Bildschirmfoto 2020 01 19 um 16.39.32Zum Schluß: MEISTERSTÜCKE. VOM HANDWERK DER MALER, leider Ende der Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sie können das wörtlich nehmen. Denn noch heute sprechen wir von MEISTERSTÜCKEN, meinen damit aber eher, daß die Qualität eines Kunstwerks oder eines Gebrauchsgegenstandes so hervorragend ist, daß es den Meister des Fachs verrät. Seine etymologische Herkunft hat das MEISTERSTÜCK allerdings aus dem profanen Abschluß der Meisterlehre, wo man nämlich ein Abschlußwerk vorzeigen mußte, meist bis ins Kleinste vorgeschrieben, aber auch immer wieder frei assoziiert: das MEISTERSTÜCK. Erst dann, wenn das Werk gelungen war, ein Meisterstück wurde,  wurde man zum Meister gekürt.

k meisterwerk2Interessant übrigens, daß sich gerade in diesen Tagen der Begriff des MEISTERS wieder in den politischen Debatten findet. Im Modernisierungswahn wurde nämlich für viele Berufe der Meister abgeschafft, damit auch die Meisterlehre und das Meisterstück. Das ist dem Handwerk nicht gut bekommen, so daß wir heute für nicht wenige Berufe die Wiedereinführung der Meisterlehre und damit der Meisterstücke verfolgen können. Wenn der Untertitel der am Sonntag, 19. Januar zu Ende gehenden Ausstellung lautet: VOM HANDWERK DER MALER, ist der Kontext hergestellt, den Heutige höchstens noch in der zwiefachen Bedeutung des Malers wiederfinden. DER MALER heißt heute derjenige, der Räume ausmalt oder Häuser bemalt, also ein herkömmlicher Malermeister, Malerlehrling oder Malergeselle ist; DER MALER heißt aber auch derjenige, der als Künstler Leinwände, Holzstücke, heute auch Häuserfronten bemalt und in Kunstakademien seine Kunstausbildung erfährt. Wir erleben selten Nachfragen, wer gemeint ist, weil im Kontext klar wird, welchen Maler wir jeweils meinen. Aber eben nicht immer.

Und natürlich hat sich der Beruf des Malers aus derselben Tätigkeit, des Malens mit dem Pinsel entwickelt, dann nach und nach von einander entfernt und differenziert. Wir sprechen hier schon von der Zeit, als Maler in ihren Zünften vereinigt waren, die gesellschaftlich ihre Anliegen vertraten. Herrjeh, das waren genau festgelegte Präliminarien, die zu eisernen Regeln wurden und die Ausbildung, die mit dem Meisterstück ihr Ende fand, reglementierten. Aber wir wollen nicht von der Welt, nicht von Europa, nicht von Deutschland, sondern von Frankfurt sprechen. Denn das Wunderbare dieser Ausstellung, die zu Ende geht, was wir betonen, damit Sie sie noch rasch anschauen können, das Wunderbare ist, daß sie eine konkrete stadtgeschichtliche Ausstellung ist und doch gleichzeitig durch die Qualität dieser Meisterstücke, die fast alle im Depot des Historischen Museums ruhten und wieder ruhen werden, eine echte Kunstausstellung ist. Eine Kunstausstellung, nach der sich auch das Städel die Finger lecken könnte. Nur muß sich das herumsprechen, denn man erwartet erst einmal nicht, in einem Historischen Museum derartige hervorragende Malerei, auch Zeichnungen, Drucke etc. zu sehen.

k meisterstucke 1In Frankfurt also gab es die MALERGESELLSCHAFT, die als Zunft funktionierte und strenge Auflagen hatte. Zur Ausbildung als Maler auch, aber erst recht, wenn man Malermeister werden wollte. Man mußte nicht nur ehelich geboren sein -oh Schreck, wenn das heute noch für berufliche Tüchtigkeit eine Voraussetzung wäre -, man mußte auch ein Mann sein, bzw, ein Junge oder junger Mann, der zudem das sein mußte,  was man 'unbescholten' nannte, was heute einem polizeilichen Führungszeugnis entspricht. Doch das war nicht alles, denn man mußte auch verheiratet sein, schließlich mußte man als Meister den Lehrlingen und Gesellen so etwas wie eine Großfamilie bieten, wozu einfach eine Frau gehört, die kocht und backt und putzt, aber auch den jungen Leuten emotional Halt bietet. Oder auch die Witwenhand. Doch da sind wir der Zeit voraus, denn noch geht es ja um die Meisterlehre, zu der als Abschluß das besagte Meisterstück erwartet wurde, als krönender Abschluß dessen, was gelernt worden war. Haben wir was vergessen? Ja, die Religionen. In Frankfurt war man protestantisch und Juden durften keine Mitglieder werden. Aber da es gottseidank jüdische Maler gibt, immer wieder sollte man über Moritz Daniel Oppenheim, den Genialen aus dem 19. Jahrhundert und aus Hanau stammend, nennen, mußten die andere Ausbildungswege einschlagen. HALT. Das gilt für Frankfurt und die Frankfurter Malergesellschaft. Anderenortes sah es wohl anders aus, denn besagter Oppenheim konnte, obwohl er sogar im Hanauer Getto bis zum 6. Lebensjahr streng religiös erzogen worden war -dann kam es durch Napoleons Siege zur Auflösung der Ghettos, an der Hanauer Kurfürstlichen Zeichenakademie studieren und war später noch im Städel. Wieder einer der Punkte, die man noch einmal klären muß, wo der Zugang für jüdische Deutsche 'normal', also erlaubt war und wo nicht. Aber was die Malergesellschaft und die Akademien angeht, ist das geklärt. Denn die künstlerischen Maler setzten sich durch und es galt in Frankfurt schon 1776 die Zunftfreiheit, damit war die Malergesellschaft bedeutungslos geworden, trotzdem kam es erst 1779 zu einer speziellen Zeichenakademie. 

