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Kategorie: Musik
TvdS 3568Die Industrial-Rockband Van:tom:s im Kulturzentrum Kreuz

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Die Industrial-Rockband Van:tom:s ist das Soloprojekt des Fuldaer Multimediakünstlers Thomas van der Scheck (TvdS), das er am Samstagabend im Kulturzentrum Kreuz vorstellte. Früher hatten seine Musiker weniger Raum, waren an ihren Instrumenten aber nicht so virtuos wie jetzt.

Zunächst soll jedoch SAW, die Vorgruppe aus Baunatal erwähnt werden. Die vier noch recht jungen Rocker zelebrierten mit großer Spielfreude pures Heavy Metal aus den 1970er-Jahren, das mächtig in die Beine fuhr und das Publikum für die Van:tom:s, die Phantome, anwärmten.

TvdS 3675„Welcome to my world“, ruft dann der anfangs martialisch kostümierte TvdS, es folgt „Take away!“ Seine Bühnen-Performance hat etwas Dämonisches und ebenfalls einen Hauch von messianischem Kult. Die neuen Bandmitglieder - wie Phantome in schlabberigen, zerfetzten Kutten - entwickeln einen satten Sound mit genialen Soli des Gitarristen Eddie Krieger. „Bass & Drums“ sind Floh Walter und Nick-Nack Paddywhack, die kräftig zum Tanzen animieren. Im Hintergrund laufen unterschiedliche Videos des Künstlers, Nebel steigt auf, das farbige Licht fetzt und wabert. Zu „Take me with you“ sieht man im Clip Feuersbrünste, Explosionen, Vulkane - es ist eine düstere und oft diabolische Welt, in die Van:tom:s das Publikum entführt. Auch Dämonen, Kannibalen oder Amokläufer treiben sich dort herum.

TvdS röhrt und schreit von der Rampe seine, von ihm komponierten Songs der aufgelösten Band Hellomatic, die am Freitagabend quasi als Van:tom:s mit neuen Musikern wiederaufersteht. Dazu singt er noch nicht veröffentliche Titel. Sie erzählen durchgehend in Englisch von den Grenzen menschlicher Existenz. Der Sänger ruft die „Kinder der Dunkelheit“ zu sich - doch wir alle tragen das Dunkle in uns, verdrängte Leidenschaften und subversive Instinkte, die es zu beherrschen gilt. Niemand ist gefeit davor, dass sie eines Tages hervorbrechen könnten.

Vielleicht sind deren spielerischer Ausdruck oder sie zu tanzen, eine Möglichkeit ihrer Beherrschung? Leute, die zu Industrial Rock herumtoben, werden wohl ebenso wenig zur Gewalt angestiftet, wie das brave Bürgertum in sinistren Opern, in denen Menschen verraten, betrogen und gemeuchelt werden. Vielleicht sind drastische Inszenierungen wie durch Van:tom:s, sogar eher die Opern der Neuzeit, als die meist recht braven Musicals?

Der Abend im Kreuz jedenfalls ist ein Spiel am Abgrund und mit den Abgründen - aber nach etlichen Zugaben wird es ernst - ohne dass das Publikum es zunächst spürt. Zum überlauten Geklapper einer Schreibmaschine tauchen Worte auf der Leinwand auf, die von Hiroshima und dem ersten Atombombenabwurf berichten: „...Menschen die bei 4000 Grad verdampfen...“ Dann interpretiert Van:tom:s den Song „Hiroshima“, lauter und böser als einst die Gruppe Wishful Thinking. Auf der Leinwand brennende Menschen und lachende GIs. Sarkastische oder gruselige Bilder. Kein Nebel. Kein farbiges Licht. Niemand tanzt. Keine Rufe nach Zugabe. Schließlich verhaltener Beifall.

Oft covert TvdS in seinen Konzerten einen alten Rock ‘n Roll oder Pop-Song, der ihn einst stark beeinflusste oder immer noch beschäftigt. Bei diesem Gig schafft er mit „Hiroshima“ einen mutigen Übergang von der Kunst zum Leben, vom grotesken Spiel zur brutalen Realität: Die Mahnung, eine russische Atombombe auf Kiew wäre das noch entsetzlichere Ende dieses entsetzlichen Krieges. Wie 1945 in Japan.

Foto:
Hanswerner Kruse

Info:
www.van-tom-s.com