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Wenn man heute Lasersteins Werke erst einmal in die Neue Sachlichkeit einordnete, so wohl deshalb, weil in der, angeblich so sachlichen, kühlen Art dieser Malerei es eben auch den Bubikopf gab und das neue öffentliche Selbstwertgefühl von Frauen zum Ausdruck kam wie in der Darstellung von athletischen Frauen (Die Tennisspielerin) oder modebewußten Damen, eben die ‚Neue Frau‘. Und so gibt es ein paar Gemälde der Laserstein, die man in diese Schublade stecken kann. Aber – und das zeigt diese Ausstellung – überdeutlich, sie selbst kommt malerisch woanders her und will auch woanders hin. Wenn man durch den Saal des Graphischen Kabinetts schreitet, wo rund so kommt einem in der Malweise viel mehr 19. Jahrhundert in den Sinn, das Sujet aber ist 20. Jahrhundert. Der Vergleich mit den Malerinnen Gabrielle Münter und Paula Modersohn-Becker, der sich ja auch nur auf den Bekanntheitsgrad bezieht, der der Laserstein zukommt, hinkt schon deshalb, weil gegenüber diesen die Malweise der doch jüngeren Lotte Laserstein, die ältere, die altmodischere ist.

Denn der Expressionismus steht der Moderne näher als eine Malerei, die im Gegenständlichen die hohe Kunst der Altmeisterlichen Malerei, transportiert ins 19. Jahrhundert, zum Ziel hat. Die von Erich Wolfsfeld an den, wie es damals hieß, Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst in Berlin ausgebildete junge Malerin hatte ihre Vorbilder in den deutschen Malern des 19. Jahrhunderts und ihren Ausspruch, daß sie einmal so malen können wolle, wie ihr Vorbild Wilhelm Leibl (1844-1900), der stilgeschichtlich dem Realismus in der Malerei zuzuordnen ist, beweist dies in ihren eigenen Worten. Wie gut, daß diese Ausstellung auf ihre Vorbilder, ihre „Hausheiligen“ verweist, wie Leibls ALTER BAUER UND JUNGES MÄDCHEN, das ebenfalls im Städel hängt. Man braucht aber gar nicht so weit zurückgehen. Fast alle Maler des 20. Jahrhunderts haben durch ihre Ausbildung einmal so angefangen. Es gibt Bilder von Liebermann, von Corinth, von Slevogt, ja sogar von Max Beckmann, denen man die Schulung an diesen Meistern ansieht – mit dem Unterschied, daß die einen zu den deutschen Impressionisten wurden, Max Beckmann sich sowieso zum Solitär entwickelte und eben Lotte Laserstein die Moderne und die bewegten 20er Jahre mit ihren gesellschaftlichen Veränderungen, die vor allem die Frauen betrafen, malte, allerdings in warmen Farben, mit einem feinen Pinselstrich, der die Körper sanft modellierte und eben auch klassischem Inkarnat.

Hinzu kommt, daß sie auch als Person diesem modernen Frauenbild entsprach. Sie wollte nicht heiraten und Kinder kriegen und zuvor einen wohlhabenden Mann aufgabeln, der das alles bezahlt. Sie wollte malen. Sie wollte ihr Leben ihrer Kunst widmen. Und sie orientierte sich an den männlichen Vorbildern, wenn sie wie Rembrandt und andere, immer wieder Selbstbildnisse malte. Sie hatte Ansprüche an sich und ihre Malerei. Und sie entspricht nicht dem armen Künstlerlein, der am Hungertuch nagt. Zwar konnte sie in der kurzen Zeit, die ihr in Berlin blieb, keine Malerfürstin werden, aber darauf legen die Kuratoren Elena Schroll und Alexander Eiling sowie Philipp Demandt wert, ihr Malerleben wurde eine Erfolgsgeschichte – zumindest bis die Nazis kamen.

Denn die assimilierte und getaufte Lotte Laserstein wurde dann von den Nazis zu der Jüdin gemacht, die sie nicht war. Sie wurde mit drei jüdischen Großeltern als ‚jüdisch‘ eingestuft und das bedeutete ab 1933 ihre Entfernung aus offiziellen Ämtern. Zwar hatte sie noch kein Malverbot, aber das Jüdischsein langte, weitere Attribuierungen wie entartete Kunst waren da nicht mehr nötig, um ihren malerischen Spielraum einzuengen. Sie wurde sofort aus dem Vorstand des Vereins der Berliner Künstlerinnen entlassen und konnte fürderhin überhaupt nur im Rahmen des jüdischen Kulturbundes ausstellen. Aber sie schaffte immerhin ihr finanziellesÜberleben bis 1937, und als es brenzlig wurde, auch, weil ihr der Stadt Berlin verkauftes Werk IM GASTHAUS von 1927 nun als ‚entartet‘ eingestuft, aus dem Museum entfernt wurde (und seither verschollen ist), handelte sie. Aber ihr Oeuvre ist nicht in die geschmähte ENTARTETE KUNST eingruppiert worden, auch nicht in die gleichnamige obszöne Nazi-Ausstellung von 1937, vielleicht auch, weil sie sich schon seit jeher stark auf Porträts und Menschendarstellungen festgelegt hatte, was gut verkäuflich war und eher privat blieb.

