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Kategorie: Kulturbetrieb

Die Malerin und Bildhauerin war weit über den Bergwinkel hinaus bekannt

 

Hanswerner Kruse

 

Schlüchtern (Weltexpresso) - „Wie hab ich das gefühlt was Abschied heißt. / Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes / grausames Etwas, das ein Schönverbundnes / noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.“ (Rilke)

 

 

Wie haben wir in den letzten Monaten gefühlt, was Abschied heißt - Dorles Familie, Freundinnen und Freunde, Künstlerkollegen, Verehrer ihrer Kunst. Nach dem Ausbruch der unheilbaren Krankheit im Herbst letzten Jahres trafen wir uns im Supermarkt. In der Schlange an der Kasse sprach die Künstlerin von sich als „Die Todgeweihte“. Ihre Worte hatten etwas erschreckend Ironisches aber zugleich auch atemberaubend Offenes: Sie, die Todgeweihte, ging mit ihrem Abschied offen um.

 

Die Compagnie Artodance präsentierte auf dem KulturWerk-Festival 2015 eine Choreografie, die mit den Mitteln des Tanzes dem dunklen Unverwundnen, dem Zerreißen des Schönverbundnen eine Form gab. Ganz Künstlerin, freute sich Dorle über das ihr gewidmete Tanzstück, das weit über das Private hinausreichte. Bei den Aufführungen spürten auch Fremde oder tanzunkundige Menschen, was Abschied heißt.

 

Auch als Todgeweihte verlor sie nicht ihren Humor und schrägen Blick auf das Leben, der sich immer in ihren Bildern und Skulpturen ausdrückte. Ob sie fröhlich die Mona Lisa für die letzte KulturWerkWoche fälschte, die oft martialischen Texte der europäischen Nationalhymnen in sarkastische Bilder umsetzte oder sture, langnasige Betonköpfe fertigte, nie waren ihre Arbeiten verletzend. Mit Spott schuf sie Distanz zu den Widrigkeiten des Lebens: „Humor ist eine Lebenshaltung, damit schaffe ich es, mich selbst und andere nicht zu ernst zu nehmen“, erklärte sie in einem Interview: „Ich mag Menschen mit ihren seltsamen Verhaltensweisen.“

 

Darum gehörte sie, die schon überregional bekannte Künstlerin und Kulturpreisträgerin des Main-Kinzig-Kreises (2005), auch zu den Gründerinnen des KulturWerks. Das war eine durchaus schwere Geburt, aber, so meinte sie, „Es macht einfach Spaß, mit diesen verrückten Typen etwas zusammen zu machen.“ Sie kämpfte für die Anerkennung der Bildenden Kunst in dem kulturellen Amalgam von Theaterleuten, Cineasten, Tänzerinnen und anderen Kreativen.

 

Die 1947 geborene Künstlerin war „ein Kind der Offenbach-Post“, bei der ihr Vater Verlagsleiter war. Sie liebte schon früh den Geruch der Druckfarbe und das Klackern der Druckmaschinen. „Schon immer“ malte und zeichnete sie und besuchte die Offenbacher, später die Kasseler Kunsthochschule. Aber es waren die 1968er-Jahre, eine Zeit, in der freie Kunst nicht angesagt waren. Stattdessen lasen die politisierten Kunststudenten Marx und beschäftigten sich mit Fotografie und Film, den Medien zur politischen Aufklärung.

 

Deshalb wurde Dorle Obländer „begeisterte Pädagogin“ und baute als Kunstlehrerin von 1977 bis 1991 das Lichtenberg Oberstufengymnasium in Bruchköbel mit auf. „Da habe ich viel Herzblut hinein gesteckt“, erinnerte sie sich. Am Ende eines Sabbatjahres konnte sie nicht in die Schule zurück und musste im Ulrich-von-Hutten-Gymnasium unterrichten. „Der Kunstraum war eine abseits gelegene Hütte, in die es reinregnete. Der damalige Schulleiter machte mir gleich klar, an Leistungskurse Kunst sei hier nicht zu denken.“

 

Nach der „glücklichen Zeit der Pädagogik“ wurde Unterricht unter diesen Bedingungen zur immensen Kränkung für sie, ein Halbjahr später quittierte sie den Schuldienst und arbeitete seitdem als freie Künstlerin. Sie war auch im Hanauer Kulturverein aktiv: „Ich mache künstlerisch sehr viel, was in Schlüchtern gar nicht so wahrgenommen wird.“ Jetzt ist zu hoffen, dass die Stadt Schlüchtern und deren Bürger einen würdigen Ort finden, um sie in ihrer Kunst weiterleben zu lassen.

Foto:

Hanswerner Kruse