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Kategorie: Kulturbetrieb

Hippocamp c los angeles county museumRaub, Mord und Totschlag gaben auch bei der Enteignung von jüdischen Mäzenen und Förderinnen des Gemeinwesens den Hintergrund ab

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Sammlung von Maximilian Goldschmidt-Rothschilds war – und ist – Anfang des 20. Jhts. eine aus mehr als 1500 Objekten bestehende Privatsammlung gewesen und war eine der bedeutendsten und reichhaltigsten. Das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst widmet sich als erste Einrichtung diesem Gegenstand.



Schlechter Stil vor und nach dem Krieg


Die Rückgabe nach dem Nationalsozialismus ist beileibe kein Glanzstück des Umgangs mit einem Spender zum Wohl der Allgemeinheit gewesen. Damit wurde die Zurücksetzung und Deklassierung eines Bürgers mit jüdischen Wurzeln auch in den Jahren nach dem 2.Weltkrieg und Holocaust bekräftigt.

Eine unrühmliche Rolle spielte der sowohl vor als auch nach dem Nationalsozialismus das Frankfurter Oberbürgermeisteramt bekleidende Friedrich Krebs. Er blieb stets in Abwehrstellung gegenüber den rechtmäßigen Wiedergutmachungs-Forderungen der deutsch-jüdischen Stadtgesellschaft. Selbst nachdem von 30 000 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bloß noch 300 am Leben geblieben waren, die übrigen aber als Gemordete in die Geschichte eingingen.

Die besagte Privatsammlung war eine der prächtigsten. Sie hatte einen derart unfasslichen Wert, dass auch durch diese Kollektion bedingt Maximilian von Goldschmidt-Rothschild mit seinem geschätzten Vermögen von 163 Millionen Goldmark gar als reicher als der deutsche Kaiser galt. Gegen die zunehmende Diskriminierung des jüdischen Teils der deutschen Bevölkerung gewendet verließ Goldschmidt-Rothschild 1935 den Kunstgewerbeverein. 


Nationalsozialisten zwangen den Spender Grundstück, Palais und Sammlung unter Wert an die Stadt Frankfurt zu verkaufen

Besser gesagt, zu verramschen. Der OB Krebs bot Goldschmidt-Rothschild zwei Millionen und 25 Tausend Reichsmark für sein Frankfurter Vermögen, also Palais und Sammlung. Dafür wurde ihm großzügigerweise lebenslanges Wohnrecht zugestanden. Typisch Nationalsozialist. Der Nazi unterstellt bis zum heutigen Tag Nicht-Nazis gierig zu sein, meint aber ein Anrecht auf Raubzug per Beschlagnahme zu haben, der nur notdürftig verhüllt ist. Im Dienst einer imaginierten überhöhten Volksgemeinschaft, die nur Vorwand und Wahnidee ist. Niederträchtiger Weise wurde im Nationalsozialismus die Enteignung und Verschiebung des Sammlungsguts unter dem Vorwand vorgenommen, man habe die Kunstsammlung ja nur vor ihrer Zerstörung durch Barbaren schützen wollen. Nach dem Untergang des Nationalsozialismus wurde diese Camouflage weiter betrieben.

Friedrich Krebs, Oberbürgermeister, wusste zu vormaliger Zeit zu vermelden: „Die erworbenen Kunstgegenstände, für die wir 2,5 Mill. Reichsmark ausgegeben haben, sind heute schon gut das Zehnfache wert. Wir haben, ohne ein Selbstlob auszusprechen, eine vorsichtige und trotzdem weitsichtige Politik betrieben.

Der Sammler war ein Freund des Menschen, der NS das Ende von Kultur

Die zeitliche Abarbeitung der Problematiken um den niederträchtigen Raub an einem freigebigen Gönner liegen noch vor den beteiligten Instituten und Institutionen. Rückgabe und Wiedergutmachung sind noch unvollständig. Objekte sind überall noch zu identifizieren. Die Exponate sind teils nur als Fragmente der einstigen Sammlung zu begreifen. Es gibt noch hunderte nicht restituierte Stücke. Die gesamte Wiederherstellung der einstigen Sammlung ist nahezu unmöglich. Es werden sich noch hunderte „restliche“ Stücke der einstigen Sammlung finden. Manche gingen in die Offizierswohnungen der Amerikaner, die die Stadt besetzt hatten. Überall konnten im Rhein-Main-Gebiet eine Zeit lang Wohnungen für die Besatzungs-und Befreiungsmacht requiriert werden.

Der Sammler Goldschmidt-Rothschild - und nicht nur dieser - war darauf bedacht nur die wertvollsten und hochwertigsten Stücke in seinen Bestand aufzunehmen. Goldschmidt-Rothschild war aber nicht nur Sammler. Er war auch Mäzen. Als solcher unterstützte er ein Siechenhaus, ein Hospital und eines für Kinder.

Des Weiteren hatten die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger diebischerseits eine Vermögensabgabe abzuliefern. Diese wurde vom Marktwert der Stücke bestimmt. Daher konnte das wertvolle Konvolut an Kunstgegenständen im Preis bewusst niedrig gehalten werden. Die Stadt Frankfurt hat ihrem Bürger und seiner Familie dadurch übel mitgespielt. Denn die Übereignung ging von einem unumgänglichen städtischen Zwang zum Verkauf aus.

Wie folgt wurde verschoben: Sein Palais und der kunsthandwerkliche Teil der Sammlung wurden zum Museum für Kunsthandwerk II. erklärt. Die Gemälde der Sammlung erhielt das Städel-Museum. Die Skulpturensammlung übernahm das Liebighaus. Die Ankündigung vermerkt: Dieser Ankauf durch die Stadt Frankfurt war der wohl spektakulärste Fall städtischen Kunst- und Eigentumserwerbs während der NS-Zeit.

Eigentlich aber war es eine Stufe zum Raub, der zugleich die Auslöschung eines beachtlichen und der Gemeinnützigkeit verpflichteten Teils der Bevölkerung schon im Hinterkopf wusste. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der Sammlung an die rechtmäßigen Erbinnen und Erben zurückgegeben.


Betrug, Verlust und faktische Beschlagnahme

Die Ankündigung verzeichnet zum Ende: „Der Sammler selbst durfte zwar noch in seinem Palais zur Miete (sic!) wohnen bleiben, bis er 1940 verstarb. Aber seine Sammlung wurde vor seinen Augen ausgeschlachtet, verteilt, verkauft oder auch verschoben.“

Und weiter: „Die Ausstellung macht auch dieses unrühmliche Geschacher von „Ariern“ zum Thema“. Sogar die Rolle des eigenen Hauses, betont die Kuratorin [Katharina Weiler]. Sie wolle auch die Leerstellen vermitteln, weil von dieser Sammlung eben nicht mehr alles vorhanden ist.

Foto:
Hippocamp© _los_angeles_county_museum

Info:
„Die Sammlung Maximilian von Goldschmidt-Rothschilds“, Museum Angewandte Kunst,
28.01.2023 – 4. Juni 2023, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main, Tel.069 212 38522