hopeDas Glück der Konzerte: DAS SCHLESWIG-HOLSTEIN MUSIK FESTIVAL (SHMF)  während des Wahlsommers 2021, Teil 5

Wolfgang Mielke


Hamburg (Weltexpresso) - VIII. Damit endet das Konzert. - Und ich habe Zeit, mich in den Hallen nach der aktuellen Kunst-Szene umzusehen. --- Um 17 Uhr beginnt das nächste Konzert: Daniel Hope (*1973), dessen Programm "Eine kleine Nachtmusik" heißt. Das bezieht sich nicht auf die Aufführungszeit, was sicherlich auch möglich und sicherlich auch reizvoll gewesen wäre (aber der Hallen-Nutzung zuwiderliefe), sondern auf Mozarts Komposition, deren genaue Bezeichnung lautet: Serenade Nr. 13 für Streicher in G-Dur, KV 525.

Sie entstand im Sommer 1787, während seiner Arbeit am "Don Giovanni" (KV 527), wurde am 10.8.1787 beendet, aber, - so liest man jedenfalls -, ist wohl nie aufgeführt worden zu Mozarts Lebzeiten. Längst gehört sie zu seinen berühmtesten Kompositionen. Und sie bildet auch das erste Stück, das Hope mit seinem Orchester, dem Zürcher Kammerorchester, spielt. Schon nach wenigen Takten ist klar: Es ist das beste Orchester, das ich während des SHMF bisher gehört habe! Notiert ist: #"Sehr sauber; ganz trocken gespielt; unverschmockt und nicht ölig sentimental."# - Sogar, so scheint es, jedenfalls im 2. Satz, erweitert um Teile, die sonst gestrichen werden. - Oder klingt nur alles neu? - Wirklich schön! Behutsam und entfaltet (siehe oben). ------ Das 2. Stück, das Daniel Hope mit seinem Orchester spielt, ist der 3. Satz aus Haydns Konzert für Violine und Orchester, ebenfalls G-Dur, Hob. VIIa:4:. Das Stück entstand um oder vor 1760, zählt zur Frühklassik und überrascht durch seine Feurigkeit! #"Hätte ich ihm gar nicht zugetraut"#, habe ich notiert. Andererseits: Haydn hat ja auch die "Symphonie mit dem Paukenschlag" (1791) geschrieben (Symphonie Nr. 94, G-Dur), die ja ebenfalls Temperament und auch eine nicht geringe Portion Witz verrät ... ------

Die Stücke sind oft nur wenige Minuten lang. Oft spielt Hope ja auch nur jeweils einen Satz aus einem längeren Werk. Ein Prinzip, das auch "Klassik-Radio" betreibt. Doch da dachte ich früher noch: Damit die Hörer nicht ganze Konzerte kopieren können, was sich inzwischen durch die Digitalisierung überholt hat; so also nun, um durch rasche Abwechslung die Autofahrer wach zu halten. - Bei Daniel Hope ist der Grund aber sicherlich ein anderer: Er hat sich besonders wirkungsvolle und von ihm vermutlich besonders gern gespielte Stück-Teile, die er darbietet, herausgesucht. - Sonderbar: Er erinnert mich immer etwas an den Schauspieler Ulrich Tukur (*1957); beide sorgen auf ihre Weise für gute Laune. ------ Die Cavatina, der 5. Satz aus Beethovens (1770 – 1827) Streichquartett Nr. 13 B-Dur op. 130, aus dem Januar 1826, wird nun als 3. Stück dieses Konzerts gespielt. #"Cavatine – sehr getragen, vielleicht zu sehr. (Sentimental? Wohl kaum.)"#, habe ich mir notiert. --------

Das 4. Stück des Konzertes ist gleichzeitig sein Mittel- wie auch Wendepunkt. Es ist das längste Stück. Franz Schubert (1797 – 1828) ist der Komponist, auf den während des diesjährigen SHMF besonderes Licht geworfen wird. Die Bezeichnung dieser Komposition lautet: Rondo für Violine und Streicher A-Dur D 438. Schubert hat das Stück 1816 geschrieben. Dabei ließ er sich von einem Violonisten beraten. Deswegen enthält es besonders reizvolle Anforderungen für den Solisten und besonders wirkungsvolle Stellen. Veröffentlicht wurde das Stück aber erst 69 Jahre nach Schuberts Tod, nämlich 1897. - Seine Struktur ist besonders kompiliziert. Die Tempi wechseln, und der Aufbau ist in zwei Abschnitte geteilt: Zunächst in ein Adagio, das als Einleitung dient; danach in ein Ronde mit der Tempo-Angabe Allegro giusto (also 'treffende Heiterkeit'). Die Spieldauer der Komposition ist etwa 15 Minuten. - Und man kann es nicht verhehlen: Daniel Hope, gleichzeitig Solist und Dirigent seines Orchesters gelingt es nicht ganz, dieses Stück Musik in den Griff zu bekommen. Blick auf die Notizen: #"bleibt in der Struktur und vom Inhalt her etwas unübersichtlich. / Wohl ein Rondo. // "Himmlische Längen" ----> Wie bei der 8., der 'Gasteiner Symphonie' ----> vgl. Perinique PQ19 – "Presse-Reise 1")."# -------- Aber es bleibt doch in Erinnerung, wie Daniel Hope mit dem Stück sozusagen gerungen hat. Hier liegt der Schwerpunkt, der Mittelpunkt des Konzertes. -

IX.

