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Kategorie: Lust und Leben
gesprach der wocheKundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, 21. 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Dr. Christine Falk (im Foto), ist Expertin für Immunschutz – und wenig besorgt darüber, dass sich bereits Geimpfte doch noch mit dem Coronavirus infizieren können. Im Interview mit WELT erklärt sie, warum sogenannte High-Responder und Low-Responder relativ gut geschützt sind – und sich wenig Sorgen um ihre Antikörperwerte machen brauchen.

WELT: Frau Dr. Falk, rund 60 Prozent der Deutschen haben nun mindestens eine Corona-Impfung bekommen. Das heißt aber nicht, dass bei diesen Menschen der Immunschutz aktiviert und zugleich hoch ist. Warum bleibt bei einigen die Immunantwort nach einer Corona-Impfung aus?

Falk: Bei den „Normalpersonen“, wie wir sie in der Immunologie nennen, bleibt die Immunantwort nicht aus. „Normalpersonen" sind diejenigen, die nicht regelmäßig Medikamente einnehmen, und in der Regel gesund sind. Seit wir Immunreaktionen messen, wissen wir, dass es sogenannte High-Responder und Low-Responder gibt. Es treten also graduelle Unterschiede auf und das Immunsystem verfügt über eine Art natürliche „Laune", mit der es unterschiedlich stark auf eine Impfung reagiert. Diejenigen, die wirklich gute Immunantworten ausmachen – und zwar bei allen Impfstoff-Typen – sind bei der aktuellen Covid-Impfung die Regel und nicht die Ausnahme. Auch Personen, die erst eine einzige Impfung erhalten haben, fangen bereits an, eine gute T-Zell- und Antikörperantwort zu bilden. Bei der zweiten Impfung verbessern sich dann die Antikörper noch einmal deutlich. Und es wird ein immunologisches Gedächtnis bei den T-Zellen und B-Zellen erstellt, die für die Antikörper zuständig sind.


WELT: Welche Personengruppen neigen am ehesten dazu, keinen beziehungsweise einen schlechteren Immunschutz aufzubauen?

Falk: Das sind drei Gruppen mit Personen, die generell schlechtere Immunantworten hervorbringen, weil sie medikamentös behandelt werden. Betroffen sind zum Beispiel Krebspatienten, die eine Therapie bekommen, in der die B-Zellen aus dem Blut entfernt werden. Das ist etwa der Fall, wenn jemand einen Tumor aus der B-Zell-Reihe hat. Es ist wie ‚Keine Arme, keine Schokolade‘: Ohne B-Zellen keine Antikörper. Dann gibt es Menschen mit Autoimmunerkrankungen, bei denen ebenfalls die B-Zellen entfernt wurden. Diese immunsupprimierten Patienten können zwar keine Antikörper bilden, aber trotzdem noch eine T-Zellen-Antwort. Transplantationspatienten haben ebenfalls ein unterdrücktes Immunsystem und können keine guten Immunantworten erzeugen. Bei diesen Menschen wirkt das normale Impf-Schema nicht und um die müssen wir uns natürlich kümmern.


WELT: Bedeutet das, dass alle, die nicht in diese drei Gruppen fallen, sich keine Sorgen um ihre Immunantwort machen müssen?

Falk: Im Grunde genommen ja. Sie können alle spezifische Antikörper und T-Zellen bilden, aber wie gesagt mit graduellen Unterschieden. Das Spike-Protein ist ziemlich groß, an ihm haben viele Antikörper Platz. Ich vergleiche das Spike-Protein gerne mit einem Schnappschlüssel von alten Autos. Es hat einen kleinen Abschnitt, den es ausklappt und sich damit an die Zellen im Nasen-Rachenraum andockt, sodass das Virus dann eindringen kann. Wenn man nun viele Antikörper hat, ist es etwa so, als wenn man den Autoschlüssel mit einem Kaugummi umklebt. Dann passt der Schlüssel nicht mehr ins Schloss. Das ist auch das Prinzip bei der Antikörper-Antwort: Sie kleben sich außen um das Spike-Protein und schützen dadurch vor einer Virusinfektion. Bei der Delta-Variante binden aber manche Antikörper nicht mehr so richtig gut. Bei High-Respondern binden beispielsweise nur noch 80 Prozent der Antikörper, aber immerhin noch diese 80. Bei einem Low-Responder, der vielleicht von vornherein weniger Antikörper hatte, binden dann nur noch 30 Prozent der Antikörper, dieser Mensch wäre dann nicht so gut geschützt. Das bedeutet, dass sich auch Geimpfte infizieren können – aber sie haben in der Regel einen leichten Verlauf, weil die T-Zellen immer aktiv sind. Diese Personen müssen auch normalerweise nicht ins Krankenhaus. Darum beunruhigt es mich gar nicht, dass sich auch Geimpfte infizieren können.


WELT: Wenn nach der Impfung die Nebenwirkungen ausbleiben, jemand also kein Kopfweh, Müdigkeit oder ähnliches verspürt, sind das valide Anzeichen dafür, dass das Immunsystem dann nicht anspringt?

