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Kategorie: Kulturbetrieb
mielke1IONESCO am Berliner Schlosspark Theater, Teil 1/2

Wolfgang.Mielke

Berlin (Weltexpresso) - Eugène Ionesco (1909 – 1994) stammte aus einem kleinen Ort, nördlich der Donau, in der Walachei, Rumänien. Sein Vater war ein rumänischer Jurist; seine Mutter Französin. 1913 ging die Familie nach Paris, weil der Vater dort promovieren wollte. Als im Sommer 1916 Rumänien in den 1. Weltkrieg auf Seiten der Entente eintrat, kehrte der Vater nach Rumänien zurück, während Ionesco zusammen mit seiner Schwester bei seiner Mutter in Paris blieb.

Bis 1924. Anschließend, 1925, kam die Familie in Rumänien wieder zusammen. Allerdings wollte sich Ionesco von seinem Vater, - er war nun eine Jugendlicher von 16 Jahren -, der ihn zu einem Ingenieur machen wollte, nichts mehr sagen lassen - und entschied sich für die Seite seiner Mutter, zu der er zog, und studierte Französisch.

1938 erhielt er ein Promotionsstipendium des Bukarester Institut Francais – und gelangte so nach Paris. Daher auch die französische Schreibweise seines Namens. (Geboren worden war er als Eugen Ionescu.) Von Paris aus belieferte er rumänische Zeitungen mit kleinen Artikeln. - Nach der Niederlage Frankreichs 1940 gegen das Deutsche Reich, ging er mit seiner Frau zurück in das nun relativ ruhige, im Schatten der geschichtlichen Begebnisse liegende Rumänien. - Nachdem Rumänien auf Seite des Deutschen Reichs im Sommer 1941 den Russland-Feldzug begleitete, wurde Ionesco zwar ebenfalls gemustert, aber nicht als Soldat eingezogen. Gleichwohl war die Lage jetzt nicht mehr sicher und ruhig. Daher zogen Ionesco und seine Frau zurück nach Frankreich; das Datum ist gefächert zwischen 1942 und 1943; zunächst nach Marseille, dann nach Paris, wo 1944 auch ihre Tochter geboren wurde. - Ionesco verdiente seinen bescheidenen Lebensunterhalt als Druckfahnen-Korrektor eines juristischen Verlages, eine Tätigkeit, die er bis 1955 fortführte.

Zu der Zeit hatte er aber, seit 1950, schon mehrere Theaterstücke zur Aufführung bringen können: 1950 "La Cantitrice Chauve" ("Die Kahle Sängerin"); 1951 "La Lecon" ("Die Unterrichtsstunde"); 1951-52 "Les Chaises" ("Die Stühle"). -- Schon "La Cantitrice Chauve", das Ionesco aus den Floskeln und Regeln eines Sprachlehrbuchs montiert haben soll, löste, obwohl er es als 'Anti-Stück' bezeichnete, einen Skandal aus, wurde aber gerade zum Markenzeichen einer neuen Stilrichtung: der des Absurden Theaters, das mit grotesken Situationen, deformierten Figuren, sinnlosen Sprachklischees aufwartet, um die Situation des Menschen nach der Atombombe und durch die Atom-Bedrohung deutlich zu machen: Angst, Ratlosigkeit, Entfremdung.

Sein bekanntestes Stück, "Les Rhinocéros" ("Die Nashörner") entsteht 1959; die UA findet am 31.10.1959 in Düsseldorf unter Karlheinz Stroux (1908 – 1985), der als einer der großen Ionesco-Regisseure gilt, statt.

"Le Roi Se Meurt" / "Der König Stirbt" entsteht 1961 – 1962. Ionesco hat es als einen verschlüsselten Abgesang auf Frankreich Niedergang als einst stolze Kolonialmacht beabsichtigt. Aber, wie immer bei Ionesco, ebenso wie bei allen bedeutenderen Werken der Kunst, besitzt auch dieses Stück eine Allgemeingültigkeit, die es von dem zeitlichen Zusammenhang loslöst.

Dieter Hallervorden (*1935) weist darauf hin, was Ionesco selbst über das Absurde Theater sagt #„Es ist schwer zu sagen, was absurd ist, da wir keine Vorstellung dessen haben, was nicht absurd ist.“# - Das erinnert an den Journalisten Gabor Steingart (*1962), der in einem seiner jüngsten Podcasts sagt: #"Wer sich an das Absurde gewöhnt hat, der findet sich in unserer Zeit gut zurecht."# - Demnach ist die Wahl dieses 60 Jahre alten Stückes keine Weltflucht oder Flucht aus der Gegenwart, sondern genau das Gegenteil.

Mein erster Eindruck war allerdings: Verwunderung, Betroffenheit, Schrecken - als ich das Plakat-Motiv sah! Denn es schien auf eine pralle Klamotte hinauszulaufen! - Nachdem ich die Inszenierung im Schlosspark Theater gesehen hatte, - und schon während der Aufführung -, dachte ich allerdings: #"Das ist sein 'Lear'!"# - und mit #"sein"# war Dieter Hallervorden gemeint. - Das kann man auch bereits aus Dieter Hallervordens eigenen Worten über dieses Stück herauslesen, wenn er sagt: #„Mich fasziniert beim absurden Theater Ionescos, dass viele widersinnig erscheinende Passagen so viel ganz offensichtlich Wahres enthalten. – Ein Beispiel: Maria sagt um Trost bemüht zum König: ‚Solange der Tod nicht da ist, bist Du da. Wenn er dann da ist, bist du nicht mehr da. Du begegnest ihm also nicht!’ Vor solch skurriler Absurdität verneige ich mich, so tief es mein alter Rücken noch zulässt.“# - Die letzte Bemerkung ist nicht frei von Koketterie – wenn man beobachtet, wie geschmeidig Hallervorden zweimal während der Vorstellung eine steile, etwa drei Meter hohe Leiter erklimmt, um von dort durch ein angedeutetes Turmfenster in die Ferne, in diesem Fall ins Publikum zu blicken.

Aber auch das Programmheft verschweigt es nicht: In diesem Jahr wird Dieter Hallervorden 87 Jahre alt. Er ist alles andere als ein Greis! Und sogar noch mehr: Vor wenigen Tagen war der Presse zu entnehmen, dass er sich gerade verlobt hat und also ziemlich sicher in absehbarer Zeit neu heiraten wird.

Insofern ist "Der König stirbt" auch wiederum #nicht# Hallervordens "König Lear", denn Lear wird, verblendet, aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen. Hallervorden macht jedoch keineswegs den Eindruck, sein Reich verschenken zu wollen. Es ist also für ihn mehr ein Stück des Nachdenkens über das Leben und nicht zuletzt das Sterben.

Fortsetzung folgt

Foto:
Dagmar Biener, Dieter Hallervorden, Annika Martens
©Berliner Schlossparktheater, Urbschat

Info:
Stab:
Regie - Philip Tiedemann
Bühne, Kostüm - Alexander Martynow
Musik - Henrik Kairies
Regie-Assistenz - Anne Kraft

Besetzung
Der König - Dieter Hallervorden
Margarete, erste Königin - Dagmar Biener
Maria, zweite Königin - Annika Martens
Julchen, Haushälterin - Christiane Zander
Der Arzt - Mario Ramos
Der Wächter - Georgios Tsivanoglou