infobox 1 171Die wieder auf der ‚Ambiente‘ verliehenen Plagiarius-Preise weisen durchweg Plagiate aus dem Reich der Mitte aus, aber aus Deutschland kommen sie auch

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Volksscharen, chinesische, deutsche, oder welche auch immer, sind schon weiter als sie zu wissen meinen, verhalten sich aber noch entgegengesetzt. Heutige Produktpiraten sehen sich anscheinend als schwer benachteiligte Mängelwesen, sind aber schon keine mehr. Sie könnten es besser. Aber sie sind auch kriminell.

Ein bestimmtes Prozent leidet offenbar an einem Selbstmissverständnis. Denn schon ein etwas mehr an Gehirn könnte es vor üblem Ruf bewahren. Allein wirtschaftliche Motive können in den Wissensgesellschaften für die Produktpiraterie nicht mehr gelten gelassen werden. Und um einen Sport handelt es sich schon gar nicht.

Da wir bereits zum dritten Mal – soweit die Erinnerung trägt - über die Verleihung des Plagiarius schreiben, sich aber keine Verhaltensänderung am Horizont abzeichnet, fühlen wir uns leider zunehmend etwas genervt am Platz, über derartige Verhältnisse zu berichten, es sei denn im knappen Verfahren mit etlichen Anspielungen.

Wiederholungen tun dem Geist nicht gut. Es sei denn, wir würden das Angesprochene immer wieder auf die Schippe nehmen, was in Grenzen versucht wird. Zumindest aber vertreten wir noch ungehindert den aufgeklärten Journalismus, währenddessen er in manchen Ländern unter der Fuchtel autoritärer Herrschaftscliquen niedergehalten wird, die nun die Menschheit gar nicht braucht.

Wir fordern die Täter und ihre Oberherren auf, sich endlich mal was Besseres einfallen zu lassen. Als Sechziger erinnern uns wir noch an die blaue Einheitskleidung chinesischer Arbeiter und die entsprechenden der Roten Garden (der Kulturrevolution), während der Herrschaftszeiten Maos; können einfach nicht mehr glauben, dass das besinnungs- und rücksichtslose Abkupfern und schlechte Imitieren noch zur akzeptablen Geschäftspraxis aufgestiegener Länder gehören soll. Plagiieren findet jedoch überall statt, auch in Deutschland von Deutschen.

Am Ambiente-Freitag vorgestellt

Trotz allen Lamentos ist der wirtschaftliche Schaden immer wieder ein bewegendes Thema. Nach einem von Prof. Dr. h.c. Arndt Sinn am Tag der Verleihung zitierten früheren Bericht des Ausschusses für Außenwirtschaftsbeziehungen des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 1985 wurde der weltweite Schaden durch Produkt- und Markenpiraterie schon damals „auf 500 Mrd. US-Dollar beziffert“; während damit ein Verlust von ca. 100.000 Arbeitsplätzen einherging.

„Auf die heutige Situation bezogen könnte dies heißen, dass allein in Deutschland 70.000 bis 80.000 Arbeitsplätze mehr zur Verfügung stünden, würde es die Produkt- und Markenpiraterie nicht geben. Für den EU-Raum erleiden nach aktuellen Schätzungen Europols die Unternehmen heute im Bereich gefälschter Kleidung Umsatzeinbußen in Höhe von 43,3 Mrd. Euro. Den Staatshaushalten fehlen dementsprechend ca. 8 Mrd. Euro Einnahmen und 518.281 Arbeitsplätze gingen verloren“.

Einen hohen Anteil von fast einem Drittel am Schaden hat der Maschinen- und Anlagenbau. „Der jüngste Bericht des Verbandes deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) schildert, dass 71 % der Im VDMA organisierten Unternehmen von Produkt- oder Markenpiraterie betroffen sind. Der geschätzte Schaden [...] wird auf 7,3 Mrd. Euro jährlich angegeben“. „Es wird davon ausgegangen“, dass ein derartiger Umsatzverlust in der Branche, „knapp 33.000 Arbeitsplätzen entsprechen würde“. Aufschlussreich ist hierzu „die Aussage des VDMA zur ‚‘Produktpiraterie Made in Germany‘“: „Im Bereich des Maschinen- und Anlagensektors liege Deutschland mit 10% als Herkunftsland auf Platz 2 hinter der Volksrepublik China“.

Viele der schlechten Kopien gehen durch die Lappen

Die Zollverwaltungen können „nur in 2-5% der Einfuhren eine wirkliche ‚Beschau‘ vornehmen“. Das Entdeckungsrisiko ist also gering. Aufgriffe haben zwar zugenommen, aber das das dürfte „auf die gestiegenen Mengen transportierter Postsendungen zurückzuführen sein“. Mittlerweile wird zivilisationsgemäß längst auch der Vertriebsweg über Online-Stores genutzt. „Anlässlich der Operation IOS VII wurden im Jahr 2016 [...] 4500 Domains gesperrt“. – „Das Internet ist ein wichtiger Kanal für E-Commerce geworden, und Fälscher nutzen zunehmend das World Wide Web, um ahnungslose Verbraucher zu täuschen [...]“; die illegalen Webshops nutzen selbstverständlich auch digitale Zahlungssysteme.

