Ein Ort, der erst eine kurze Historie aufzuweisen hat, erst 1968 erbaut wurde. Nicht von einem – wie seit vielen Jahren so oft – zweifelhaften angeblichen 'Stararchitekten', sondern von dem Könner Hanns Schönecker (1928 - 2005). Nach ihm wurde auch ein Teil des Museums benannt. Zu recht. Denn er hat einen gelungenen Bau geschaffen. Einen bescheidenen Raum, gleichzeitig. Nicht protzig. Jedoch auch keineswegs ärmlich. Sondern wohl proportioniert: Raumgröße, Höhe der Wände, Anordnung der Fenster, - das stimmt alles ganz wohltuend zusammen.

Sein Bau entstand zwischen 1965 und 1978 nahe dem historischen Stadtzentrum von Saarbrücken, neben dem Staatstheater von 1935 – 1938, direkt an der Saar. - Zeitgleich entstand die Neue Nationalgalerie in West-Berlin nach Plänen von Ludwig Mies van der Rohe (1886 - 1969) und das Kunstmuseum Bielefeld durch Philip Johnson (1906 – 2005). Schönecker fällt dagegen nicht ab. - Das Folkwang-Museum in Essen war, der Nachkriegsbau von 1956 - 1960, auch von dieser Qualität. Essen hat dann von 2007 bis 2010 durch David Chipperfield (*1953) ein neues Folkwang-Museum anbauen lassen; und hier ist denn doch das Wort Protz nicht ganz unangebracht. (Zu viel Geld zu haben, ist manchmal auch ein Nachteil.) - Das Folkwang-Museum ist aber auch insofern ein guter Vergleich, als das Saarlandmuseum für den auswärtigen Besucher den Eindruck erwecken könnte, dass es sich um ein Museum handelt, das die Kulturgeschichte des Saarlands zum Gegenstand habe (so wie das frühere Folkwang-Museum seit 1981 mit dem Ruhrlandmuseum und damit mit einem Museum über die Geschichte des Bergbaus verbunden war).

Das Saarlandmuseum ist jedoch an dieser Stelle – im Schloss auf der anderen Saar-Seite verhält es sich anders - ein Kunst-Museum, sozusagen: Die Staatsgalerie des Saarlands. - Ein großartiges, wohltuendes Museum! - Dieses Museum könnte schon Grund allein sein, das Saarland zu besuchen ... Und wenn man nachliest, dass Max Slevogt (1868 – 1932), der auf manchen Bildern eine Ähnlichkeit mit Heinrich Zille (1858 - 1929) hat, eine Mutter, die gebürtige Saarbrückerin war, hatte, - während sein Vater, als er erst zwei Jahre alt war, Krieg 1870/71 fiel und Slevogt also vaterlos aufwuchs -, ist die Beziehung zwischen Slevogt und dem Saarlandmuseum sozusagen eine Selbstverständlichkeit ...!

II.

Das Saarlandmuseum, seine Moderne Galerie, wurde gerade durch einen Erweiterungsbau, den Vierten Pavillon von 2007 – 2017, wie es im Katalog heißt, "zukunftsfähig" gemacht; "zukunftsfähig" jedoch nicht nur als Bau, sondern auch als Skandalon von überlanger Bauzeit, finanziellen Veruntreuungen und personellen Zwangs-Wechseln, also dem, was inzwischen wie bei der Elbphilharmonie oder dem BER inzwischen in Deutschland, das sich leider seit mehreren Jahren gnadenlos in Richtung "Drittes-Welt-Land" bewegt, die Regel geworden ist.

Die erste große Ausstellung darin ist nun die so lohnende Ausstellung "Max Slevogt und Frankreich", deren Endspurt gerade begonnen hat! Sie wird zu recht als "hochrangig" bezeichnet und zeigt nicht nur Werke, wie ihr Name nahelegt, von Max Slevogt, sondern auch Werke zahlreicher französischer impressionistischer und vor-impressionistischer Maler. Darunter zahlreiche Leihgaben. Im Katalog heißt es genau: "Die Schau umfasst nicht weniger als 189 Werke, 109 Gemälde und 80 Grafiken, und Slevogt stehen insgesamt 26 Künstler aus Frankreich gegenüber, beginnend mit Corot, Delacroix und Courbet, über Manet, Monet und Renoir bis hin zu Cézanne und van Gogh, um nur einige der klingendsten Namen zu nennen. Zu den schönsten Erfolgen der langjährigen Leihverhandlungen zählt es dabei, dass es gelungen ist, jenes Gemälde von Édouard Manet nach Saarbrücken zu holen, das ehemals zu Max Slevogts eigener Sammlung gehörte: 'Die Rue Monier mit Fahnen' (1878)."

