Drucken
Kategorie: Kunst

1938. KUNST, KÜNSTLER, POLITIK im Jüdischen Museum Frankfurt, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Aber das andere war, anzusetzen an der Situation von vor den Nazis und sich die Besitzverhältnisse von Galerien, von Auktionshäusern, von Museen genau anzuschauen und herauszubekommen, was sich erst 1933 und dann verschärft 1938 daran änderte. „Was 1938 geschah, schlug sich in den Lebensläufen von Künstlern, Sammlern, Händlern, Kritikern und Museumsmitarbeitern nieder. Die Ausstellung zeigt, wer Opfer, Täter und Zuschauer wurde.“ Und insbesondere zeigt sie, wer von der Plünderung der jüdischen Kunstsammlungen profitierte.

 

Die Ausstellung verfolgt ein weiteres Ziel. Wir alle sind durch die Maßnahmen der Nazi gegen 'entartete Kunst', zu deren Opfern ja auch viele nicht jüdische Künstler gehörten, darauf getrimmt, den Kunstgeschmack der Nazis als ausschlaggebend für ihre Vernichtung von 'moderner' Kunst, also der Ausradierung der Avantgarde, anzusehen. Demgegenüber soll hier als eigentliches Ziel dieser nationalsozialistischen Kunst- und Kulturpolitik das rassepolitische Vorhaben, die 'Arisierung des Kunstbetriebes, herausgestellt werden, die mit Ablauf des Jahres 1938 vollständig gelungen war.

 

Dies wird durch zweierlei Maßnahmen in der Ausstellung erreicht. Zum einen werden NS-Künstler mit in die Ausstellung aufgenommen, zum anderen werden nicht nur verfolgte jüdische Künstler gezeigt, sondern in eigenen Kabinetten das Schicksal jüdischer Kunsthändler und die 'Arisierung' ihrer Kunsthandlungen nachvollzogen und die Leute beim Namen genannt, die davon profitierten. Übrigens öfter wohlangesehene Namen im Nachkriegsdeutschland, wie es ja der Fall Gurlitt exemplarisch derzeit vorführt.

 

In der Ausstellung ist man beim Betrachten der Bilder, der Schicksale, der Briefe und Dokumente von Raub und Vertreibung ständig hin- und hergerissen zwischen Informationsaufnahme und schlichter Wut, wieso es möglich war, daß beispielsweise eine Malerin wie Lotte Laserstein mit den Lebensdaten von 1898 bis 1993 in der Weimarer Republik schon richtig bekannt war, dann von den Nazis 1933 als Jüdin aus dem Vorstand des Vereins der Bildenden Künstlerinnen in Berlin entfernt wurde, vor den Nazis 1937 dann nach Schweden fliehen konnte und bis heute in der Bundesrepublik Deutschland vor den Ausstellungen in Berlin und Frankfurt nur Eingeweihten bekannt war.

 

Richtig. Auch weniger gute Malerinnen und Maler, die von den Nazis vertrieben oder ermordet wurden, gehören heute gehört und gezeigt. Warum uns aber dieser Fall Laserstein so unter die Haut geht, hat einfach mit der außerordentlichen Qualität dieser Malerei zu tun, weil wir uns persönlich betrogen fühlen, diese nicht gekannt zu haben und mit der Malerei die Malerin selbst. All zu viele Frauen gibt es es im Metier sowieso nicht, weshalb es auch in der Ausstellung auffällt, wie oft es Frauen traf. Waren Jüdinnen emanzipierter bei der Berufswahl, waren sie kreativer, wäre so eine Anschlußfrage. Aber zurück.

 

Daß die Nationalsozialisten Verbrecher waren, wissen wir. Deshalb interessiert uns in dieser Ausstellung noch mehr, was wir über die Zeit ab 1945 lesen und sehen können. Wenig. Was am Thema 1938 liegt. Aber ein kritischer Ansatz ist hier ausgebreitet, der nun wissenschaftlich und politisch nachzuvollziehen ist. Wie sehr nämlich die Ideologie des Dritten Reiches über die Personen, die in ihren Funktionen und in ihren 'arisierten' Betrieben und Geschäften auch nach 1945 als Eigentümer blieben - aber auch die Kunstkritiker, die Feuilletonisten, u.a.-, den gesellschaftlichen Nebel produzierten, der keine Aufklärung von vor 1945 forderte, sondern im neuen - und doch eigentlich alten - Antikommunismus der 50er Jahre das Wirtschaftswunder pries und nur nach vorne blicken wollte und sollte.

 

Daß wir wirklich erst 75 Jahre nach 1938 und 80 Jahre nach 1933 eine solche Ausstellung haben, bleibt eine gesellschaftliche Schande. Denn direkt nach dem Krieg hätte das gerade geschehene Unrecht wieder gut – wo es noch ging – gemacht werden müssen, die sich ins Ausland geretteten Juden und Antinazis zum Zurückkehren aufgefordert werden müssen, auf jeden Fall aber ihre Werke gezeigt werden müssen. „Müssen“, „müssen“, „müssen“. War aber nicht. Um so wichtiger, daß es heute passiert.

 

 

Bis 23. Februar 2014

 

 

Katalog:

 

1938. KUNST, KÜNSTLER, POLITIK, hrsg. von Raphael Gross, Eva Atlan, Julia Voss, Wallstein Verlag 2013

 

Der Katalog ist nicht nur für die Besucher der Ausstellung wichtig, sondern nützt jedem Leser, der sich tiefer mit der Materie beschäftigen und konkretes Geschehen der Nazizeit an Künstlerschicksalen und dem Kunstbetrieb nachvollziehen will.

 

Daß nach Vorwort, Grußwort und Einführung gleich LOTTE LASERSTEIN von Cara Schweitzer näher vorgestellt wird, entspricht dem Eindruck in der Ausstellung. Dort nämlich nimmt man diese hierzulande bis jetzt völlig unbekannte Künstlerin, die sich nach Schweden retten konnte und auch nach dem Krieg dort blieb, als die bedeutendste unter den Ausgestellten wahr und saugt sozusagen die Informationen über das schwedische Exil auf. Und sichtet die Bilder, von denen übrigens auch in der tollen Berliner Ausstellung BERLIN UND WIEN beeindruckende hingen, eine Ausstellung, die gerade in Berlin zu Ende ging und im Belvedere in Wien demnächst eröffnet.

 

Das schreiben wir sicher so herausgehoben, weil wir Lotte Laserstein nicht kannten im Gegensatz zur ebenfalls ausgestellten und ebenfalls hervorragenden Malerin Elfriede Lohse-Wächter, die auch von Cara Schweitzer porträtiert wird. Der Katalog, der eigentlich ein Sachbuch zum Thema ist, bringt in Essays aber auch Themen wie: „Die Arbeit des Jüdischen Kulturbundes“, „Ein bitterer Abschied, Georg Swarzenski, Städeldirektor von 1906 bis 1937“, „Kunsthandel 1938' oder – sehr interessant! - von Jörg Osterloh '„Verjudung“, „Zersetzung“, „Entartung“, „Kulturbolschewismus“. Eine Begriffsgeschichte'.