hwk soheila portrat 3402Nach zwei Jahren besuchen wir Soheila in Schlüchtern

Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Vor zwei Jahren stellten wir hier die aus dem Iran geflohene Soheila Eskanda Kamali (33) vor. Sie flüchtete aus ihrem Heimatland, weil die politischen Verhältnisse dort für sie als rebellische Frau lebensgefährlich wurden; ihre Freundin war bereits spurlos verschwunden.

In ihrer Heimat bekam Soheila eine gute Schulbildung, durfte sogar studieren, fand aber als Frau keine Arbeit in ihrem Beruf als Informatikerin und musste als Friseurin jobben. Anders als in Afghanistan oder im Maghreb (Nordafrika) können Frauen im Iran sogar studieren. Aber dennoch sind auch hier ihre beruflichen Perspektiven, ebenso wie ihre Menschenrechte, extrem eingeschränkt.

hwk soheila 4472 h„Ich muss noch einmal von vorne beginnen“, schätzte Soheila seinerzeit recht pessimistisch ihre Situation in Deutschland ein. Über ein Jahr arbeitete sie in einer Schlüchterner Kindertagesstätte in einem 1-Euro-Job. Jedoch den bereits von ihr gebuchten Kurs für den Hauptschulabschluss besuchte sie nicht mehr: Ihre iranischen Schulabschlüsse werden, entgegen ihren Befürchtungen, anerkannt. Außerdem hat sie den von Flüchtlingen so begehrten „Blaupass“ erhalten, der ihr für drei Jahre Asyl garantiert.

Neulich war sie auf ein Fest von lauter Deutschen eingeladen, die von ihr begeistert waren. „Wie toll hat die in drei Jahren Deutsch gelernt“ schwärmte eine Frau. Soheila ist mittlerweile sehr glücklich, weil sie so viel erreicht hat. Nun kann sie demnächst in Frankfurt studieren, sie möchte wieder Informatikerin werden, aber auch die Rechtswissenschaften interessieren sie. Man kann sich die kämpferische Frau gut als Anwältin vorstellen, die sich für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung engagieren wird.

Seit April fährt sie jeden Tag nach Frankfurt zu einem anspruchsvollen Deutsch-Kurs in der Uni. Deutsche Sprache für Fortgeschrittene (siehe Infoteil) wird hier nicht im Frontalunterricht gelehrt, sondern durch Vorträge und Präsentationen der Lernenden. Die können sich die Themen selbst suchen, Soheila referierte neulich über unterschiedliche Kulturen im Vergleich, danach beschäftigte sie sich mit einer Gesundheitsdiät für Frauen.

Für das Studium der Informatik und Mathematik hat sie vor kurzem die Aufnahmeprüfung an der Frankfurter Uni geschafft. „Sie haben nur 70 von 400 Bewerbern genommen“, strahlt sie. Aber sie kann das Studium erst im nächsten Frühjahr aufnehmen, wenn sie bis dahin einen der höchsten Sprachkurse, den C1, absolviert hat. Dadurch erlangt sie dann auch das unbegrenzte Recht auf Asyl. Da sie so gerne recht bald lernen und wissenschaftlich arbeiten möchte, bewarb sie sich ebenfalls bei den Juristen. Mit ihrem voraussichtlichen B2-Abschluss im August könnte sie bei denen bereits im Wintersemester mit dem Studium beginnen.

hwk soheila 3405Neulich war wieder einmal Soheilas Freund aus dem Iran zu Besuch und feierte mit ihr seinen 30. Geburtstag. Mittlerweile hat sich der Teheraner Restaurantbesitzer entschlossen, hier in Deutschland mit seiner Freundin zu leben. In Frankfurt will ihn ein persisches Restaurant als Koch anstellen, um dort anzufangen kann er, wie Ärzte oder Ingenieure, ein langfristiges Arbeits-Visum erhalten. Die entsprechenden Anträge hat Bardia bei den Behörden eingereicht.

In der Zwischenzeit geht Soheila mit deutschen Freundinnen auf Pulse-of-Europe-Demos in Fulda, lässt blaue Luftballons aufsteigen und ruft: „Ich bin eine iranische Europäerin!“ Recht hat sie...


Fotos: Soheila feiert mit Bardia seinen 30. Geburtstag (im Fuldaer Museums-Café 2017)

Soheila auf dem Rasen: Temperamentvoll wie eine Italienerin - ironisch macht Soheila deutlich, dass sie zum Beten nicht auf dem Boden herumkriechen muss (2015)

Porträt (2017) - Soheila ist glücklich, sie hat viel erreicht in den letzten zwei Jahren alle Fotos © Hanswerner Kruse

Info:

Sprachkurse

Ein „Referenzrahmen“ definiert alle europäischen Sprachtests in sechs Schwierigkeitsstufen von A1, A2, B1, B2, C1 bis C2:

Bei A wird die elementare Sprachverwendung geprüft.

B1 fordert die Standardsprache zur Bewältigung der meisten Situationen, das Berichten über Ereignisse / Erlebnisse. B2 verlangt das Verständnis von komplexen Texten, auch zu abstrakten Themen. Ein anspruchsvolles Gespräch mit Muttersprachlern soll möglich sein.

Bei C1 kann die Sprache im gesellschaftlichen und beruflichen Leben bzw. in Ausbildung und Studium flexibel gebraucht werden. Die C2-Prüfung setzt müheloses Verstehen und gehobene Sprachverwendung voraus.