Bildschirmfoto 2021 12 06 um 01.27.56Im Biographischen Kabinett der Dauerausstellung FRANKFURT EINST? im Historischen Museum Frankfurt (HMF), Teil 2/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Einrichtung des sechsten Biographischen Kabinetts paßt gut zum Winterschwerpunkt des Historischen Museums, wo es – endlich! - sehr ausführlich um FRANKFURT und DEN NATIONALSOZIALISMUS geht. Theodor Wonja Michael wurde als Sohn eines kamerunischen Vaters und einer preußisch-deutschen Mutter am 15. Januar 1925 in Berlin geboren. Und er nahm schon als Kind an den erwähnten Völkerschauen teil, weil sein Vater mitsamt seinen Kindern dort auftrat, weil das Interesse an außereuropäischem Leben groß war, mit dem Hintergrund diese nicht nur als exotisch, sondern gleichzeitig primitiv darzustellen. In Schauen und in Filmen.

Die Situation wurde zunehmend schwieriger. Sein Vater Theophilius Wonja Michael war 1884 aus dem KAMERUN gekommen, damals deutsche Kolonie, und hatte Martha geheiratet, mit der er vier Kinder hatte. Das jüngste war Theodor. Als die Nazis alle gefährdeten, gingen seine Geschwister nach dem frühen Tod der Mutter nach Frankreich, Theodor Wonja aber blieb bei einer Pflegefamilie in Berlin, mit all den Benachteiligungen, die seit dem Entzug der Staatsbürgerschaft einem Staatenlosen mit dem „Fremdenpass“oktroyiert wurden. Wie stellt man nun eine solches Leben in einer Kabinettsausstellung dar? Meiner Meinung nach ist das sehr anschaulich mit den Mitteln, die vorhanden sind, gelungen: Fotos, Dokumente, Zeichnungen, Briefe, Gegenstände.

Bildschirmfoto 2021 12 06 um 01.27.45Fangen Sie am besten, wie es die Ausstellung vorgibt, mit den biographischen Darstellungen und Bildern an. Dann wird Sie erst einmal das gutbürgerliche Ambiente überraschen, wenn die Eltern im Stil der Zeit in Pelz und Hut im Foto porträtiert sind. Auch die Auftritte in den Völkerschauen und Filmen sind dokumentiert: ‚Münchhausen‘ und ‚Carl Peters‘. Theodor durfte keine Aufmerksamkeit erregen, blieb unter dem Radar der Nazis. Nach der Kapitulation 1945 ging er mit 20 Jahren nach Frankfurt am Main, wo er als angeblicher Afro-Amerikaner im Displaced Persons Camp in Niederrad unterkam. Er lernte die Krankenschwester Elfriede Frank (rechts im Bild mit Ehemann) kennen, sie heirateten, bekamen Kinder. Nach der Auflösung des Camps wurden sie in die Wetterau, ins 40 km entfernte Butzbach verlegt/umgesiedelt.

Wie man den Fotos entnehmen kann, war nun sein Aussehen ein idealer Hintergrund für Filmrollen von schwarzen US-Amerikanern. Rollen für schwarze Deutsche gab es einfach nicht, denn Schwarze waren in der nachfaschistischen Bundesrepublik als Mitbürger nicht vorgesehen. Aber die Theaterbühne stand ihm offen, er spielte am Gießener Theater und übernahm im Schauspiel Frankfurt etliche Rollen in modernen Stücken, denn der Nachholbedarf der Deutschen nach französischen, englischen, amerikanischen Dramen war groß. In der Ausstellung kann man in Theaterkritiken über seine Darstellung und ihre Bewertung nachlesen, denn er hatte sie gesammelt, was in einer Medienstation dokumentiert ist. Dies gehört alles zu den ersten beiden Bereichen: Kindheit und Krieg sowie Neustart in Hessen.

Die weiteren zwei Stationen heißen: Bildung, Berufswege und Engagement sowie Schwarzes deutsches Erinnern.

Aber dann änderte sich sein Berufsweg, sein gesellschaftlicher Status gehörig; er konnte mit Stipendium studieren und arbeitete nach dem Abschluß als Journalist und Chefredakteur des Afrika Bulletin, einer Zeitschrift mit dem Schwerpunkt afrikanischer Wirtschaft und Politik. Deshalb zog er mit der inzwischen fünfköpfigen Familie nach Köln, nahe am Zentrum bundesrepublikanischer Politik in Bonn. Das waren die Zeiten der Befreiungsbewegungen und der Dekolonisierung afrikanischer Länder sowie des Algerienkrieges. Mit seinen journalistischen Expertisen hatte sich Michael die notwendigen Meriten verdient, um für den Bundesnachrichtendienst interessant zu werden, der als Organisation Gehlen von dem Ex-Nazi mit Hilfe der Amerikaner aufgebaut wurde und unter seiner Leitung nach zehn Jahren zum Bundesnachrichtendienstes wurde. So wurde Michael ab 1971 dessen Afrika-Experte, was er 16 Jahre lang blieb, wofür er das Bundesverdienstkreuzes erhielt.

Seit den 80er Jahren hatten sich in Selbstorganisation schwarze Deutsche zusammengetan, Michael trat der Initiative Schwarzer Deutscher (später Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland) bei, schrieb seine Biographie „Deutsch sein und schwarz dazu: Erinnerungen eines Afro-Deutschen“(dtv, 2013)

Eigentlich sind es die schwarzen Frauen, die historische Aufklärung und Vernetzung vollbringen, um ihre Geschichte und die der Deutschen auch den Deutschen selbst nahezubringen, was in verschiedenen Video-Interviews in der Ausstellung zu hören und zu sehen ist.

Ismahan Wayah hat die Ausstellung kuratiert und wird persönlich an zwei Terminen durchs biographische Kabinett führen:
Am 26. Januar 2022 und am 23 März 2022, jeweils 19 Uhr.

Kommentar:
Das ist wirklich eine kleine, aber notwendige Ausstellung, die für die Mehrheitsgesellschaft das Leben und Wirken eines Deutschen zeigt, den viele Deutschen nicht als Deutschen haben wollten und einige Deutschen ihm das gerne auch heute verweigern möchten.

Nur eines verwundert, wo es doch um eine Ausstellung im Kontext Frankfurt und NS geht. Und das ist der rein lokalgeschichtliche Hinweis auf ein Stadtviertel, das in Frankfurt noch in der Nachkriegszeit im Frankfurter Sprachgebrauch KAMERUN hieß, woher ja der Vater des Theodor Michael stammte. Heute wird dies Stadtviertel ordentlich Gallus genannt und befindet sich gerade in der Gentrifizierung.

Mit dem Sprachgebrauch KAMERUN war nicht ausgedrückt, daß dort schwarze Mitfrankfurter leben, sondern eher, daß dort Arme, Arbeiter, Alte und Bedürftige lebten. Nicht nur, aber doch als Rückzugsort. Sieht man nämlich heute die Häuserstrukturen an, sind es durchaus Kleinbürgerwohnungen in mehrgeschossigen Wohnhäusern, also keine Slums, mitnichten, das gab und gibt es in Frankfurt nicht. Warum ich darauf zu sprechen komme, hat auch damit zu tun, daß mit dem Ausspruch KAMERUN keine total diffamierende Bewertung ausgesprochen wurde. So wenigstens habe ich als Kind das KAMERUN in Frankfurt begriffen, es vermittelte auch den Zusammenhalt der dort Wohnenden, hatte auch eine durchaus warme Konnotation.  

Fotos:
©hmf.de

Info:
Historisches Museum Frankfurt
www.historisches-museums-frankfurt.de