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Kategorie: Unterwegs

Serie: 900-Jahr-Jubiläum 2014 Stift Klosterneuburg vor den Toren Wiens, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Das muß man doch deutlich sagen, daß vor 900 Jahren es zwar schon das ehemals römische Feldlager in der Gemarkung Wien gab und auch später Wien dem nahen Klosterneuburg am Rand des Wienerwaldes den Rang ablief, aber im Jahr 1114 da machte Markgraf Leopold III. das kleine Klosterneuburg zu seiner Residenz und stiftete ein Kloster, das zum Mittelpunkt der mittelalterlichen Welt wurde.

 

Wer das ist, Leopold III.? Für Deutsche und Schweizer muß man sicher hinzufügen, was die Österreicher wissen, daß dieser Leopold nämlich nicht nur heilig gesprochen wurde, übrigens 1485, sondern seit dem 17. Jahrhundert auch der Schutzheilige von Nieder- und Oberösterreich und seit der Souveränität Österreichs am 15.5.1955 auch der ganz Österreichs ist. Warum, das erschließt sich, sobald man in die Geschichte von damals hineinschaut. Denn damals war die Welt politisch noch weitaus verwickelter als heute und orientierte sich an Kaiser und Papst und den regionalen Herrschern. Das waren die Babenberger, die auf der Burg in Melk zu Hause, seit 976 die Markgrafschaft Ostarrichi regierten, die als Bollwerk gegen die Ungarn eingerichtet worden war, und wo der 1075 noch im Stammsitz Melk geborene Leopold 1095 seinem Vater als Markgraf folgte. Aber ohne die Auswirkung der reichspolitischen Wirren wäre es dazu nie gekommen.

 

Und nun sind wir an einer Stelle, wo Geschichte und Legende eine kaum auflösbare Verbindung eingehen. Geschichtlich gesichert ist, daß Leopold im Streit zwischen dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Deutschem König, Heinrich IV. - das war der mit dem Gang nach Canossa 1076 – und seinem Mitkönig, Sohn Heinrich V., für den Sohn eintrat, der nach 1105 erst als Deutscher König dann als Kaiser des Reiches regierte. Aus Dankbarkeit, heißt es, gab er dem Babenberger Leopold seine Schwester Agnes zur Frau. Die Salierin bekam eine königliche Mitgift, was den frommen Leopold befähigte, erst seine Residenz in die Burg Niwenburc – neue Burg, Klosterneuburg - zu verlegen und dann dort dieses Stift zu gründen, das er zudem reich ausstattete und dafür sorgte, daß es finanziell über die Jahrhunderte lebensfähig blieb. Stift wird übrigens im Österreichischen synonym für Kloster verwandt, während es im Deutschen auf eine speziell mit einer Stiftung versehene kirchliche Einrichtung zielt.

 

Eine Burg zu bauen ist weltliches Geschäft, aber eine Kirche oder ein Kloster zu gründen, dazu braucht es zur Überzeugung aller noch Gottes Segen. Der wurde Agnes erteilt, sagt uns die Legende um ihren Brautschleier. Denn der wurde bei ihrer Hochzeit 1106 von einem Windstoß erfaßt und flog davon. Kein gutes Zeichen für eine Ehe. Deshalb ließ Leopold nach ihm suchen und als das ergebnislos blieb, legte er das Gelübde ab, daß an der Stelle, an der man den Schleier fände, er ein Kloster errichten werde. Und es war tatsächlich – sagt die Legende – Leopold selber, der neun Jahre später auf einer Jagdpartie den Schleier auf einem Hollerstrauch – das ist Hollunder – fand, wo heute das Stift Klosterneuburg steht. Natürlich ist die Legende eine spätere Zutat, aber – wie das Leben so spielt – gibt es den historischen Schleier wirklich. Zu besichtigen ist er in der Schatzkammer des Stifts, die man wie die gesamte Stiftsanlage besuchen kann. Und im Stiftsmuseum erkennt man in dem Werk des Rueland Frueauf d.J die Auffindung des Schleiers, sogar noch von einer Marienerscheinung gekrönt. Doppelt hält auch bei Heiligen besser. Allerdings spielt das Leben eben auch anders. Dieser fromme und wohltätige Leopold starb 63jährig am 15. November 1136 – auf der Jagd! Nahe Klosterneuburg. Und sein Sohn verlegte die Residenz der Babenberger nach Wien.

