In den bekannten Ausstellungshallen in der Rhön zeigen 45 Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten für den bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb zum Thema „SIE und ER“. Die Vernissage war der Auftakt für zahlreiche Begleit-Veranstaltungen bis März 2018 im Fuldaer Raum.

Dorle Obländers Acrylbild „Paar“, welches auch das Plakat ziert, zeigt emblematisch die Vielfalt, aber ebenso das Dilemma der Fragestellung: Ein Paar steht auf einem schwankenden Boot. Einander nicht zugewandt scheinen „SIE und ER“ hochmütig so zu tun, als wäre nichts, obwohl sie steuerlos auf hoher See treiben oder im Ungewissen stranden werden.

hwk 2ERundSIEViele Werke in der Schau thematisieren sündige Fantasien in Paarbeziehungen oder Brüche zwischen Wunsch und Realität. Rolf Mallat beispielsweise präsentiert auf seinem Gemälde „In der Metro“ ein verdrossenes Paar vor dem Bild „Sündenfall“ von Peter Paul Rubens (1577-1640) im Bahnfenster: ER fummelt am Smartphone, SIE scheint zu träumen. Auf inszenierten Fotografien zeigt Karin Reichardt „Ich sehe was, was Du nicht siehst“: Einen Mann als Herrn im Haus, doch ebenfalls als Pantoffelhelden, (s)eine Frau als Unterwürfige und obendrein als Schlampe. Bildende Kunst kann solche Verwerfungen darstellen, mögliche erotische oder aggressive Fantasien andeuten. Jedoch zwingen diese Arbeiten das Publikum letztlich zu eigenen Interpretationen.

Einige Künstlerinnen inszenierten etwas Selbsterfahrung: Susanne Dilger ließ acht Männer ihren Kleiderschrank plündern und fotografierte die nun weiblich anmutenden Herren. Auf Gabi Klingers Bild „Ada und Evam“ tauschten sie und ihr Partner die Rollen, aber ist SIE wirklich diese bärtige Frau und ER der glatzköpfige Mann? Solche zu Bildern geronnenen Camouflagen, von denen es mehrere in der Schau gibt, sind witzig. Jedoch kann Kunst wesentlich mehr - gerade sie schafft es, noch nicht Erlebtes, Fremdes, Unsagbares auszudrücken und sich ihm anzunähern.

Wer kann wirklich wissen, wie es hinter den Schleiern der Frau zumute ist, die als unsichtbarer Mensch in dieser Welt nicht vorkommt? Mojgan Razzaghi macht das Aufreißen der Verhüllungen, die Befreiung, in drei großen bewegenden Fotografien deutlich. Wie fühlen sich Paare, die eine künstliche Befruchtung im Reagenzglas anstreben? Youri Jarkikh berührt mit seinem kühnen und doch poetischen Gemälde „Liebe in Vitro“.

Anna Elisabeth Berger montierte in ihrer kleinen Installation einen schwarzen Revolver, der auf eine aufrecht stehende, etwas rot gefärbte Damenbinde zielt. Ihrem „Tabubruch“ hat sie statt einer Erklärung ein längeres Gedicht hinzugefügt, in dem es am Ende heißt: „...Und dann tanzen sie /
die Weiber in ihrem blutroten Kleid /
wenn der Mond schwarz ist.“

Das ist nicht die einzige Herausforderung in dieser spannenden - großartig von Dr. Elisabeth Heil kuratierten - Ausstellung, in der sich Kunstwerke aufeinander beziehen und doch für sich wirken. Auch Ulrich Barnickels lebensgroße Holzskulptur zweier sich liebender Männer, „Wa(h)re Liebe“, ist für manche Besucher sicher noch ein Affront. Klar, nicht alle Objekte gefallen dem Publikum - aber anregen, zum Lachen bringen oder provozieren (im Sinne von etwas hervorrufen) werden sie allesamt. Zum Ende der Schau am 25. März 2018 gibt es jeweils ein Publikums- und einen Jurypreis für die beteiligten Kunstschaffenden.

Fotos: © Hanswerner Kruse

Mojgan Razzaghi neben ihren Bildern „Virginity“ hat es geschafft, die Schleier zu zerreißen, doch es geht ihr um Frauen in aller Welt: „Deren aufgenötigte Versteckspiele rütteln meine Sinne wach, sie sind Samen für meine künstlerische Arbeit.

Karin Reichardt vor ihrer Fotoserie „Was sind wir wirklich? Marionetten im Rollenspiel des Lebens oder frei entscheidende Persönlichkeiten?“

Info:

Zur Vernissage in der Kunststation präsentierten Schülerinnen und Schüler eine selbst erarbeitete Performance. Im Studio zeigen junge Menschen - der Biebertalschule, der Fuldaer Winfriedschule und der Kinderakademie - ihre Ideen zum Thema „SIE und ER“.

Das umfangreiche Rahmenprogramm, das die Ausstellung begleitet, beginnt im neuen Jahr in der Kunststation mit dem Kabarett „Damenwahl“ von Romy Hildebrandt (19. 1.). Der Künstler Bernd Baldus gestaltet einen Liederabend (27. 1.), das Tanzensemble Artodance präsentiert die „Apple Story“ (25. 2.). Auf weitere ergänzende Veranstaltungen in Kleinsassen sowie die Fuldaer Frauenwoche und die Theatertage der kooperierenden Schulen, werden wir rechtzeitig hinweisen und darüber berichten.

www.kleinsassen.de