yaffo pinterstDAS JÜDISCHE LOGBUCH, noch im Juli

Yves Kugelmann

Yaffo (Weltexpresso) -  Schlomi hiess früher Selim, als er mit seiner Familie im Schuck von Damaskus sechs Geschäfte führte und Geschirr, Instrumente oder Souvenirs verkaufte. Vor 25 Jahren wanderte er über Brooklyn nach Israel aus und betreibt jetzt mit seiner Familie vier Geschäfte im Markt im alten Tel Aviver Yaffo neben Antiquitätenhändlern und Restaurants. Sein Bruder führt das Geschäft neben ihm, sein Sohn arbeitet mit ihm. Zuhause spricht er immer noch arabisch.

Seine Eltern liegen in Damaskus begraben. Eine Rückkehr zu Besuch war nicht möglich, aber Sehnsuchtswunsch. Schlomi würde gerne seine Geschäfte besuchen, das Haus der Familie, in dem er alles zurückgelassen hat. Viele dieser Händler sprechen miteinander arabisch. Inzwischen seien fast alles jüdische Araber aus Syrien, Iran, Irak. Die muslimisch-arabischen Händler seien herausgekauft worden.

Israeli haben für überhöhte Preise Immobilien und Geschäfte übernommen. Und auf einmal verschwimmen Begriffe wie jüdische Araber und arabische Israeli, Herkünfte und Religionen. An diesem frühen Morgen sind noch wenige Menschen im Markt. Schlomi ist ein zurückhaltender Verkäufer und führt gute Ware aus Israel, Marokko und anderen arabischen Ländern im Sortiment. Nicht aufdringlich. Mit jedem nächsten Kunden offeriert er ein wenig alte syrische und neue israelische Heimat.

Es ist ein arabischer Feiertag. Tausende von Muslimen sind an diesem Abend an der Strandpromenade von Yaffo. Viele aus der Westbank. Die Israeli sollen die Grenzen für die Menschen in der Westbank geöffnet haben an diesem Tag. Oded sitzt am Tisch beim Abendessen. Seine Familie stammt aus Irak. Sie ist 1951 nach Israel emigriert. Heute lebt er in Petah Tikva. Seine Eltern sprachen arabisch, mit dem er aufgewachsen ist. Amüsiert blickt er vom Tisch aus auf die Völkerwanderung mit Grilladen, spielenden Kindern und Feiern neben ihm am auf der Promenade. Juden und Muslime sind im Süden Tel Avivs vereint und doch getrennt. Anders als früher – und zugleich mit Perspektive für eine gemeinsame Zukunft.

Zwei Tage später fährt Assaf in Berlin das Taxi. Ein würdiger Mann von bald 70 Jahren. Er spricht ein gutes leicht gebrochenes Deutsch und sitzt da in einem weißen Gewand. Es ist eine lange Fahrt von Berlin Pankow in den tiefen Westen. «Woher kommen Sie?» «Haifa. Dort bin ich geboren. Aufgewachsen in Betlehem.» Assaf ist vor 21 Jahren nach Berlin gekommen, hat zwei Kinder und spricht von einem Israel der Nostalgie und vielleicht doch der Zukunft? Das Haus der Familie in Haifa wird inzwischen von Israeli bewohnt. Die Schlüssel habe er noch. Er spricht ohne Gram, ohne Kritik und immer mit der Sehnsucht nach dem Israel seiner Jugend. Berlin liebt er. Doch wenn er aufhört zu arbeiten, möchte er zurück nach Betlehem.

Das ist die Restgeschichte des 20. Jahrhunderts. Menschen leben in der gewählten oder aufgezwungenen Emigration mit Schlüsseln ihrer Häuser in der Tasche und Erinnerungen an die Heimat im Herzen. Jeden Tag kehren sie ein wenig mehr dahin zurück.

Foto:
Yaffo
©pinterest.com

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 15. Juli 2022
Yves Kugelmann ist Chefredaktor der JM Jüdischen Medien AG.