Die Ausstellung wirbt mit einem – spätestens jetzt! – prominenten Bild Max Slevogts, mit "Segelboote auf der Alster am Abend" von 1905, einem herrlich-einladenden Bild: Die weißen Segelboote auf dem blauen Wasser, das restliche Sonnenlicht, am anderen Ufer schon die erleuchteten Straßenlaternen, die Silhouette der St. Johanneskirche in Harvestehude. Dieses Motiv verwenden die Werbe-Plakate der Aufführung und natürlich auch der Katalog.

Die Ausstellung ist grandios! --- Der Katalog ...? Als ich ihn zuerst in den Händen hatte, war ich von den Bildwiedergaben im Inneren enttäuscht. Nicht vom Umschlag: Der ist farblich so brilliant wie das Original. Das Innere ist etwas ungeschickt angelegt. Farblich zu matt die meisten Wiedergaben. Ungeschickt mehrmals auch, dass ein Bild, das auf eineinhalb Seiten wiedergegeben wird, ungünstig teils im Knick, in der Bindung verschwindet. Nicht nur das Alster-Titelbild. Auch etwa der "Totentanz / Maskenball" von 1896. Und warum solche größeren Abbildungen nicht voll auf der Doppelseite abbilden? Warum so, dass noch unnötig viel Weiß stehenbleibt und das Bild oft überblendet? So schmälert der Katalog das Werk Slevogts eher, als dass es die Bilder anziehend macht, spannend.

Hinzu kommt die Steifleinigkeit des Buches: Meist sind Ausstellungs-Kataloge broschiert, leicht biegbar, angenehm in der Hand. So auch der hier im Slevogt-Katalog zitierte Katalog der Berliner Ausstellung "Impressionismus / Expressionismus" von 2015, aus dem Hirmer-Verlag. - In ihm finden sich auch 6 Farbtafeln mit Slevogt-Bildern. Vergleicht man sie mit den Drucken im Slevogt Katalog, der jetzt vom Saarlandmuseum selbst verlegt wurde, sieht man, wie schön die Abbildungen sein sollten. Sonderbar. Der Saarlandmuseum-Katalog wirkt hart gefügt wie ein Klotz. Sonderbar. Dabei klar und gut aufgebaut. Und die Texte sind auch lesenswert, wenngleich sie auch gelegentlich zum Widerspruch oder zur Ergänzung reizen, aber auch deshalb sind sie ja lesenwert. So unterscheidet sich dieser Katalog von anderen Katalogen, bleibt dauerhaft eigen; nun gut.

Die Frage, die diese Ausstellung nicht zuletzt beantworten möchte, lautet: Wer war Max Slevogt? Und: Wo steht er in der europäischen Kunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Sein 150. Geburtstag war immerhin der äußere Anlass für diese Schau. Und da man sie großartig um die Werke anderer zeitgenössischer Künstler erweitert hat, geht es natürlich darum, zu zeigen, wie sich das Werk Max Slevogts in diesem größeren europäischen Umfeld zeigt, erweist und behauptet.

