Waechtersbach 7342Eine Hommage an den Waechtersbacher Henkelbecher

Hanswerner Kruse

Brachttal bei Wächtersbach (Weltexpresso) - Der Waechtersbacher Henkelbecher war das meist produzierte und überregional bekannteste Gefäß der ehemaligen Keramikfabrik. Die Künstlerin Britta Schäfer-Clark organisierte mit dem Verein „Industriekultur Steingut“ und weiteren Unterstützern einen Abend für dieses Trinkgefäß.

Mehr als einhundert Gäste kamen, brachten ihre alten Becher, gute Laune und jede Menge Erzählungen zur Fabrikgeschichte mit. Der Vater eines Besuchers hatte „das Töpfern im Werk gelernt und zwanzig Jahre dort geschafft.“ Einige Frauen arbeiteten Jahrzehnte lang im Unternehmen und wurden eines Morgens nicht mehr hineingelassen, weil die Firma über Nacht pleite ging. Die meisten Besucher hatten einst direkt oder indirekt mit dem Betrieb zu tun, der in seinen guten Zeiten fast tausend Leute aus der Gegend beschäftigte.

Durch das Zeigen ihrer Gefäße und viele Fragen auf Zetteln, kamen die Menschen an den Tischen schnell ins Gespräch: „Warum Bist Du heute hier?“ oder „Welches Ereignis brachte 1968 die Produktion an den Rand des Ruins?“ Im Regionalladen „LandGlück“ waren in einigen Vitrinen alte Keramiken des Unternehmens und ein Modell der Werkanlage zu sehen. Hier drängten sich später die Leute und beantworteten auf gelben Zetteln Quizfragen, wieviel Milliliter in den Kinderhenkelbecher oder die größeren Formen passten. Am späten Abend gab es Präsentkörbe für die besten Schätzungen. Die gründliche Vorbereitung des Events weckte schnell das Interesse der Gäste an einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Werksgeschichte: So wurde das Volksfest ein Bürgerprojekt zur Erhaltung der Erinnerungen an die Fabrik, die früh auch durch ihre Sozialmaßnahmen (Pensionskasse, Kantine usw.) fortschrittlich war und die Region veränderte.

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Nach Einbruch der Dunkelheit lief ein Kurzfilm, in dem zahlreiche Menschen zu persönlichen Erfahrungen mit den Bechern befragt wurden, der aber auch weitere Informationen vermittelte. Etwa, dass das Gefäß 1834 in Brachttal erfunden wurde oder warum es so erfolgreich war: Es passten zwei Tassen Kaffee hinein, der Henkel war robust und gut zu greifen, das Getränk blieb lange warm. Die mündlichen Beiträge rund um den Becher sind als „Oral History“ ein Beitrag zur Geschichtsforschung, in denen die Betroffenen respektvoll selbst zu Wort kommen.


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Schäfer-Clarke (Bild links) meinte in ihrem Fazit am Abend: „Für mich war es wichtig, dass der kulturelle Inhalt im Mittelpunkt stand – aber auch, dass die Besucher das unmittelbare und gesellige Miteinander am authentischen Produktionsort, der diesen Designklassiker herstellte, genossen haben.“

Hintergrund
Der Waechtersbacher Henkelbecher wurde im Laufe der Zeit in verschiedenen Größen und mit einer unglaublichen Bandbreite an Dekoren hergestellt: Vom nackten Kitsch bis zum anspruchsvollen Jugendstil, von der Politsatire bis zu Gute-Laune-Sprüchen. Der ursprüngliche Becher war weiß und kostete 1834 einen Gulden und 18 Kreuzer. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges wurden 7500 Stück am Tag produziert und weltweit verkauft.


Fotos:
(c) Hanswerner Kruse

Weitere Infos:

Verein Steingutkultur