Und dieses kunsthistorisch interessante und wertvolle ‚Frühwerk‘ ist in Frankfurt nun ausgestellt.

Als es also im Nazi-Deutschland für Juden zunehmend gefährlich, ja lebensgefährlich wurde, kam ihr das Angebot einer Ausstellung in Schweden für das Jahr 1937 (da wüßten wir gerne Bescheid, ob das angeleiert war oder Zufall, was wir nicht glauben wollen ) gerade recht. Denn eine Ausstellung muß man mit Bildern bestücken und wir vermuten, daß es ihr nur deshalb möglich war, ihr Hauptwerk ABEND ÜBER POTSDAM von 1930, mit den gewaltigen Maßen von 110 × 205,5 cm, heute in Besitz der Nationalgalerie Berlin, noch dazu von ihr als echte, den Lasierungen der Altmeister verpflichtete Malerin auf Holz gemalt(!), zusammen mit ihrem übrigen Werk nach Stockholm in die Galerie Moderne zu bringen. Wo sie dann mit ihren Bildern blieb.

Gottseidank blieb sie die unternehmungslustige Frau und wurde zur routinierten Malerin. Aber Letzteres eben nicht aus eigenem Begehr. Sie mußte für sich und Modell und Freundin Traute Rose den Lebensunterhalt verdienen und das hieß dann Auftragsarbeit, was bedeutete: Porträts, Porträts, Blumenbilder und sonstige bunte und in schwedische Wohnzimmer zu hängende, gerne auch pastellfarbige Malerei. Sie gab dem Markt, was des Marktes ist und sicherte nicht nur den Lebensunterhalt, sondern auch eine gewisse Wohlhabenheit, mit einer Wohnung in Stockholm und einem Haus auf dem Lande.

Ob das der Grund ist, daß sie – außer zu Besuchen – nicht nach Deutschland zurückkehrte, wobei man nicht nur auf Willy Brandt und Fritz Bauer als Rückkehrer verweisen muß. Sehr viele wollten zurück in die Heimat. Oder ob der Grund darin liegt, daß ihre Mutter im KZ Ravensbrück vergast worden war? Interessant auch, daß ihre Schwester – wie im Film DIE ÜBERLEBENDEN gerade dargestellt – in den Berliner Schrebergärten die Nazis überlisten und überleben konnte. Aber zu welchem Preis.

Wir wissen zu wenig über diese Künstlerin, die ja eigentlich mit 35 Jahren mitten in ihrer Malerkarriere von den Nazis gestoppt wurde. Ein Frühwerk also, das es zu bestaunen gilt, wobei wir im Folgenden mit ihrem Hauptwerk ABEND ÜBER POTSDAM beginnen wollen.

Fortsetzung folgt.

Fotos:
© Städel

Info:
Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Prestel Verlag mit 192 Seiten und 159 Farbabbildungen. Mit Beiträgen von Valentina Bay, Alexander Eiling, Anna-Carola Krausse, Kristina Lemke, Annelie Lütgens, Maureen Ogrocki, Kristin Schroeder, Elena Schroll und Philipp von Wehrden. Deutsche / englische Ausgabe, 39,90 Euro (Museumsausgabe). Wir werden darüber berichten,

Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 12 Euro; Sa, So, Feiertage: 16 Euro, ermäßigt 14 Euro; Familienkarte 24 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren; Gruppen ab 10 regulär zahlenden Personen: ermäßigter Eintrittspreis pro Person. Für Gruppen ist vorab eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69- 605098-200 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erforderlich.

Kartenvorverkauf: tickets.staedelmuseum.de
Für Mitglieder des Städelschen Museums-Vereins ist der Eintritt in die Sonderausstellung frei.

Überblicksführungen durch die Ausstellung: freitags 19.00 Uhr, sonntags 14.00 Uhr sowie Mi 3.10., Di 25.12., Mi 26.12., Di 1.1., 12.00 Uhr. Kosten: 5 Euro zzgl. Eintritt (Tickets ab zwei Stunden vor Führungsbeginn, sonntags ab 10.00 Uhr an der Kasse erhältlich)

Die Ausstellung wird von einem umfassenden Rahmenprogramm begleitet. Eine aktuelle Übersicht finden Sie unter www.staedelmuseum.de

Audiotour: Die Audiotour führt in deutscher und englischer Sprache durch die Ausstellung. Die deutsche Audiotour wird von der Schauspielerin und Sängerin Meret Becker gesprochen. Die Tour ist als kostenlose App im Android und Apple Store verfügbar und kann bequem von zu Hause auf das Smartphone geladen werden. Vor Ort im Museum kann der Audioguide zu einem Preis von 4,50 Euro (8 Euro für zwei Audioguides) ausgeliehen werden.