Gegenüber den zwei anderen bedeutenden deutschen Impressionisten Max Liebermann (1847 – 1935) und Lovis Corinth (1858 – 1925) steht Max Slevogt (1868 – 1932) eher etwas im Hintergrund. Er ist schwerer zu fassen. Sein Werk so vielfältig, auch stilistisch oft neue Wege versuchend, dass man ihn schwerer als seine beiden genannten Kollegen, auch schwerer als viele der anderen europäischen und das heißt vor allem französischen impressionistischen Maler als 'Marke' erkennen kann. Liebermann, zweifellos, ist eleganter; Corinth deftiger, auch gelegentlich derber, was man ihm oft vorwarf, seine Selbstbildnisse allerdings bis zur Dünnhäutigkeit schonungslos. So schonungslos geht Slevogt mit sich im Selbstprotrait nicht um. Seine Stärke liegt im Festhalten des äußeren Eindrucks. Beispielsweise auf dem Bild "Rosen" von 1898, das auch um diese Zeit in Paul Cassirers (1871 – 1926) Kunst-Salon ausgestellt wurde. Die Vielfalt des Slevogt'schen Werkes wird schon deutlich, wenn man die Bereiche aufzählt, in die sich sowohl die Ausstellung als auch nachfolgend der Katalog einteilen: Portraits / Zeitgenössisches Leben und Freizeit / Bühne / Orientfaszination / Literatur und Mythologie / Krieg / Stillleben / Landschaft ...

- Portraits – wie zum Beispiel das Bild von Bruno Cassirer (1911); oder das annähernde Ganzfigurenportrait "Dame in Braun" von Elsa Berna (1902); eine Studie des Sudanesenjungen Mursi und von anderen Afrikanern während seiner Reise über Süditalien und Sizilien nach Afrika (1914). - Skizzen und ein ausgeführtes großformatiges Portrait des portugiesischen Sängers Francisco D'Andrade bei Mozarts "Champagner-Arie" aus dem "Don Giovanni" (1900). - Landschaften: Ein Landhaus (1909), Wolkenstudien (1898); das besagte Bild von der Außenalster in Hamburg am Spätnachmittag (1905).

Slevogt war ein Bewunderer Édouard Manets (1832 – 1883). Dessen Bild "Rue Monier mit Fahnen" (1878) gehörte zu Slevogts Sammlung. Auf diesem Bild sieht man eine Vielzahl von Fahnen, ein offizieller Tag in Paris, eine nationalistische Feier. 1878. So viele rote Fahnen, dass man an Blut denken könnte – und an die Rache- oder Revanche-Gelüste der Franzosen für ihre Niederlage im Krieg von 1870/71, der Max Slevogt kaum gleichgültig sein konnte, war in ihm doch schon 1870 sein Vater, Hauptmann Friedrich Ritter von Slevogt, gefallen.

Auch Slevogt hat sich mit dem Thema der Fahnen beschäftigt: Sei es 1908 in den Dünen von Nordwijk, Niederlande, einem bedeutsamen Ort für die Impressionisten; sei es auf seinem Bild "Unter den Linden" (1913), auf dem deutlich die Flagge des 2. Deutschen Reiches – Schwarz-Weiß-Rot – zu erkennen ist. Daneben aber befindet sich sichtbar, deutbar, die französische Trikolore – in Form von entsprechend farbigen Reklame-Vordächern des angrenzenden Gebäudes, in dem sich das "Passage-Theater" mit weißer Schrift auf blauem Grund – und das "Linden-Cabaret" mit weißer Schrift auf rotem Untergrund. Man blickt aber leicht von oben auf diese Schilder-Vorbauten, dass man die fast weiße Oberfläche der Werbung für das "Linden-Cabaret" sieht, die sich zwischen das Blau und das Rot der eigentlichen Werbeflächen schiebt. Das ergibt also indirekt die französische Fahne. Die Fahne des 1870/71 siegreichen Deutschen Kaiserreichs scheint sich teils über den Werbevorbau zu legen (oben), teils leicht hinter ihm zurückgeweht zu sein (unten). Der Eindruck, dass die deutsche Flagge aber über oder vor der indirekten französischen hängt, sie also zu einem kleinen Teil verdeckt, aber gleichzeitig auch später hinzugekommen ist, ist der vorherrschende Eindruck. Und damit auch eine historische Abfolge der impressionistischen Malerei, die ja von Frankreich ausging. Ebenso kann man aus dieser Fahnenabfolge die eigene Malerei-Geschichte Slevogts ablesen, mit dem indirekten Verweis auf sein Vorbild Manet. - Es wäre sehr reizvoll, einmal eine Ausstellung mit Fahnen- und Flaggenbildern, vielleicht nicht nur des Impressionismus, zu initiieren. Adolph Menzel (1815 - 1905) fällt einem da natürlich ein.

FORTSETZUNG FOLGT

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