Tagung an der Goethe-Universität befaßt sich mit den Implikationen des „Fazialen“

Hubertus von Bramnitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -  Das Gesicht ist die Visitenkarte des Menschen, sein Aussehen prägt den wichtigen ersten Eindruck. Das Gesicht ist die Bühne, auf der sich unsere echten Emotionen abspielen, auf der wir uns aber auch ganz bewusst inszenieren können. Auf der Theaterbühne spielt es denn auch seit jeher eine große Rolle.

Die Bedeutung der „Gesichtlichkeit“ wächst jedoch noch im Zeitalter der digitalen Medien, Fachleute sprechen von der „fazialen Gesellschaft“. Eine Tagung an der Goethe-Universität nimmt unter dem Titel „Doing Face: Gesicht als Ereignis“ die unterschiedlichen Dimensionen des Themas in den Fokus. Veranstalter sind das Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften Frankfurt und das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin.
 

Gesichtserkennung als Mittel der Überwachung im öffentlichen Raum; neurowissenschaftliche Untersuchungen der Gefühle anhand des Mienenspiels; kosmetisch-chirurgische Machbarkeitsvorstellungen: Das Gesicht spielt in unserer Vorstellung von Personen und Persönlichkeiten eine wichtige Rolle. Und auch in Kunst und Literatur erhält das Gesicht als Repräsentations- und Kommunikationsoberfläche des Selbst neue Bedeutung.
 

Während noch im 18. Jahrhundert das Gesicht als „Stempel Gottes“ bezeichnet wurde, treten in späteren Jahrhunderten immer mehr die Formbarkeit des Gesichts und die Handlungsmöglichkeiten, die seine Wandelbarkeit mit sich bringt, in den Vordergrund. Doch spätestens der Selfie-Boom wirft die Frage auf nach dem Zusammenhang zwischen Gesicht und Selbst, der ja auch im Begriff „Selfie“ postuliert wird. Wird dieser „kleinen Oberfläche vorn am Kopf“ zu recht so viel Bedeutung beigemessen?
 

Das Verhältnis von Gesicht und Identität steht im Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen bei der DFG-geförderten Tagung. Die Auseinandersetzung mit der vermeintlich sichtbaren Signatur des Selbst zeigt sich nicht nur in den ästhetischen Formaten der Selfie- und Facebook-Kultur, sondern auch in pragmatischeren Bereichen wie der technischen Gesichtserkennung. Wie viel Mimik ist angeboren, wie viel erworben und abhängig vom jeweiligen Kulturkreis? Prof. Susanne Scholz, Anglistin und Organisatorin der Tagung, nimmt in ihrem Vortrag die literarische Bearbeitung des Themas in Oscar Wildes „Dorian Gray“ unter die Lupe.
 

Kunstgeschichte, Medienwissenschaft, Literaturwissenschaften – die Konferenz bringt Vertreter verschiedener Disziplinen zusammen und bezieht auch Erkenntnisse aus anderen Wissenschaften wie der Biologie und der Psychologie mit ein. Zudem werden Bilder des weißrussischen Künstlers Maxim Wakultschik gezeigt, der sich in seinen fotografischen Arbeiten mit der Produktivität des Gesichts in der Gegenwartskultur auseinandersetzt.

 

„Doing Face: Gesicht als Ereignis“
Jahrestagung des Frankfurter Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften
Donnerstag, 6. Oktober, bis Samstag, 8. Oktober 2016
Ort: Campus Westend Cas. 1.801 (Renate v. Metzler-Saal)

 

Foto: Die amerikanische Schauspielerin Jennifer Lawrence, über die Weltexpresso in ihrer Verkörperung der Katniss Everdeen in DIE TRIBUTE VON PANEM schrieb, daß ihr Gesicht weithin unbewegt blieb, wie Mamor, auf dem sich aber das Unheil der Welt von Panem spiegelte, sodaß der Zuschauer seine Gefühle beim Anschauen der Szenen in ihr Gesicht hineinlegte. Hätte sie eine starke Mimik gezeigt, wäre dies kontraproduktiv gewesen.