 um 00.31.50Hier am Ende zeigt sich erneut der Riß in der Welt als Riß im Menschen, der eigentlich so leicht zu beheben wäre, wenn das Material weich und leicht wäre, wie Plastilin, wie Knetmasse zum Beispiel. Dann könnte man einfach das Obere und das Untere zusammendrücken und der Riß wäre geheilt. Weil aber dieses Objekt aus Aluminium ist, und der Riß ansonsten nicht etwas Gegenständliches ist, bleibt der Riß ewig und wir Menschen müssen uns andere Verfahren ausdenken, um mit dem Riß zurechtzukommen, ihn zu heilen versuchen oder mit ihm zu leben.

Das wäre ein schönes Schlußwort für diese Ausstellung, aber es muß angesichts des 100jährigen Aufbruchs der Frauen im Wahlrecht u.a. doch noch im dritten Artikel von Lilith berichtet werden, die zu Recht eine sehr große Ecke in der Ausstellung besetzt, ist sie doch diejenige Figur, die ihre Bedeutung erst jüngst wandeln konnte, aus der Hexe und Dämonin Lilith, der ersten Frau von Adam, wurde die selbstbestimmte Lilith zur Symbolfigur des jüdischen Feminismus.


P.S.
Nicht eingehen können wir auf die Anwesenheit so vieler farbigen Radierungen von William Blake in der Ausstellung, was erstaunlicherweise korrespondiert mit dessen gehäuften Abbildungen im ganz frischen Film von Lars von Trier THE HOUSE THAT JACK BUILT, dem übrigens insgesamt mehr Kabbalah gut täte! 

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
Titel: David Bowie (
c) Steve Schapiro _Corbis Premium H...Getty Images
Text:
© Jüdisches Museum Wien, Wulz
© Jüdisches Museum Wien,Ouriel Morgensztern
© Jüdisches Museum Wien, Wulz
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wien katakabbalahInfo:
Diese Ausstellung ist gemeinsam mit dem Joods Historisch Museum Amsterdam entwickelt worden und wird in beiden Museen gezeigt.


Im Kerber Verlag ist der Katalog KABBALAH, hrsg. von Domagoj Akrap, Klaus Davidowicz & Mirjam Knotter, erschienen, der für die Ausstellungsbesucher viele Eindrücke in der Ausstellung klären und dem Wissen um die Dinge ein Fundament geben kann. Dieser Katalog geht allerdings über ein Buch zur Ausstellung weit hinaus, weil es auch ohne die Ausstellung eine hilfreiche Erklärung und Weiterführung dessen, was KABBALAH sein kann, bedeutet.


Bildschirmfoto 2018 11 13 um 20.12.11Außerdem wird es eine Kabbalah-Filmreihe geben. Sieben Filme vertiefen das Thema im Metro Kino. Beginn jeweils Montags um 18 Uhr mit Vortrag, dann um 19 Uhr der Film:

am 26. Nov.: PI USA 1998 (35mm OV)
am 03. Dez.: FOUNTAIN USA 2006 (35mm OV)
am 10. Dez.: POSSESSION USA 2012 (DCP OV)
am 17. Dez.: HA-SODOT Israel 2007 (blu ray, hebrew english sub)
am 07. Jän.: DIBBUK Polen 2015 (DCP polnisch dt UT)
am 14. Jän.: REVOLVER UK 2005 (DCP OV)
am 21. Jän.: MIRACLE IN CRACOW Ungarn 2004 (35mm ungarisch/polnisch engl UT)