Rosas 1Anne Teresa de Keersmaeker in der Neuen Nationalgalerie

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - „Alles kann Tanz sein“, meinte einst die Pionierin des deutschen Tanztheaters Pina Bausch und realisierte diese Idee mit ihrem Ensemble in zahlreichen eigenwilligen Stücken. Doch das, was die Belgische Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker in den letzten Tagen in der Neuen Nationalgalerie lustlos vorführen ließ, lässt sich auch mit viel Wohlwollen nicht als zeitgenössischer Tanz interpretieren.

Angekündigt waren die Darbietungen in der riesigen, im letzten Jahr wieder eröffneten Halle der Neuen Nationalgalerie, als mehrtägige Konfrontation „der architektonischen Strenge des Gebäudes mit einem eher fragilen, tanzenden und ‚atmenden‘ Körper.“ Es sollte eine „starke Stimme des Tanzes in diesem so übermächtig und starr erscheinenden Bau“ geschaffen werden.

Gut einhundert Leute hatten sich am 24. März zur Premiere, in der von der Abendsonne lichtdurchfluteten Halle versammelt. Zwei junge Männer und ein Hund markierten mit Kreide die vermeintliche Bühne, über die dann die Choreografin schlappte, um ihre Jacke am Notausgang aufzuhängen. Sodann vollführte sie einige warming ups, bildete mit ihren Fingern einen Sucher um den Raum zu betrachten und probierte allerlei Tanzfiguren. Warum sie das mit durchsichtiger Bluse betrieb, bevor sie ihre Jacke holte und wieder verschwand, erschloss sich dem Rezensenten nicht. Dann entlockte die Flötistin Chryssi Dimitriou ihrem Instrument mal schrille aufwühlende, mal gehauchte sanfte Töne, zu dem irgendwo im dunkel werdenden Saal Cassiel Gaube, ein junger Tänzer, herumsprang oder hin- und herhüpfte. Seine quietschenden Turnschuhe paraphrasierten die großartigen Flötenklänge.

Während ihr Kollege untertauchte erschien nun auf der Bühne die Tänzerin Soa Ratsifandrihana, die aus dem Stand heraus langsame, nur angedeutete Bewegungen vollführte. Es wurde dunkler in der Halle, sie bewegte sich wilder und wilder, nahm Kontakt mit der Flötistin auf, umgarnte sie lockend und löste sich wieder. Nach einem kurzen, etwas drögen Pas de Deux mit de Keersmaeker, verschwanden beide. Tänzer Gaube kam zurück und verlegte seine bemühten Bewegungen nun nach draußen, der Hund ging ebenfalls mit und schnappte spielerisch nach ihm. Das konnte man noch halbwegs in der Abenddämmerung durch die riesigen Scheiben des Gebäudes erkennen, während im Saal Bob Dylans „Blowin in the wind“ mächtig laut abgespielt wurde.

Das Berliner Publikum bejubelte dieses müde Spektakel, während sich der Verfasser dieser Zeilen melancholisch an die einst fantastischen Arbeiten der Choreografin de Keersmaeker im Frankfurter Mousonturm oder auf dem Theaterfestival in Avignon erinnerte. Insgesamt wirkte dieser Auftritt der legendären Tanztruppe „Rosas“, von der offensichtlich nur zwei Personen und, nun ja, auch der Hund, auftreten durften, wie eine erste müde Probe. Der Anspruch, sich irgendwie mit dem Gebäude, einem Monument der Moderne, zu messen war nicht zu erkennen - alleine konnte das die virtuose Flötistin auch nicht leisten. Diese Performance war eigentlich eine Unverschämtheit gegenüber diesem geschichtsträchtigen Gebäude und - natürlich - dem Publikum.

Der Autor besuchte noch einmal eine der weiteren Aufführungen, zwei Tage später am Samstagvormittag. Offenbar konnte bis dahin niemand die Truppe motivieren, den lustlosen Probemodus aufzugeben und sich auf ihre selbst gestellte Aufgabe einzulassen. Alles wurde noch trister zelebriert, der Tänzer verweigerte lange Zeit, zu den Tönen der Neuen Musik, eingefroren seine Teilnahme und die Tänzerin war nicht mehr dabei.

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Hanswerner Kruse