„Es gibt aber auch Verbraucher, die bewusst Plagiate erwerben und durch ihre Nachfrage das Angebot stärken“. Das hat zur Folge, dass die kriminellen Akteure das Urheberrecht verletzen, ihre Tätigkeit verschleiern und nicht reinvestieren, wie es das ehrbare Gewerbe verlangt, während auch Staaten und Gesellschaften nicht von den Einnahmen profitieren. Nun gibt es nicht erst seit kurzem auch Bezüge zum organisierten Terrorismus. So verlegt sich die Hezbollah zwecks Finanzierung ihres Mordgeschäfts mehr auf Fälschungsaktivitäten, „da diese als weniger kontraproduktiv zu ihren Werten gelten; und Al-Qaida empfiehlt [...] den Handel mit gefälschten Produkten [...]“.

Preise als negative Würdigung der Täter

Die Preise werden durch Verleihung des düsteren Zwergs Plagiarius, dem mit der Goldenen Nase, repräsentiert und verkörpert. Keine der betroffenen, in schlechter Praxis nachahmenden Firmen kommen je zu einer Preisverleihung. Die, die den Schaden haben, bekommen den Plagiarius überreicht, der ob der Hochwertigkeit ihres Original-Produkts zur Auszeichnung in einem Wettbewerb der etwas anderen Art wird. Der Wettbewerb 2019 verzeichnet einen Preis 1 bis 3, sechs gleichrangige „Auszeichnungen“ und einen als Hyänen-Preis benannten „Sonderpreis“.

Drei Beispiele als exemplarisch genommen

1 artikel 1 1411Den Platz 2 nimmt der Spielzeugbagger ‚Liebherr Radlader‘ von BRUDER, Fürth, Deutschland, ein. Der deutsche Vertreiber des Plagiats Unternehmen ‚Hengheng Toys Factory‘, Shantou, VR China, hat eine Unterlassungserklärung unterschrieben und Schadenersatz gezahlt, was nicht oft geschieht. Das Original zeichnet sich durch eine fein durchgestaltete Komponententechnik aus, das Plagiat weist hingegen eine schlechte Verarbeitung (mit instabilen, losen Kleinteilen) auf und spiegelt eine minderwertige Qualität wider, wie der Kommentar verzeichnet. Das Original kostet 45 Euro, das Plagiat ist für 10 Euro zu haben. Die Großmutter hatte es für ihren Enkel erstanden. Der Vater frug gleich: „Wo hast Du den Radlader gekauft?“ So flog der Betrug auf.

Eine von den sechs gleichrangigen „Auszeichnungen“ betrifft die 'Elektrische Kühlmittelpumpe „CWA 200“', im Original von MS Motorservice International, Neuenstadt, Deutschland. Das vorgeordnete Unternehmen Rheinmetall Automotive „hat den Plagiator [...] erfolgreich wegen Patentverletzung und sklavischer Nachahmung verklagt". Erschreckend ist auch, dass das Plagiat „leistungsschwach“ ist (mit nur 2 statt 7cbm förderbares Volumen pro Rechnungseinheit) und dass das fragwürdige Teil keine Sicherheitskomponente hat; kommt es zum Notlaufgeschehen, dann überhitzt der Motor, kann durchschmoren und „es kann zu schwerwiegenden Folgeschäden kommen“. Das Plagiat stammt von Zhejiang Hongchen Auto Parts, Zhejiang, China.

Nicht alle öffentlich gemachten Plagiate können an dieser Stelle vertreten sein. Den „Hyänen-Preis“ gibt es für den 'Bewegungsmelder „IS 1“' von Steinel GmbH, Herzebrok-Clarholz, Deutschland. Der Knaller ist nun, dass der Melder, der 2006 auf den Markt kam, 19 Mal von diversen chinesischen Firmen plagiiert wurde, „teils in billigster Qualität“. Der Vertrieb verteilt sich auf unterschiedliche Länder wie Polen, Spanien, Litauen, Portugal, Deutschland, Dänemark, Niederlande, Tschechien, Ungarn, Großbritannien, Österreich und Türkei. In der Laudatio wurde verlautet, der Bewegungsmelder sei förmlich eingekesselt von Plagiaten. So kann es Produkten gehen, die eine enorme Verbreitung haben. Nachgemacht wird „ohne Hintergrund“, „mit kaum Forschung“ für das Werkstück.
Die Preisträger 2018 und 2019 werden im Rahmen der Sonderschau „Plagiarius“ vom 08.-12. Februar 2019 im Foyer 5.1/6.1 der Messe Ambiente Frankfurt ausgestellt.

Fotos:

"Aktion Plagiarius e.V."
1. Schrägsitzventil „Typ 2000“ (1. Preis)
2. Spielzeugbagger „Liebherr Radlader“ (2. Preis)

links Original - rechts Plagiat / Fälschung

https://www.plagiarius.com/index.php?ID=52