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Kategorie: Lust und Leben
nehammerKundenservice der WELT zu Corona vom letzten Freitag, Serie: 30. 2

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - In dieser Woche hat die WELT-Chefreporterin Anna Schneider mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP, im Foto) gesprochen – unter anderem über die österreichische Corona-Politik, die Maskenpflicht und darüber, ob bei unseren Nachbarn die Einführung einer Impfpflicht schon gescheitert ist.

WELT: War es angesichts steigender Infektionszahlen sinnvoll, dass die Corona-Maßnahmen in Österreich Anfang März beendet wurden?

Nehammer: Es ist ein Unterschied, ob man etwas ex post betrachtet oder ob man etwas in Echtzeit entscheiden muss. Natürlich gibt es immer ein Risiko bei diesen Entscheidungen, es gibt keinen Experten, der eine definitive Antwort oder Prognose geben kann. Früher waren wir bei unseren Entscheidungen noch sehr viel dogmatischer, doch in den zwei Jahren Pandemie haben wir eben genau das gelernt: Dass das Virus brutal flexibel ist – und wir müssen genauso flexibel drauf reagieren. Auch wenn demokratische Entscheidungsprozesse oft lange dauern. Aber das soll keine Ausrede sein, wir haben auch Fehler gemacht.


WELT: Was war rückblickend der größte Fehler der österreichischen Corona-Politik?

Nehammer: Zu glauben, das Virus berechnen zu können, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin ein Stück weit demütig geworden in der Frage, was Menschen überhaupt gegen ein Virus ausrichten können. Es war etwa eine Fehleinschätzung, nach dem ersten Lockdown zu glauben, dass wir das Virus überwunden hätten.


WELT: Ist die österreichische Corona-Impfpflicht gescheitert?

Nehammer: Nein. Man muss genau hinsehen, wie wir sie beschlossen haben. Die Maßnahme und ihr Beschluss sind in der Zeit der Delta-Variante entstanden. Aufgrund der Gefährlichkeit der Delta-Variante war klar: Wenn wir keine ausreichend hohe Impfquote erreichen, stehen uns ständig Lockdowns bevor. Klar ist allerdings auch, dass es sich bei der Impfpflicht um einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht handelt – das verordnet man nicht leichtfertig. Nun ist in diesem Gesetz die Möglichkeit eingebaut, die Impfpflicht scharf zu stellen – oder eben nicht. Und wenn – wie jetzt – weder die Normalstationen noch die Intensivbetten in Krankenhäusern überlastet sind und zudem die kritische Infrastruktur in ihrer Gesamtheit nicht so gefährdet ist, wie es etwa im November vergangenen Jahres der Fall war, dann ist die Impfpflicht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zulässig. Es handelt sich also nicht um ein Zurückrudern – diese Möglichkeit des Aussetzens war immer Teil der Konstruktion.


WELT: Deutschland diskutiert momentan noch über die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht, wie sie in Österreich bereits gilt. Was kann man an dieser Stelle von Österreich lernen?

Nehammer: Das Entscheidende ist ein breiter Konsens. Das Impfpflichtgesetz wurde im österreichischen Parlament mit 80-prozentiger Zustimmung beschlossen. Die zweite Herausforderung ist die Akzeptanz in der Gesellschaft. Die Geimpften gegen die Ungeimpften – diese Polarisierung ist für die Demokratie gefährlich. Das ist das Wichtigste, das ich aus dieser Zeit mitgenommen habe.

WELT: Die Maskenpflicht in Innenräumen kehrt in Österreich zurück – werden weitere Maßnahmen folgen?

Nehammer: Es wäre vermessen, das auszuschließen. Dann hätten wir aus zwei Jahren Pandemie nichts gelernt.


Das gesamte Interview mit Kanzler Nehammer, in dem es auch um Nicht-Corona-Themen ging, finden Sie auf welt.de.


der blickderDER BLICK AUF DIE ANDEREN

Wissen Sie auf Anhieb, wo die Komoren liegen, also die Inselgruppe? Sie gehört zu Afrika und befindet sich im Indischen Ozean zwischen Mosambik und Madagaskar. Und nirgendwo wird eine bestehende Corona-Impfpflicht so streng umgesetzt, wie dort – und das, obwohl auf den Inseln weniger als eine Million Einwohner leben. „Auf den Komoren in Ostafrika werden Ungeimpfte von der Polizei zur Immunisierung gegen das Coronavirus gebracht", berichtet unser Korrespondent Christian Putsch. Außerdem gibt es zahlreiche Kontrollen.

Seit Dezember gilt die Impfpflicht, erlassen per Dekret. Laut Angaben der lokalen Behörden sind etwa 67 Prozent der Erwachsenen auf den Komoren inzwischen gegen Corona geimpft. Das entspricht allerdings nur 36 Prozent der Gesamtbevölkerung. In Afrika ist das trotzdem ein Spitzenwert: Die durchschnittliche Impfquote auf dem Kontinent liegt bei elf Prozent. „Für die Regierung der Komoren heiligt dabei der Zweck die Mittel", schreibt Autor Putsch. Warum, das erklärt er in seiner ausführlichen Reportage auf welt.de.



DER LICHTBLICK 

„Der Gipfel der Welle ist wahrscheinlich erreicht." Oder in anderen Worten: Der Höhepunkt der aktuellen Corona-Infektionswelle. Das schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem aktuellen Wochenbericht. Der weitere Pandemieverlauf hänge aber nach wie vor davon ab, ob sich größere Teile der Bevölkerung auch bei Lockerungen umsichtig und rücksichtsvoll verhielten. Eine Rolle spiele auch der Umfang, in dem Kontakte zunehmen. Der „Infektionsdruck" bleibe hoch. Mehr Informationen dazu finden Sie auf welt.de.

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