Der feudale HANSGROHE-Auftritt in der Jahrhunderthalle als Beispiel für die Stabilität der ISH in Frankfurt
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tempi Passati auf dem Frankfurter Messegelände. Waren es früher die neuen glänzenden Karossen sowie die technischen Neuerungen, die auf den Internationalen Automobilmessen (IAAs ) insbesondere Männer zum Rausch verführten, auf jeden Fall glänzende Augen und Glücksgefühle produzierten, so sind es inzwischen die ebenfalls glänzenden Armaturen, Brausen und Duschanlagen von Hansgrohe, angestammt in der Festhalle, die schon zu Messebeginn einen regelrechten Menschen-, ach was: Männerauflauf brachten, so daß man vor lauter Köpfen gar nicht mehr die Anlagen sah.
Obwohl die Firma wirklich sehr viele unterschiedliche Anlagen aufgebaut hat, wo man die Vorteile (und Nachteile?) bei laufendem Wasser direkt beobachten kann, bilden sich vor jedem, wirklich jedem Modell eine Schlange, die brav hintereinander die Badezukunft von morgen bestaunen und auch ausprobieren. Nicht die Duschen, aber die Waschbecken. Gleichzeitig findet in der schönen Rotunde der Festhalle eine Pressekonferenz von Hansgrohe statt, die so viel Stoff enthält, daß man sich länger damit beschäftigen könnte, denn DAS BAD gehört zu den Räumen in Häusern und Wohnungen, die am grundsätzlichsten umgebaut werden, ähnlich den Küchen, aber weit über deren Einrichtungen hinaus.
Da sich in meiner Umgebung drei Familien/Einzelpersonen gerade dazu entschlossen hatten, ihre Bäder zu sanieren – man müßte eigentlich stärkere Begriffe als Renovierung und Sanierung verwenden: Umbau, Instandsetzung, Modernisierung, Rückbau, Restaurierung, ja sogar Kernsanierung, Generalsanierung - , war ich völlig verblüfft, daß alle ihre Badewanne herausreißen lassen und stattdessen eine schicke, neue, große Dusche einbauen lassen. Klar, daß man dann gleich mal den Fachmann fragt. Und tatsächlich, Hans Jürgen Kalmbach, Vorstandsvorsitzender, bestätigte diesen Trend, der vor Jahren aufkam, jetzt verstärkt dazu führt, daß Badewannen sehr viel weniger verkauft werden.
Woher kommt dieser Trend? Man muß sich zurückerinnern an die Siebziger Jahre, wo schon mal das Bad, das neue Bad eine große Rolle spielte, bevorzugt in den Farben Moosgrün und Orange, damals war gerade die neue größere Badewanne das Zentrum der Modernisierung und der Hort des neuen Wohlgefühls, hauptsächlich für den Mann, der stundenlang in der Wanne lag, immer heißes Wasser nachlaufen ließ, mit Zeitung, Spiegel , Stern oder einem Krimi, mit Pink Floyd oder Procol Harum, mit Kaffee oder Rotwein oder beidem, mit Zigaretten auch und später dann sogar in den Colani Badewannen zu zweit.
Die Bewegründe, das eigene Bad ohne Badewanne zu gestalten, sind völlig unterschiedlich, lassen sich aber zusammenfassen:
- Alte und ältere Leute können nicht mehr problemlos in die Wanne steigen, sie haben vor dem Ausrutschen Angst, es ist ihnen zu gefährlich.
- Wasser ist im Verhältnis zu früher sehr teuer geworden, eine Badewanne verbraucht einfach zu viel. Außerdem ist es ökologisch fragwürdig, so viel Wasser einfach nach einem Bad abzulassen. Denn ein Bad zu nehmen, ist längst eine individuelle Angelegenheit, nach dem Bad fließt das Wasser in den Abfluß und nicht wie noch Wolf Biermann im DAS FAMILIENBAD beschreibt, wo der nette fette Vater jeden Samstagabend aus dem Keller Kohlen holt, dann einheizt und die ganze Familie hintereinander im selben Wasser badet. Das war übrigens bis in die 50er Jahre üblich, daß die Kinder zum Schluß drankamen.
- es fällt Betroffenen auf, daß sie überhaupt nicht mehr baden, obwohl eine Badewanne und auch genug Geld für die Wasserrechnung vorhanden ist.
Und Letzteres ist vielleicht das Wichtigste. Es wird viel weniger gebadet, sehr viel weniger! Obwohl genau das Baden mit allen möglichen Essenzen früher der Ausweis von Wohlstand und bequemem Leben war.
Und warum wird weniger gebadet? Junge Leute erwidern darauf sofort: „Dafür habe ich gar keine Zeit, das dauert mir viel zu lange“. Und beteuern, daß in ihren Wohnungen zwar Badewannen vorhanden sind, die aber von ihnen überhaupt nicht benutzt werden.
Einen Älteren wundert das, denn er hat den Eindruck, daß junge Leute unendlich viel Zeit haben für ihre Handys und Telefongespräche, für den Rechner, für die Computerspiele etc. Es muß also derzeit eine Umwertung stattfinden, wofür man Zeit hat und wofür nicht.
Wenn dann allerdings die veränderten Verhaltensweisen von Alt und Jung zusammenkommen und der Zeitfaktor in unserer beschleunigten Zeit ein übriges tut, dann muß man sich ja sogar noch wundern, daß überhaupt noch Badewannen verkauft und eingebaut werden. Doch die neue Badewanne oder das neue Bad mit Badewanne, die gekauft werden, und heute also weniger als früher gekauft werden, geben ja nur die Seite des Neukaufs wieder, der zurückgeht. Hinzu jedoch kommen zusätzlich die bisherigen Bäder mit Wannen, wo ein Trend auszumachen ist, daß die Bewohner ihre Badewannen herauswerfen zugunsten opulenter Duschen oder, wenn die schon vorhanden sind, ihr Bad zu einer Wollfühloase mit Teppichen machen. Auch hier Tempi Passati!
Das war nur ein kurzer Überblick, den man mit Zahlen untermauern könnte und mit Aussagen von Jung und Alt. Und vor allem in einen größeren kulturgeschichtlichen Zusammenhang stellen könnte: Wann unsere heutigen Bäder/Badezimmer entstanden, wenn doch noch die französischen Barockschlösser sogar ohne Toiletten auskamen. Wir sind Zeugen einer kulturellen Veränderung, was das Baden im häuslichen Badezimmer angeht. Dabei fällt einem noch mal auf, daß es Badezimmer heißt oder kurz: das Bad, weder Duschzimmer, noch Waschbeckenzimmer. Der Name bleibt, auch wenn das Baden verschwindet, zumindest derzeit sehr eingeschränkt stattfindet.
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©Badtechnik Neckar-Alb