Bildschirmfoto 2021 10 31 um 22.31.03DAS JÜDISCHE LOGBUCH von Yves Kugelmann, Oktober II

Yves Kugelmann

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Vieles ist noch anders, doch der Geist der Frankfurter Buchmesse ist wieder da. Mit weniger Ausstellern, weniger Besuchern, mehr Zeit, mehr vertiefenden Gesprächen, mehr Entspanntheit, Zuversicht und sprühender Energie. Die Messe ist Gradmesser immer schon gewesen für politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen. In diesem Jahr ist sie es für die post-pandemische Ära.

Und so sind die Programme weit über den deutschen Buchmarkt gerade in den internationalen Hallen besonders spannend, vielfältig und kontrastreich. Wie schon seit Jahren allerdings macht die Präsenz von Verlagen mit rechtsextremen Inhalten Schlagzeilen und weniger die Inhalte, Debatten, Autorinnen und Autoren oder Bücher schlechthin.

Autorin Jasmina Kuhnke sagte aus Protest gegen die Anwesenheit rechter Verlage ihre Präsenz ab. Ob dies allerdings klare Haltung oder eher fragwürdig ist, wird gerade diskutiert. Vermutlich ist es die Kapitulation vor dem wichtigen Diskurs und dem Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat. Dieser setzt den Rahmen, in dem sich eine offene Gesellschaft frei entfalten kann und muss – so schmerzhaft dies sein mag.

Die offene Gesellschaft ist keine Wellnessoase, sondern mitunter waffenlose Kampfzone um das bessere, richtigere und letztlich intelligentere Argument. Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung allerdings erhalten ohne Widerspruch bei der Absenz von Kritikerinnen und Kritikern nicht das bessere Gegenargument, sondern einen Freipass. Die Cancel Culture hat grossen Anteil an der Förderung eines ethischen Bewusstseins, allerdings mit den falschen Mitteln. Denn in der offenen Gesellschaft, der Demokratie und aufgeklärten Gegenwart geht es um Partizipation. Abwesenheit ist keine Antwort – schon gar nicht an einer Buchmesse.

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©tachles
 
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 22. Oktober  2021
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.