k meisterwerkDas Dazwischen ist das Interessante. Man weiß aus der Renaissance, wie sehr Malerschulen um einzelne Maler herum entstanden, so daß die Händescheidung bei Raffael so schwierig ist wie bei Rembrandt und noch schwieriger bei Cranach. In Frankfurt gab es nun die Kunstkadademie, die aber erst richtig Fahrt aufnahm, als die Städelschule als ein Obligat der Städelschen Stiftung gegründet wurde und jedem, der begabt war und die Aufnahmeprüfung schaffte, den Zugang möglich machte. Auch den Frauen, auch den Juden, womit die obige Frage geklärt ist. 

Wichtig aber ist, festzuhalten, daß die MALERGESELLSCHAFT, so lange sie bestand,  nicht im freien Raum agierte, sondern daß sozusagen der Rat der Stadt Frankfurt ihr oberster Dienstherr war. Und bei diesem waren die MEISTERSTÜCKE dann abzuliefern. Über die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte waren dann ganze Sammlungen zusammengekommen, die in anderen Städten verkauft wurden, im traditionsbewußten Frankfurt jedoch bei der Stadt verblieben. Von den rund 100 in Frankfurt geschaffenen MEISTERSTÜCKEN sind heute noch 48 existent, die, wie gesagt, in den Depots ruhen, nun aber an den Wänden hingen. Tolle Stücke darunter. Und ein Teil von ihnen war ja an den Wänden des Römers auch aufgehängt, insbesondere in der Wahlstube im Römer waren die Wände für diejenigen Prunkstücke ideal, die was hermachten und auch Geschichte und Religion auf die richtige Art zeigten, wie "Die Salbung Davids durch Samuel", vom Meisterlehrling Hendrik van der Borcht dem s gefertigt, was ihn zum Meister machte. 

Man kann so vieles bestaunen in dieser Ausstellung, was morgen schon wieder verborgen sein wird. Aber zu den Kaiserbildern im Kaisersaal sollte man noch etwas sagen, denn sie bleiben ja in der Öffentlichkeit und sind für die Touristen, die nicht mehr die Wahlkapelle, aber den Kaisersaal sehen können, staunenswert. Zu Zeiten als "Corporate Identity" noch kein Begriff war, haben die Direktoren der Städelschule, der Nazarener Philipp Veit ist hier besonders zu nennen, das heutige Selbstbild der Stadt schaffen lassen: die vollständigen Kaiserbilder im Kaisersaal. Das war Auftragsarbeit, aber Meisterstücke sind sie auch geworden. Und anders als die Ausstellungstücke dieser wunderbaren Ausstellung bleiben die Kaiserbilder des 19. Jahrhunderts weiterhin sichtbar. 

Fotos:
©hmf

Info:
Die Ausstellung schließt am Sonntagabend, 19.1.

Für die Füh­rung ist eine An­mel­dung beim Be­su­cher­ser­vice des HMF er­for­der­lich:
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Tel. +49 69 212-35154
E-Mail: be­su­cher­ser­vice@​his​tori​sche​s-​museum-​frankfurt.​de


c wahlstubeEs bleibt das Buch:
Für das Historische Museum Frankfurt herausgegeben von Wolfgang P. Cilleßen, Aude-Line Schamschula, Band 6, 116 Seiten, Verlag Henrich Editionen, 18 €

"Die Wahlstube im Frankfurter Römer" war im Rahmen der Sonderausstellung "Meisterstücke - Vom Handwerk der Maler"  bis zum 19. Januar 2020 im Museum  zu sehen. Jetzt nur noch als Buch. Aber immerhin als Buch!






c meisterstuckeEs bleibt der vorbildliche Katalog:
Meisterstücke. Vom Handwerk der Maler,
hrsg. von Wolfgang P. Cilleßen und Andreas Tacke,
Historisches Museum Frankfurt, Societäts Verlag 2019



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