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Kategorie: Kunst

Douglas Gordon heizt dem Museum für Moderne Kunst MMK in Frankfurt am Main ein, aber brennt es nicht ab

 

von Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es ist seine größte Ausstellung seit Jahren und doch möchte man nicht gerne das Wort „Retrospektive“ in den Mund nehmen, weil der 1966 in Glasgow geborene Künstler so ständig Neues macht, daß man lieber vom Querschnitt seiner Werke sprechen möchte, die so vielfältig wie eigen sind, mit Spaltungen, Spiegelungen, Aufsplitterungen und Kristallisationen methodisch beschrieben sind und auf jeden Fall nicht langweilen.

 

„Die Ausstellungen Gordons beschränken sich nie auf ein Medium. Für das MMK wurden die Werke in den architektonisch anspruchsvollen Räumen des Museums zu einem dichten, repräsentativen Bild vom Schaffen dieses vielseitigen Künstlers zusammengeführt und bilden ein Geflecht gegenseitiger Erläuterungen und Verweise“, erläutert Susanne Gaensheimer, Direktorin des MMK. Der Grund der Ausstellung ist zweifach. Die Elephanten – Play Dead; Real Time – von 2003 ist eines der Hauptwerke des Schotten und gehört dem MMK und gehört zudem in den Kontext der gerade abgelaufenen Schau der Zwanzig Jahresfeier des Museums.

 

Ein weiterer Grund: der Künstler gehört zu den wichtigsten, einflußreichsten und anerkanntesten seiner Generation, der zudem eigentlich alle Medien nutzt und benutzt: Film, Videoinstallation, Fotografien, Skulpturen, Klanginstallationen, Gemälde, Texte, Zeitungsausschnitte, Zeichnungen. Kaum haben Sie sein System der Videoinstallationen als eine Zerfaserung und zum Stillstand tendierende, sich aber ständig um sich selbst drehende und daraus wieder Kraft schöpfende Arbeit erfaßt, ist die nächste schon wieder ganz anders.

 

Fangen wir an. Bilder vom Körper bewegen ihn immer. Oft bewegt er sie auch, die Körper oder läßt sie bewegen und von den Tänzern mit Rot beschmieren, was irgendwie an Jesus Christus gemahnt, wobei das unsere Assoziation ist, denn der Tänzer wird nicht gegeißelt oder sonstwie mit Gewalt überzogen, sondern er malt sich selbst in windenden Bewegungen an. Das ist eigenartig, vor allem, weil er sich selbst genügt und immer wieder Hand anlegt, während eine Parallelleinwand dezenter alles Mögliche zeigt, aber auch auf einmal Körper.

 

Im nächsten Raum sieht man sich sofort selbst. Der Spiegel hat System. Man erblickt nur etwa knapp Zweidrittel von einem Porträtfoto und sieht ein angeschnittenes Auge und einen Mund und weiß schlagartig: Das ist James Dean, bzw. soll er sein oder noch besser: war er. Ist das eine Generationenfrage? Daß man ihn auch so lädiert erkennt. Und ist das wichtig? Uns schon. Denn man muß sich einen Reim darauf machen, was Gordon uns sagen will. Wie vergänglich alles ist oder wie gemein der Mensch zum Menschen. Hier hat er nicht den Menschen verbrannt, sondern sein Foto angekokelt, das in den schönen Rundungen, wie Feuer sich Bahn frißt, alles andere außer dem Erwähnten auf der Rechten Seite weggefressen hat. Das Ganze auf einen Spiegel montiert, zeigt uns neben dem Fragment – Spiegel! – und wie man zwar die Ohren zumachen kann, wenn man nichts hören möchte, kann man doch nicht die Augen schließen, wenn man James Dean von Gordon Douglas sehen will. Konsequenz: wir sind immer dabei. Wir entgehen uns nicht.

