rubenskatalogPETER PAUL RUBENS und der BAROCK IM NORDEN, Teil 6: Ausstellung in Paderborn gerade erfolgreich zu Ende

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Dank für Rat und Unterstützung der Ausstellungsmacher umfaßt acht Spalten auf vier Seiten. Und der "Dank an unsere Autorinnen und Autoren" umfaßt 62 Namen!, davon wohl 30 Frauen. Das zeigt, welche Bedeutung Kunst und Kunstgeschichte generell und die  kunstgeschichtliche Forschung im Besonderen heute für breite Kreise haben und soll hier nur aufzeigen, welcher Aufwand eine solche kunstgeschichtliche Ausstellung und ein Kunstkatalog bedeuten. 

Formal ist der 576 Seiten starke Katalog aufgeteilt in 15 kunstgeschichtliche grundlegende Essays von Seite 30 bis 221 und dem eigentlichen Katalog, der die Ausstellungsexponate im Bild zeigt und entsprechende Erläuterungen einschließlich  Literaturangaben bringt. Das fängt mit der Barockisierung des Paderborner Doms an, wobei wiederum der Schutzbrief des französischen Königs Ludwig XIV. vom 12. Dezember 1647 zeigt, in welchen Zeiten wir uns befinden: im Dreißigjärigen Krieg! Daß Ludwig XIV. damals neun Jahre zählte,  muß uns hier nicht interessieren, zeigt aber, daß die Dokumente auch für den nicht die Zeiten durchschauenden Leser aufbereitet sind. Da gibt es,  so man weiterblättert, die Grundlagen des Paderborner Doms mit Zeichnungen, auch Fotografien von innen und von außen, die auf die Barockisierung Bezug nehmen und in Bildern zeigen, was das heißt, "zu barockisieren". Es geht weiter mit Rom und Antwerpen als die beeinflußenden Kunstimperien für den Norden. Kapitel drei umfaßt die Seiten 312 bis 398 und zeigt das Ausstellungszentrum: RUBENS. Dabei geht es nicht nur um seine Bildnisse, sondern auch um den Künstler Rubens und die Einflüsse, die er auf seinen Reisen aufnimmt und/oder abgibt.

Die Verkündung an Maria aus Wien - nein, nicht dem Kunsthistorischen Museum, sondern aus der exquisiten Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien - ist ein besonders eindrucksvolles Werk, das  sozusagen 'barock pur' ist, ein aufregendes Stück Malerei, das wohl aus gutem Grund auch den Umschlag und Cover des Katalogs ziert.  Denn dieses ovale Bild auf einer Holztafel ist 'nur' die Skizze, ein sogenanntes Modello, das dem Auftraggeber zeigen soll,wie das fertige Gemälde an der Decke aussehen wird, wenn der Auftrag erteilt wird. Das Modello hat also eine doppelte Funktion: es ist eine Werbung für den Auftrag und nach erfolgter Beauftragung eine Vorlage für den, der das Gemälde von Rubens an der Decke ausführt. Gerade das Skizzenhafte potenziert den Schwung, das Dynamische, das Barock ausmacht. 

Sicher ist dieses Kapitel mit den Rubenswerken für den Leser das Wichtigste und wenn dann auf Seite 363 auch die im vorigen Artikel beschriebene BEWEINUNG CHRISTI, die übrigens aus Liechtenstein  kommt, wo schon Prinz Johann Adam I. (1699-1712) das Gemälde einem Kunsthändler abkaufte, eine Rolle spielt, denkt sich die Verfasserung: " Da hätte ich ja besser vor der spontan niedergeschriebenen direkten Assoziationen aufgrund der Vergrößerungen am Kataloganfang abwarten sollen, was der Text zum Bild über dieses aussagt." Aber in der Tendenz steht dort Identisches, dies aber ausführlicher. Schön sind dann die Großaufnahmen aus der BEWEINUNG, wo auch die weiblichen Figuren personell benannt werden.

Folgen muß einfach, welche Wirkung Rubens auf seine unmittelbare Umgebung ausübte, im engsten Kreis, aber  auch, welche seiner Ideen die größten Innovationen auslösten. Aber es bleibt nicht bei der Malerei, den Zeichungen, der Druckgraphik, sein Einfluß wirkt auch auf die Bildhauerkunst. Ein eigenes Kapitel, das sechste, fragt, wie der flämische Barock in Westfalen aufgenommen wurde und zeigt deren  künstlerische Auswirkungen in Holz, Alabaster, Stein und Leinwand. Abschließend wird noch einmal das Barockene am Barock herausgefiltert und als Prinzip gewissermaßen  an heutigen Künstlern gezeigt, die in ihren  Werken Barock als Ausdruckträger verwenden. Interessant, daß auch Gerhard Richter in Farbtafeln dickflüssigen Vermalungen in verschiedenen Farben barocken Schwung gibt. Und auch Tony Cragg hat mit poliertem Schichtholz eine Säule hergestellt, die zwar nicht die Pestsäule am Graben in Wien kopiert, aber dennoch solche Assoziationen weckt.

Doch,  mit diesem Katalog kann, ja muß man sich noch länger beschäftigen. Er ist perfekt in der Form und das reichhaltige, großformatige Bildmaterial in bester Druckqualität ist einfach ein Genuß, eine richtige Freude und inhaltlich bringen die Essays und Bildinterpretationen vielen vieles. 

Foto:
© Veranstalter

Info:
www.dioezesanmuseum-paderborn.de

Ausstellungskatalog
Peter Paul RUBENS und der Barock im Norden, hrsg. von Christoph Stiegemann,
Michael Imhof Verlag, 2020
ISBN978-3-7319-0956-9