m jeffZUR ERINNERUNG AN DEN DIRIGENTEN SIR JEFFREY TATE, Teil 1/2

Wolfgang Mielke

Weltexpresso (Hamburg) - Zu den bedeutenden Toten des Jahres 2017 gehört der Dirigent Sir Jeffrey Tate. Geboren wurde er 1943 in Salisbury in Südengland; jeder kennt das Gemälde der berühmten Kathedrale von John Constable (1776 – 1837), das 120 Jahre früher entstand -; geadelt wurde Jeffrey Tate wenige Wochen vor seinem Tod, im Rahmen der New Year's Honours 2017, den traditionellen englischen Neujahrs-Ehrungen.

Fotos zeigen, wie er zum Ritter geschlagen wurde; und man denkt dabei an den bereits 1990 zum Ritter geschlagenen Schauspieler Peter Ustinov (1921 – 2004), der ironisch über diese Ehrung bemerkte, er sei froh gewesen, dass man das Schwert nicht in einem heftigen Rutsch von rechts nach links – durch seinen Hals hindurch – den Weg abkürzend - geführt habe.

Jeffrey Tate war sehr dankbar und geehrt über diese höchste Auszeichnung seines Heimatlandes und äußerte im Anschluss an die Zeremonie: "Ich habe die Ritterwürde weder erwartet, noch wird sie mein Leben komplett verändern, aber ich fühle mich jetzt doch ein bisschen anders." -- Sir Jeffrey Tate starb überraschend sechs Wochen später, am 2.6.2017, in Bergamo, Oberitalien, Geburts- und Sterbeort auch des bedeutenden Komponisten Domenico Gaetano Donizetti (1797 – 1848), der vor allem für seine Opern berühmt ist. --------- Ich hörte ihn nur ein Mal im Konzert: Am 2.3.2017 in der neuen Elbphilharmonie in Hamburg.

Später entdeckte ich, dass ich bereits seit vielen Jahren eine Aufnahme von ihm im Plattenschrank hatte, nämlich Schuberts "Große Symphonie", op. 944. Diese Symphonie war wohl zwischen 1825 und 1828 von Franz Schubert (1797 - 1828) geschrieben worden, Teile davon in Bad Gastein; in der Perinique-Ausgabe 19 haben wir uns ausführlich mit dieser Symphonie beschäftigt, die 1839 von Robert Schumann (1810 - 1856) in Wien entdeckt worden war. Er schwärmte gleich darauf in einem Aufsatz in seiner "Neuen Zeitschrift für Musik" von den Herrlichkeiten dieser Symphonie, vor allem von deren "himmlischer Länge"; er verglich sie mit einem "Roman in vier Bänden von Jean Paul, der auch niemals endigen kann und aus den besten Gründen zwar, um auch den Leser hinterher nachschaffen zu lassen." - Jean Paul (1763 – 1825) war der Lieblingsdichter Schumanns. Er erreichte, dass sich Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847) des Werkes annahm und die Symphonie am 21.3.1839 im Leipziger Gewandhaus zur Uraufführung brachte.

Diese frühe Schallplattenaufnahme mit Jeffrey Tate war 1986 im Studio Lukaskirche in Dresden in Zusammenarbeit mit EMI Ltd., London, entstanden; zwei Jahre später wurde sie als Lizenz-Ausgabe in der DDR veröffentlicht. - Seit der Beschäftigung mit Bad Gastein und dieser Symphonie Schuberts weiß ich, dass es sich hier um eine besonders gute Aufnahme handelt, die dem weichen vielschichtigen Werk Schuberts auf kongeniale Weise gerecht wird. --- EMI, 1931 durch Zusammenschluss der UK Columbia Records und der Gramophone Company / HMV (= His Master's Voice) gegründet und für 50 Jahre lang der größte Musikverlag der Welt, hatte durch die Gramophone Company Wurzeln sogar bis ins Jahr 1887, als Emil Berliner (1851, Hannover – 1929, Washington D.C.) in Amerika die Schallplatte erfand, ebenso wie das Grammophon (= aufgezeichneter Ton); ab 1889/90 konnte Berliner die Schallplatte (deren Namen ihm ebenfalls zugeschrieben wird) in Deutschland – da er in den USA keine Geldgeber gefunden hatte – erstmals in Serie produzieren. Immerhin wurden in diesem ersten Jahr etwa 25.000 Schallplatten gepresst! - 1898 eröffnete EMI das spätestens seit den Beatles berühmte Aufnahmestudio Abbey Road im Norden Londons. - 2011 wurde der EMI-Konzern allerdings zerschlagen und der Großteil an Universal Music, verkauft, die mit knapp 33% derzeit den größten Anteil am Welt-Musik-Markt besitzt.

1988 erhielt Edgar Miles Bronfman sen. (1929 – 2013), der kanadisch-US-amerikanische Chef des weltgrößten Spirituosen-Herstellers Seagram Company Ltd., auch zweitweiliger Chef von MGM und seit 1981 Präsident des WJC (Word Juish Congress) und durch Seagram später auch Hauptaktionär von Vivendi Universal, dem französisch-amerikanischen Großkonzern, in dem EMI später aufging, von DDR-Chef Erich Honecker (1912 – 1994) im Oktober 1988 den Orden "Großer Stern der Völkerfreundschaft" verliehen. Bronfman meinte dazu, Honecker sei nicht ehrlich gewesen, er habe nur eine Annährung an die USA angestrebt, um die Bundesrepublik übergehen und möglichst an ihr vorbeiziehen zu können, und dabei auf diese 'jüdische Karte' gesetzt, weil er gemeint habe, die Juden hätten die Macht in den USA und würden ihm so den Weg ins Weiße Haus bahnen.

Ein interessanter Tatbestand, dass die unbegrenzte Westbindung der Bundesrepublik Konrad Adenauers (1876 - 1967), die 1961 zum Mauerbau geführt hatte, gegen Ende der DDR-Zeit und nur etwa 15 Monate vor dem Mauerfall nun auch von der DDR selbst betrieben wurde! - Die Veröffentlichung der EMI-Aufnahme mit Schuberts von Jeffrey Tate dirigierter "Großer Symphonie" (wie wahrscheinlich auch zahlreiche andere West-Aufnahmen) in der DDR, ebenfalls 1988, ist möglicherweise auch in diesem Zusammenhang zu sehen ... -------- Das jedenfalls war meine erste – noch nicht bewusst wahrgenommene – Begegnung mit Jeffrey Tate und nur ein akustischer (starker) Eindruck. ------------

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