Falk: Das fragen sich viele Menschen. Die Nebenwirkungen sind ganz individuell und haben damit nichts zu tun. Es gibt Menschen, bei denen arbeitet das Immunsystem total unauffällig und dennoch sind sie bestens geschützt. Man muss sich also keine Sorgen machen. Andere wiederum haben heftige Reaktionen mit Schüttelfrost oder Kopfweh und haben dennoch insgesamt eine schwächere Immunantwort. Aber sie haben eine.


WELT: Welche Rolle spielen die Antikörperwerte für mögliche Auffrisch-Impfungen?

Falk: Bei den „Normalpersonen" muss jetzt noch nicht nachgeimpft werden. Die Immunantworten sind sehr effektiv und man kann davon ausgehen, dass sie länger als ein halbes Jahr anhalten. Wir müssen aber auf das Infektionsgeschehen achten: Ich plädiere dafür, dass wir die Inzidenzen beibehalten. Sie sagen uns, ob und wenn ja wo das Virus zirkuliert. Das wird für mögliche neue Mutationen interessant und könnte auch nutzen, um zum Beispiel in bestimmten Regionen Auffrisch-Impfungen in Betracht zu ziehen. Das halte ich derzeit noch nicht für notwendig, aber wir dürfen dem Virus nicht über den Weg trauen. Mir ist es hier auch wichtig, einer häufigen Argumentation zu widersprechen: Da wird es manchmal so dargestellt, als könnten aggressivere Mutationen hochkommen, wenn wir zu viel impfen. Das glaube ich nicht. Das Spike-Protein ist so groß, dass sich unterschiedliche Antikörper daran binden können, sogar an verschiedenen Stellen. Dieses Spike-Protein kann sich aus meiner Sicht gar nicht so verändern, dass es von unserer Impfantwort nicht mehr erkannt wird. Dann würde es sich so stark verändern, dass es gar nicht mehr in die Zelle kommt. Das wäre für uns das beste, weil es nicht mehr infektiös wäre. Aber diesen Gefallen wird uns das Virus nicht tun.


DER BLICK AUF DIE ANDEREN

Blick auf die andren
Die Corona-Lage auf den Balearen verschärft sich: Die Inselgruppe mit Mallorca als liebstem Urlaubsziel der Deutschen hat in den vergangenen Tagen so viele Neuinfektionen innerhalb eines Tages verzeichnet wie noch nie seit Ausbruch der Pandemie. Für Freitag wurden binnen 24 Stunden 864 Ansteckungen erfasst, so die Gesundheitsbehörde in Palma. Am Donnerstag waren es noch 795 Fälle. Der bisher höchste Wert wurde am 19. Januar mit 776 registriert. Die Region mit knapp 1,2 Millionen Einwohnern hatte im Winter bezogen auf die Bevölkerungszahl zeitweilig die höchsten Werte ganz Spaniens – und das, obwohl zu der Zeit der Tourismus relativ still lag.

Nun, mit mehr und vor allem wechselnden Urlaubern, steigt die Ansteckungsgefahr: Die 7-Tage-Inzidenz für die Balearen kletterte auf 241,3 Fälle pro 100.000 Einwohner. Da auch die Inzidenz in Spanien deutlich über 200 liegt, könnte das Land bald zum Hochinzidenzgebiet erklärt werden – was eine Quarantäne für ungeimpfte Urlauber bedeuten würde. Die Bundesregierung hat ganz Spanien bereits am vergangenen Sonntag als Risikogebiet eingestuft. Urlauber können aber trotzdem noch relativ unkompliziert einreisen. Aber: Spanien-Rückkehrer müssen eine digitale Einreiseanmeldung vornehmen. Zudem bringt die Einstufung als Risikogebiet eine Quarantänepflicht mit sich: Diese kann jedoch durch ein negatives Testergebnis beziehungsweise einen Genesenen- oder Impfnachweis umgangen werden.

Die Regionalregierung der Balearen betonte: Obwohl die Infektionszahlen steigen, sei „die Situation in den Krankenhäusern unter Kontrolle“. Etwa 30 Corona-Patienten lagen auf den vier Inseln auf Intensivstationen. Insgesamt hat die Inselgruppe rund 200 Intensivbetten – und weitere für Corona-Patienten, die keine Intensivbehandlung mehr benötigen.


DER LICHTBLICK
der lichtblickEs wäre ein riesiger Durchbruch, wenn Antikörper-Sprays wirksam vor Corona-Infektionen schützen könnten: Das erste Anti-Corona-Nasenspray mit Antikörpern, die aus Kuhmilch gewonnen wurden, ist nun auf dem Markt. Der Gedanke, vor dem Besuch eines Konzerts per Nasenspray-Sprühstoß seinen Corona-Schutz zu verbessern, klingt verlockend. Doch wie funktionieren die Nasensprays genau? Und vor allem: Wie wirksam sind sie? Norbert Lossau aus der WELT-Wissensredaktion hat die Antworten.

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Quelle Anja Frick
Quelle: Getty Images/Martin Leigh, Getty Images/Alan Hopps
Quelle: Clara Margais/dpa