Unter dem Titel Corpus Baselitz präsentiert diese Ausstellung in Colmar und erstmals in einem französischen Museum eine bedeutende Werkauswahl sowie bisher noch nicht öffentlich gezeigte Arbeiten (Malereien, Zeichnungen und Skulpturen) aus den Jahren 2014–2017, in denen der Künstler seinen eigenen Körper und seinen Platz in der Kunstgeschichte hinterfragt.

Seit seinen ersten „auf den Kopf stehenden“ Bildern aus dem Jahr 1969 hat Baselitz in der Tradition der Aktmalerei oder des Selbstporträts immer wieder neue Ausdrucksformen für die Darstellung seines eigenen Körpers beziehungsweise des diesem beigestellten Körpers seiner Frau Elke entwickelt.

War sein Blick bislang der eines distanzierten Beobachters, so setzt er sich in der im Winter 2014/2015 begonnenen Serie mit der Realität seines hohen Alters und des Altwerdens auseinander und bezieht sich in dieser introspektiven Herangehensweise in einem regelrechten Abstieg in die Hölle auf seine Vorbilder (Duchamp, Dubuffet, Dix, Picasso und De Kooning).

Der verunstaltete, unvollständige und zerteilte Körper ungeschönt und kompromisslos festgehalten. Der Vehemenz des Sujets des Alterns wirkt die Bewegung des Abstiegs in die Hölle entgegen (ein Verweis an Duchamps Akt, eine Treppe herabsteigend von 1912), der durch die Motivumkehr zum Aufstieg wird. Großzügig verwendete Farbmaterie und eine neue Maltechnik verwandeln die Körper in leuchtende und vibrierende Gebilde.

Die von Baselitz an der Schwelle zu seinem 80. Lebensjahr vorgenommene Bearbeitung seines nackten Körpers und die Transformation dieser dunklen Vision in eine bildmächtige, für die Öffentlichkeit bestimmte Darstellung zeugen von der ungebrochenen Lebens- und Schaffenskraft des Künstlers.
Thema, Form (mitunter den mittelalterlichen Polyptychen entlehnt), Monumentalität, Farbmaterie und Farbe in den Werken des deutschen Künstlers wirken wie ein zeitgenössisches Echo des zentralen Kunstwerks im Musée Unterlinden, Grünewalds Issenheim Altar.

Diese einzigartige Ausstellung würdigt das Werk eines großen zeitgenössischen Künstlers und bildet eine Weiterführung der bedeutenden Retrospektive, die von Januar bis Mai 2018 in der Fondation Beyeler bei Basel zu sehen ist. Das reaktiviert auch das, was wir vor Jahren im Dreiländereck Schweiz, Deutschland und Frankreich so bewundert hatten: die Zusammenarbeit zwischen Basel, Freiburg und Colmar. Da allerdings waren die Ausstellungen gleichzeitig und  inhaltlich aufeinander bezogen.

Foto: Ankommen demnächst © Museum unter den Linden

Info: 
9. Juni bis 29. Oktober 2018
in Colmar , Museum unter den Linden