 

Aber Monate vorher wurde die Stiftskirche geweiht, die 1114 begonnen wurde und 1133 dem Orden der Augustiner Chorherren übergeben wurde, für ihren kirchenreformerischen und sozialen Einsatz bekannt, was wir gleich weitererzählen. Wer aber Leopold III. und Klosterneuburg sagt, muß für die deutsche Geschichtswissenschaft einfach hinzufügen: Otto von Freising. Dieser vielleicht doch bedeutendste Geschichtsschreiber des Mittelalters, der die kaiserliche Staufer-Hagiographie erfand, wurde nämlich 1112 in Klosterneuburg als fünfter Sohn des Leopold III. geboren, nahm die geistliche Laufbahn bis zum Bischof – wofür er immerhin selig gesprochen wurde – und wurde weltberühmt als Schreiber der GESTA FRIDERICI IMPERATORIS, der Taten des Kaisers Friedrich Barbarossas, der ihn dazu offiziell beauftragt hatte und zudem sein Onkel war. Die mittelalterliche Welt hing – was die Geschlechter angeht – eng zusammen in einem Europa, das damals ohne Nationalstaaten fast durchlässiger war als heute.

 

Aber zurück zum Stift, dessen zweiter Propst 1126 nämlich Kaisersohn Otto geworden war als Kaiser Leopold noch hoffte, daß er Klosterneuburg zum Bischofssitz machen könnte. Aber die anderen Bistümer verhinderten das, weshalb er die Augustiner Chorherren, damals mit Frauenstift, zu Stiftseignern machte, die 1136 dann endlich die Stiftskirche einweihen konnten. Wir überspringen die nächsten Jahrhunderte, wobei wir im übernächsten Teil mit dem Hauptkunstwerk von Klosterneuburg, dem Verduner Altar, zum Mittelalter zurückkehren, und das Jahr 1200 nur streifen, in dem Klosterneuburg wieder Residenz der Babenberger wurde. Wir wollen jetzt aber auf zwei weitere Sachverhalte verweisen, die Klosterneuburg zu der bedeutenden Stätte machten, die sie ist.

 

Das eine ist der österreichische Erzherzogshut, mehr wert als jegliche Krone, denn 1616 stiftete Erzherzog Maximilian III. diesen dem Kloster mit der Auflage, daß die „heilige Krone des Landes“ Klosterneuburg nie mehr verlassen dürfe, es sei denn zu Huldigungszwecken. Wer das nicht wichtig findet, sei daran erinnert, welch Fetisch für Adolf Hitler die Reichsinsignien des Heiligen Römischen Reiches waren, die er nach dem Anschluß aus Wien nach Nürnberg bringen ließ, die dann nach dem verlorenen Krieg nach Wien zurückkamen und nie wieder Wien verlassen dürfen. Zu gar keinem Zweck. Kaisern wird zwar nicht mehr gehuldigt, aber die identitätsstiftende Wirkung solcher Reichsinsignien, durch die die Macht der Geschichte spricht, spüren wir auch heute. Den Erzherzogshut auf jeden Fall können Sie in Klosterneuburg im Stiftsmuseum, auf rotem Samt inszeniert, in aller Pracht sehen.

 

Das andere ist die Barockisierung der gesamten Anlage, die aus dem mittelalterlichen Stift ein irdisches Jerusalem machen sollte, denn mit dem Sieg der Gegenreformation – vor den Protestanten und zeitlich auch mit ihnen gab's noch die Erste Wiener Türkenbelagerung um 1529 -, war der Katholizismus wieder die starke Macht, die die Gläubigen nun vor allem durch Bilder und Symbole, auch das Feiern des Schönen, im Gemüt an Gott binden wollte, an den katholischen Gott, denn der protestantische stand dieser weltlichen Prachtentfaltung ja fern. Fortsetzung folgt.

 

INFO:

 

Allgemeines:
Das Stift Klosterneuburg wurde 1114 gegründet und 1133 den Augustiner Chorherren übergeben, um ein religiöses, soziales und kulturelles Zentrum zu bilden. Das Stift ist heute ein wichtiges kulturtouristisches Ziel, eine religiöse und soziale Institution und ein bedeutender Wirtschaftsbetrieb. Es besitzt unter anderem das älteste und eines der renommiertesten Weingüter Österreichs.
Internet: www.stift-klosterneuburg.at

 

 

 

Information:
Stift Klosterneuburg, Stiftsplatz 1, 3400 Klosterneuburg (Niederösterreich)
Tel.: +43 (2243) 411-212
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.stift-klosterneuburg.at

 



Anreise:
Öffentliche Anreise: U4, ab Heiligenstadt: Buslinien 238 und 239 bis Klosterneuburg-Stift, von dort kurzer Fußweg (ca. 5 Minuten) oder S 40 (S-Bahn) bis Klosterneuburg-Kierling, von dort kurzer Fußweg (ca. 15 Minuten)
Vienna Sightseeing Tours Hop on Hop off zum Stift Klosterneuburg: Abfahrt Burgtheater/Rathaus, grüne Linie bis 4. Okt. 2014.
Auto:
B 14, Parkgarage und Parkplätze im Stiftsbereich.