 

Dasselbe spielt er mit Andy Warhol und den Damen Monroe und  Jackie durch und nennt alles SELFPORTRAIT OF YOU + ME mit den jeweiligen Protagonisten. Aber die Reihung von Rauch und Spiegel interessiert uns dann nicht mehr. James Dean war ein starker Eindruck, die anderen verkleinern diesen. Aber die Spiegel haben es ihm grundsätzlich angetan, die an der Wand, oder das zertrümmerte Spiegelglas in diesem so wunderschönen Zeichen- oder Kartenschrank, wo man unwillkürlich die Liebe zu Detail, zum grünen Filzbelag und dem Holz erlebt und den Kopf schüttelt darüber, wie häßlich heute solche Möbel sind und wie schön und praktisch sie einmal waren.

 

So langsam machen wir uns einen Reim. Aha, dieser Gordon löst auf und ihn interessieren die Dinge im Verlauf ihrer Aggregatzustände. Es geht um die Übergänge und wo er keine sieht, stellt er sie her. Völlig eigen dann der Raum, wo nichts mehr vielfältig, sondern das Vielfältige allesamt in weiße, völlig identische Holzrahmen gesperrt wird. Noch dazu in Petersburger Hängung, die auch die der Kunstausstellungen des 19. Jahrhunderts in London waren, also alle Wände voll, von unten bis oben. Gordon aber macht Sperenzchen. Er läßt dort einen freien Raum und da auch. Warum?

 

Darum geht’s nicht, denken wir und auch wenn wir jedes der eingerahmten Fotos, Zeichnungen, Ausschnitte anschauen – ach herje schon wieder angebrannte Postkarte und Porträts!  -  irritiert uns, daß einiges bei einigen schwarz abgeklebt ist, anderes wie bei Arnulf Rainer schwarz übermalt, überkritzelt ist. Bei Egon Schiele stört uns das und was Karl V. dort zu suchen hat, wissen wir auch nicht. Es sieht aus wie ein persönliches Erinnerungslabor, das sich Gordon selbst verschreibt. Wo geht ein persönliches kulturelles Gedächtnis in ein allgemeines über?

 

Wir lieben diese Elephanten. Auf drei Leinwänden und dem kleinen Monitor zeigen sie uns, was Durchhalten ist. Die Aufsteh- und Niederlegungssequenzen sind damit in erster Linie gemeint, aber das ist inhaltlich verständlich, unsere Sympathie. Anders verhält es sich mit dem ewigen Schreiten der vier gewaltigen grauen Füßler, denn man sieht nur die Beine und dieses Schreiten nimmt dadurch etwas so Erdverbundenes, aber auch Abgehobenes, ja Leichtes an, so daß der Eindruck entsteht, hier entsteht Ewigkeit.

 

Ach, k.364 als Film-Installation muß einfach gefallen. Wie ist man froh, in einem Museum Musik zu hören. Es geht um die Sinfonia concertante für Violine und Viola; von Mozart 1799 in Wien komponiert und wir sehen beim Fabrizieren der Musik zu, wie nämlich Avri Levitan und Roi Shiloah mit dem Amadeus Kammerorchester des Polnischen Rundfunks das Konzert in Warschau aufführen, was Gordon musikalisch dokumentiert, durch seine Kameraführung aber auch zerlegt.

 

Zidane, Henry Rebel, ein alter Film in neuer Auflösung über viele Monitore und ein neuer Film, der auf einen alten Bezug nimmt, und so vieles andere gibt es auch noch zu sehen bei dieser Querschnittsausstellung als Abschluß des Jubiläumsjahres. Der Künstler lebt in Schottland und in Berlin, ist aber eigentlich in der Welt zu Hause und lehrt in Frankfurt an der Städelschule, wo der zugehörige Portikus ihn auf dem Dach Feuer legen und spielen läßt.

 

Bis 25. März 2012

 

Katalog: Douglas Gordon. Kerber Verlag 2011. Neben den Abbildungen gibt es ein Gespräch zwischen Douglas Gordon und James Franco auf Englisch, Essays von verschiedenen Interpreten und vor allem die reichlichen, häufig ganzseitigen Bilder. Bilder einer Ausstellung.

 

www.mmk-frankfurt.de