Franz Schubert c1827 scholzEintrag am Rande: Jetzt, wo ich Bilder zu diesem Bericht heraussuche, mache ich eine überraschende Entdeckung: Wenn ich mir das Bildnis von Franz Schubert gemalt von Anton Depauly (1801 – 1866) ansehe, fällt mir die Ähnlichkeit zu dem derzeitigen sozialdemokratischen Kanzlerkanditaten Olaf Scholz (*1958) auf! Nicht nur die rein physische Ähnlichkeit. Sondern vor allem die Empfindlichkeit und Sensibilität. Wer den sehr gut gemachten ARD-Film vom 22.8.2021 über die drei Kanzlerkandidaten gesehen hat, musste auch bemerken, wie groß die Sensibilität von Olaf Scholz ist! Mehrmals verschlug es ihm bei Fragen nach seiner problematischen finanziellen Vergangenheit, die Wirecard- und Cum-Ex-Millionen betreffend, die Sprache. Um als Bundeskanzler ein Land zu regieren; um sich dauerhaft nicht nur mit den widerspenstigen Parteigenossen, sondern auch noch mit den anderen Staats-Chefs auseinanderzusetzen, die zwangsläufig nur ihre uns oft zuwiderlaufenden eigenen Interessen verfolgen, dazu scheint mir, muss man aus weitaus unempfindlicherem Holz geschnitzt sein. ----------



X.


Weg! wieder von der mir schmutzigen Aussicht in die Politik! Denn was jetzt folgt, ist leichterer Natur: Aus Gustav Mahlers (1860 – 1911) Sinfonie Nr. 5, deren erste Teile Mahler 1901 und 1902 in seinem Komponierhäuschen in Maiernigg am Südufer des Wörthersees in Kärnten schrieb und die am 14.10.1904 in Köln unter seinem Dirigat uraufgeführt wurde, das 'Adagietto' (den 3. Satz). Er wurde, wie Hope eingangs in perfektem Deutsch ansagt, in Luchino Viscontis (1906 – 1976) Verfilmung (1971) von Thomas Manns (1875 – 1955) Erzählung "Der Tod in Venedig" intensiv verwendet. (Vgl. Perinique PQ29 "Die Alpen" (1).) ----- #"Schön gelungen"#, lese ich in den Notizen, #"teils wie Promenaden-Konzert, aber weit mehr als Konzertmuschel, wirklich Konzertsaal."# - Und, auch einmal das Orchester betrachtend: #"Das rote Kleid einer der Geigerinnen oder Bratschistinnen, links; rechts noch eine etwas dunkler rot gekleidete Cellistin. / Daniel Hope trägt weiße Turnschuhe; sonst alles meist schwarz; die Herren teils mit weißem Hemd. Ein wirklich sehr gutes, weil präzises Orchester."# -------- Ein Adagio aus dem Notturno für Streicher und Harfe As-Dur von Arnold Schönberg setzt das Konzert fort. ---- Es folgt das "Somewhere" aus Leonard Bernsteins (1918 – 1990) "West Side Story" (entstanden zwischen 1949 und 1957) in der Bearbeitung von Paul Bateman (*1954), der sehr viele Arrangements für Daniel Hope getätigt hat, wie man auf Batemans Webseite nachlesen kann. -------- Ein Problem des Konzerts ist, vor allem sein zweiter Teil, nach dem Schubert, wie ich notiert habe: #"die mangelnde Abwechslung in getragen und spritzig."# ------------ Die Zugabe dann, "Wien, Wien, nur du allein / du sollst die Stadt meiner Träume sein" gleicht diesen Mangel an Wechsel schließlich doch noch aus. ----- Daniel Hope ist ein versierter Geiger und ein unterhaltsamer Dirigent – dem so eine ganz besondere Form des Entertainments gelingt. -------------- Wir gehen noch einmal durch die Hallen mit der hauptsächlich skulpturalen Kunst. Das Wetter ist gut. Kein heißer Sommer, sondern ein durchwachsener norddeutscher Sommer; durchwachsen, könnte man sagen, wie die Stimmung im ganzen Land. --------------

Fotos:
© W.M.