deniz almasEin Kommentar in der  DOSB-Presse des Deutschen Olympischen Sportbundes 

Ulrike Spitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - „Für mich war das eigentlich das Beste, was passieren konnte.“ Dieser Satz stammt von Deniz Almas, dem Deutschen Meister 2020 im 100-Meter-Lauf. Und er meint damit speziell die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio und ganz generell die Situation während der Corona-Pandemie. Auffallend viele Athlet*innen haben in den ersten Tagen des so ganz langsam anlaufenden Wettkampfbetriebes, ähnlich wie Almas, ihre Situation äußerst positiv dargestellt.

Alle waren natürlich zunächst schockiert vom Lockdown und den verlegten Spielen und drohten in ein Motivationsloch zu fallen, aber bei vielen war ein Plan B schnell zur Hand. Lisa-Marie Kwayie, die Deutsche Meisterin auf der gleichen Strecke, sagt, sie habe dafür etwa eine Woche gebraucht. Danach hat sie sich die Argumente ihres Trainers zu eigen gemacht und nutzt 2020 als gewonnenes Jahr zur Verfeinerung der Technik und Intensivierung von speziellen Trainingsinhalten in Richtung 2021. Ganz ohne Druck.

Die einen hatten plötzlich Zeit, mehr barfuß auf dem Rasen zu laufen und damit die Fußmuskulatur und den Bänderapparat zu stärken, die anderen haben nach der Schließung der Hallen und Stadien ihr Training eben einfach auf einem Feldweg oder ähnlichem weitergeführt. Besonders kreative Köpfe entwarfen neue Trainingsgeräte oder passten diese den Gegebenheiten des eigenen Zuhauses an. Die Stabhochsprunganlage im heimischen Garten nicht ausgeschlossen.

Den Schalter umlegen können, das war und ist das Geheimnis der Stunde. Also nicht lange jammern, sondern die Situation so schnell wie möglich als Chance begreifen. Gerade in der Leichtathletik rund um die Deutsche Meisterschaft haben viele Athlet*innen berichtet, dass ihnen das sehr gut gelungen ist. Auch aus anderen Sportarten hat man viele Stimmen derer gehört, die sich einfach arrangiert haben mit der nun mal plötzlich vorhandenen Lage, auch wenn es für alle eine nie dagewesene und unsichere Zeit bleibt.

Aber umso mehr wird nun das geschätzt, was man wieder machen kann: Von ausgelassener Stimmung nach dem ersten „echten“ Training war die Rede in einem Hockeyclub, jede*r habe sich unglaublich gefreut, nach vielen Monaten wieder einen Schläger in der Hand zu halten und zusammen zu spielen. So mag es vielen Sportler*innen auch in den Vereinen bis hinunter an die Basis des Breitensports gegangen sein. Bisher haben, so ist zu hören, doch viele Mitglieder ihren Clubs die Treue gehalten – die leise Hoffnung wäre, dass das in vielen Vereinen doch so bleibt.

Gemeinsam eine schwierige Zeit durchzustehen ist ja auch etwas, was man von klein auf lernt im Sport: Durststrecken überwinden, durch- und vor allem zusammenhalten, auch wenn es schwierig wird. Und sich umso mehr freuen, wenn der Tiefpunkt überwunden ist. Viele Sportler*innen in Spitze und Breite haben diese Haltung in den vergangenen Tagen und Wochen vorbildlich gelebt. Und einen, der sich bereits im sportlichen Ruhestand befindet, hätte die schwierige Zeit sogar fast noch einmal zurück ans Reck gebracht: Olympiasieger Fabian Hambüchen hatte die Verschiebung der Olympischen Spiele mit der Aussicht auf eineinhalb Jahre Vorbereitungszeit fast wieder dazu verlockt, es noch einmal zu probieren. Er hat sich dann dagegen entschieden. Aber es ist typisch für einen Sportler, erst mal die Chance zu sehen und nicht nur das Problem. 

Foto:
Deniz Almas
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