klavier und geigeDas Glück der Konzerte: DAS SCHLESWIG-HOLSTEIN MUSIK FESTIVAL (SHMF)  während des Wahlsommers 2021, Teil 10

Wolfgang Mielke

Hamburg (Weltexpresso) - Das letzte Konzert, das wir hören (und sehen) hat die Nummer 'K130' = "La Bohème", im kleinen Saal der Elbphilharmonie. Aber nicht die Oper als wirkliche Opern-Inszenierung, sondern die Oper sozusagen als Klavierauszug: Gespielt von dem norwegischen Pianisten Mathias Halvorsen (*1988) und von dem niederländischen Violonisten Mathieu van Bellen (*1988).  Diese Darbietung ist so gut und so schön, dass ich noch in der selben Nacht einiges dazu aufschreibe – und auch einen kurzen Dank an die Presse-Betreuung des SHMF schicke. 

Wenn zwei Musiker eine ganze Oper komprimiert und ja zwangsläufig beschränkt nur auf ihre beiden Instrumente bringen wollen, ist naheliegend, dass das Klavier den Orchesterpart übernimmt und die Geige die Gesangsstimmen. - Die Idee ist wirklich gut und die Verwirklichung gelungen. Nach diesem Modell könnte man nun natürlich noch viele andere Opern vorführen, und es wäre sehr interessant und lehrreich.

204 la boheme komische oper berlinVan Bellen und Halvorsen haben diese Idee möglicherweise selbst gehabt. Vielleicht sind sie aber auch auf die, wie es in dem wie immer sehr gut aufgemachten Programmheft heißt, legendären Arrangements des Geigers Fritz Kreisler (1875 - 1962) und des Pianisten Leopold Godowsky (1870 - 1938) gestoßen, deren Werk ihnen als Vorbild diente.

Aber ob Anregung oder nur Vorbild für die Durchführung: Das Projekt trägt und ist ein ganz besonderer Punkt des SHMF! Das Schleswig-Holstein Musik Festival zeichnet sich ohnehin durch eine große Bandbreite von Künstlern, Stilen und Angeboten aus. ---- Den Saal der kleinen Elbphilharmonie kannte ich nur durch die Presse-Vorstellung anlässlich der Eröffnung. Ich hatte ihn größer und unwirtlicher in Erinnerung. Ich fand ihn jetzt zwar nicht klein, etwa aufgebaut wie ein leicht schräg ansteigender Kino-Saal, - (der Gloria-Palast in Berlin sah einst so aus) -, aber behaglich auch durch die angenehme Beleuchtung und die verbauten Materialien; behaglicher fast als der große Saal der Elbphilharmonie; und auch in seiner Akustik konzentrierter.

eDie Bühne ist langgestreckt quer. Ihre Mitte aber zunächst leer. Die Musiker links an die Seite gerückt. Das überrascht zunächst. Der Sinn erschließt sich aber schnell. Denn in der Mitte befindet sich eine große Leinwand, an die die Texte projiziert werden. ----- Giaccomo Puccinis (1858 - 1924) Oper "La Bohème", die auf dem Roman "Scènes de la vie de bohème" (1847-49) von Henri Murger (1822 - 1861) basiert, aus dem Figuren und Szenen lose herausgegriffen wurden, denn der Roman ist selbst mehr eine Ansammlung von Szenen und Lebensbildern als eine durchgehende Handlung, wurde 1896 uraufgeführt – und fiel natürlich durch. Aber nicht lange danach begann ihr Siegeszug über die Opernbühnen der Welt.

Als die Vorstellung beginnt, stören die Texte zunächst sehr, - weil man der Musik zuhören und nicht dauernd lesen will! - Aber dann hat man es falsch begonnen, das begreift man sehr schnell. Und die Aufteilung des Raumes sagt es ja auch deutlich: In der Mitte steht der Text! - Man muss es also genau umgekehrt machen: Die Texte lesen und dabei der Musik zuhören. #So# und #nur so# bekommt man die Oper besonders gut mit.

Aber es stellen sich auch Bilder dazu ein: Bilder aus den Inszenierungen der Oper, die man mehreren Opernhäusern gesehen hat: In der Deutschen Oper Berlin-Charlottenburg (2x); in der Hamburger Staatsoper (1x); in der Komischen Oper Berlin-Mitte (1x) und im Gärtnerplatztheater München (1x). Aus diesen Inszenierungen leuchten immer wieder Bilder auf und nicht zuletzt auch die Darsteller. So sehe ich in den Liebesszenen, nein genauer: in der Liebesfindungs-Szene des ersten Aktes zwischen Rodolfe und Mimi immer wieder die Sängerin Nadja Mchantaf vor dem inneren Auge, ihre Beweglichkeit, Leichtigkeit, ihre zarte Gestalt, empfindlich, verletzbar, - sonderbarerweise aber weniger in dieser Szene des 1. Aktes in der Komischen Oper, sondern in den hellen Kulissen des 3. Aktes, einer angedeuteten Pariser Straße, weit und gleichzeitig eng; ein sehr gutes, unvergessbares Bühnenbild. #"Die Liebe ist das größeste"#, heißt es bekanntermaßen – und ich kann es nicht anders sagen: Ich liebe sie.

Fortstzung folgt

Fotos: 
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