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Kategorie: Messe & Märkte
kpm Briefmarke der Deutschen Bundespost im Wert von 10 Pfennig„Denn bei der Post geht’s nicht so schnell...“

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Mai (Weltexpresso) – Das Porto steigt, die Gewinne ebenfalls, lediglich die Qualität der Leistungen sinkt kontinuierlich.

Derzeit wird sogar die Reduktion der Briefzustellung von bislang sechs auf fünf Tage in der Woche ernsthaft erwogen. Freude ruft das lediglich beim Vorstand der Deutschen Post AG und den Aktionären hervor. Wobei ein Fünftel der Gesellschaftsanteile dem Staat, also uns allen, gehört. Für das Jahr 2020 ist ein Gewinn von 1,6 Milliarden Euro eingeplant. Der Börsenwert des Unternehmens verzeichnete daraufhin am 6. August ein Plus von 5,3 Prozent.

Angesichts solch einseitiger Erfolgsmeldungen sehnt sich mancher in die Zeit der Deutschen Bundespost zurück, die sich vollständig im Staatsbesitz befand. Zugegeben: Sie hat es ihren Kunden häufig schwergemacht. Beispielweise mit komplizierten Bestimmungen über die Beschaffenheit von nicht alltäglichen Versandarten wie Warensendungen, Büchersendungen oder Massendrucksachen. Aber wenn die Pünktlichkeit nach dem Muster „E (Einlieferungstag) plus 1, 2, 3, 4 (Zustellung nach Laufzeittagen)“ zugesichert war, konnte man sich in den allermeisten Fällen darauf verlassen.

Die kolportierte Langsamkeit, welche die „Christel von der Post“ in der Operette und in deren Verfilmung besingt („denn bei Post geht’s nicht so schnell“), war jedoch immer untypisch. Vielmehr war bereits die Deutsche Reichspost vorbildlich organisiert und verfügte über gut ausgebildete Beamte, die für ziemlich reibungslose Abläufe sorgten. Dem russischen Revolutionär Lenin wird nachgesagt, dass er die Absicht hatte, den von ihm angestrebten Sowjet-Staat nach dem Vorbild dieser Post zu strukturieren. Er hat es bekanntlich nicht geschafft.

Die Brief- und Paketzusteller des Bundesunternehmens waren in der Regel Beamte des einfachen Dienstes (Schaffner, Oberschaffner, Hauptschaffner) und verfügten über eine solide Fachbildung. Wer sich bewährte und sein zusätzlich erworbenes Wissen in Prüfungen unter Beweis stellte, konnte in den mittleren Dienst (Sekretärslaufbahn) aufsteigen. Die überwiegende Mehrheit war kundenorientiert und hilfsbereit, u.a. beim Ausfüllen von Formularen oder beim Erläutern der diffizilen Gebührenvorschriften.

All das änderte sich mit der ab 1994 einsetzenden Privatisierung, zunächst schleichend (es gab ja noch für einige Zeit die bewährten beamteten Postler), später in einem geradezu atemberaubenden Tempo.

Zunächst wurden Firmenkunden in vielfältiger Weise umworben. Gruppen- und Abteilungsleiter wurden zu Informationslehrgängen eingeladen, die nichts anderes als geschickt verschleierte Marketingveranstaltungen waren. Die Vertreter der Betriebe wurden einerseits mit neuesten Methoden des Direktmarketings (auf Basis der gespeicherten Postadressen) bekannt gemacht. Andererseits instruierte man sie über Art und Umfang der Vorleistungen, die künftig vom Kunden selbst zu erbringen waren – falls er in den Genuss der einstmals üblichen Qualitäten kommen wollte. Die finanziellen Aufwendungen für die selbst zu erbringenden Sortierleistungen standen bei genauer Analyse in vielen Fällen in keinem Verhältnis zu den zugestandenen Rabatten. Und die Arbeitsqualität der Post sank stellenweise auf ein indiskutables Niveau.

Ich persönlich war sowohl privat als auch beruflich mit Zustellern konfrontiert, die nicht im Stande waren, die Adressen auf den Sendungen zu lesen bzw. die desorientiert durch die Straße eilten, weil sie Hausnummern nicht fanden. Als ich mich beschweren wollte, stellte ich fest, dass es niemanden mehr gab, der meine Mängelrügen in Empfang nehmen konnte (oder wollte). Denn die Post wies weder auf ihren Briefbögen noch im Internet entsprechende Ansprechpartner aus. Meine an die „Niederlassung Brief“ in Frankfurt am Main gerichteten Schreiben wurden nach vier bis sechs Wochen von einem Büro in der Bonner Unternehmenszentrale mit Formbriefen beantwortet, die auf den Inhalt meiner Beanstandungen mit keinem Wort eingingen.

Irgendwann stellte auch der optimistischste Postkunde fest, dass der einstige Staatsbetrieb, der regelmäßig wegen seines angeblichen Bürokratismus gescholten wurde, von windigen Unternehmensberatern zu einem Dienstleister ohne Leistungsverantwortung umgewandelt worden war.
Die neue Deutsche Post AG soll sich offensichtlich als Gelddruckmaschine für Aktionäre verstehen, was Investitionen in Personal, Technik und Kundenzufriedenheit naturgemäß einschränkt. Man muss sich nur die Schrottkisten ansehen, mit denen DHL in einigen Städten seine sklavenähnlichen Subunternehmer die Pakete zustellen lässt.
Und es ist ein Tiefschlag gegen die Prinzipien der Demokratie, wenn sich dieser Vorstand die Folgen seiner Fehlentscheidungen (z.B. im Bereich der digitalen Kommunikation) durch – vom Staat zu genehmigende – Gebührenerhöhungen kompensieren lässt.
Ja, neben dem rasant gewachsenen Paketumschlag steht der tendenzielle Niedergang des klassischen Briefverkehrs. Aber statt in das Projekt „E-Post“ zu investieren, hat man dieses nach einer euphorischen Startphase sehr schnell Unfähigen überantwortet und sich gleichzeitig von seinen Anteilseignern aus dem Bereich der digitale Kommunikation ins Geschäft fuschen lassen.

Auch wenn Christian Lindner (FDP) und andere Apologeten des Systems regelmäßig das Gegenteil behauptet: Der Kapitalismus kann es nicht. Er ist nicht dazu in der Lage, eine zukunftsorientierte, auf humanen Werten basierende Güterproduktion und Güterverteilung umzusetzen. Er ruiniert das Gemeinwesen, den Staat und die Welt.

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Briefmarke der Deutschen Bundespost im Wert von 10 Pfennigen