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Kategorie: Wissen & Bildung

Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preisverleihung 2017 in der Frankfurter Paulskirche, Teil 3/4

Hubertus von Bramnitz

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Neben dem großen Preis gibt es auch den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter- Nachwuchspreis mit einem immensen Geldbetrag, den in diesem Jahr  Volker Busskamp für anwendungsorientierte neurobiologische Forschung erhielt.


Der Nachwuchspreisträger wird für seinen Beitrag zur Gentherapie der Retinitis pigmentosa und für die Entwicklung künstlicher Nervenzell-Schaltkreise geehrt. Retinitis pigmentosa ist eine erblich bedingte Form der Blindheit.
 

Dr. Volker Busskamp, Forschungsgruppenleiter am DFG Forschungszentrum für regenerative Therapien der TU Dresden (CRTD)  erhielt gestern den mit 60.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2017 in der Frankfurter Paulskirche. Der Biotechnologe, Neurowissenschaftler und Stammzellforscher wird für seine außerordentlich anwendungsbezogene neurobiologische Forschung geehrt, die sich in klinischen Gentherapiestudien bei der Retinitis pigmentosa und einem robusten und vielseitigen Werkzeug für die Grundlagenforschung niedergeschlagen hat. „Busskamps Arbeiten sind ein gutes Beispiel für translationale Forschung, also für den schnellen Transfer von Erkenntnissen aus der Grundlagenforschung in die klinische Forschung“, schreibt der Stiftungsrat in seiner Begründung. Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von Professor Dr. Harald zur Hausen überreicht.

 

Busskamp hat nahezu ein Jahrzehnt über Retinitis pigmentosa gearbeitet. Die Netzhaut des Auges besitzt zwei Formen von Sinneszellen, die Stäbchen und die Zapfen. Die Stäbchen sind für das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht zuständig, die Zapfen werden für das Sehen bei Tag benötigt. Bei der Retinitis pigmentosa sterben die Stäbchen durch eine Mutation ab. Im weiteren Verlauf verlieren auch die Zapfen ihre lichtempfindlichen Antennen, verharren allerdings noch eine Weile in der Netzhaut und sterben erst allmählich ab. Busskamp hat zusammen mit Botond Roska vom Friedrich Miescher-Institut in Basel drei Gentherapiekonzepte für diese Erkrankung erarbeitet. An einem Konzept war Busskamp beteiligt, die beiden anderen Konzepte beruhen auf seinen Arbeiten. Entwickelt wurden die Konzepte bei blinden Mäusen. Eines der Konzepte ist auch in der klinischen Entwicklung.

 

Bei der Gentherapie, an der Busskamp beteiligt war, erhielten die inneren Netzhaut-Zellen der Tiere ein fremdes lichtsensitives Gen, was sie zu künstlichen Sinneszellen machte. Die Wahrnehmung des Lichtes wurde also von den defekten Sinneszellen der Netzhaut auf die innere Netzhaut verschoben, die normalerweise nicht in die Wahrnehmung des Lichts involviert ist.  Bei der zweiten Gentherapie wurden die defekten Sinneszellen der blinden Mäuse direkt therapiert. Busskamp schleuste dafür ein lichtsensitives Gen in diese funktionslosen aber noch nicht degenerierten Zapfen ein und stellte dadurch die verlorengegangene Lichtempfindlichkeit wieder her. Das französische Startup-Unternehmen „Gensight“ entwickelt diese Gentherapie für die Klinik. Busskamp hat auch gezeigt, dass die Sinneszellen nur dann lichtempfindlich bleiben, wenn zwei kleine Ribonukleinsäuren anwesend sind. Diese Sequenzen funktionieren wie ein An- und Ausschalter und kommen ebenfalls für eine Gentherapie in Frage.  

 

Am CRTD beschäftigt sich Busskamp mit künstlichen Schaltkreisen aus Nervenzellen, die er im Labor aus verschiedenen  Nervenzelltypen zusammenfügt. „Diese künstlichen Schaltkreise sind wie kleine biologische Computer“, erklärt der Nachwuchspreisträger. „Sie können als Modelle für Erkrankungen oder für die Grundlagenforschung genutzt werden“. Busskamp gewinnt die Nervenzellen durch Differenzierung induzierter Stammzellen im Labor. Weil dieser Prozess allerdings derart standardisiert sein muss, dass immer wieder die gleichen Nervenzelltypen entstehen, und damit dieselben Schaltkreise zusammengefügt werden können, untersucht Busskamp Bedingungen für eine robuste Differenzierung. Der Nachwuchspreisträger will möglichst viele der 320 verschiedenen Nervenzelltypen zuverlässig herstellen können.  Dafür denkt und arbeitet er systembiologisch. „Wenn wir die an den einzelnen Differenzierungsprozessen beteiligten Faktoren kennen, können wir uns einen einzigartigen Werkzeugkasten für die Forschung zusammenstellen“, sagt Busskamp. „Ein Schaltbrett für die Differenzierung sozusagen. Mit den aus den Nervenzellen zusammengefügten Schaltkreisen können wir sehr viel mehr über die Informationsverarbeitung und Informationsweiterleitung in den Nervenzellen lernen als  bisher“.  

 

Kurzbiographie Dr. Volker Busskamp

Volker Busskamp (36) wurde 1980 in Bocholt geboren und studierte Biotechnologie an der TU Braunschweig. Seine Diplomarbeit machte er extern am Friedrich Miescher-Institut in Basel. 2006 wurde Busskamp in das internationale  Programm „Frontiers in Genetics“  in Genf aufgenommen, dass er mit einem Postgraduiertendiplom in Biologie abschloss. Busskamp promovierte bei Prof. Botond Roska am Friedrich Miescher-Institut in Basel und war Postdoktorand bei Prof. George Church an der Harvard Medical School in Boston.  Seit 2014 ist Busskamp Forschungsgruppenleiter am DFG-Forschungszentrum für regenerative Therapien der TU Dresden (CRTD). Gefördert wird er durch ein Freigeist-Fellowship der VolkswagenStiftung und einen Starting Grant des European Research Council (ERC).

 
 

Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis

Der 2006 erstmals vergebene Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von der Paul Ehrlich-Stiftung einmal jährlich an einen in Deutschland tätigen Nachwuchswissenschaftler oder eine in Deutschland tätige Nachwuchswissenschaftlerin verliehen, und zwar für herausragende Leistungen in der biomedizinischen Forschung. Das Preisgeld von 60.000 € muss forschungsbezogen verwendet werden. Vorschlagsberechtigt sind Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie leitende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an deutschen Forschungseinrichtungen. Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch den Stiftungsrat auf Vorschlag einer achtköpfigen Auswahlkommission.

 

Foto: Preisträger (c) Uwe Dettmar