zdf turkeiTürkei korrigiert Entscheidung und verlängert Pressekarte für ZDF-Korrespondent, aber der Tagesspiegelkollege bleibt weiter ausgesperrt

Klaus Hagert

Istanbul (Weltexpresso) - Da liegen wohl die Nerven der in der Türkei für die Presseakkreditierungen Verantwortlichen blank. Hü und Hott ist nichts dagegen. Aber wenn die letzte Entscheidung die bessere ist, wollen wir uns darüber nicht echauffieren, sondern stattdessen die Türkei motivieren, auch den Tagesspiegelkorrespondenten  aus Berlin wieder seine Arbeit in Istanbul machen zu lassen. 

Wir konnten noch im Fernsehen die erzwungene Abreise aus Istanbul von Jörg Brase verfolgen, der ausreisen mußte, während seine Familie wohl bleiben konnte? Und jetzt ist alles Kommando zurück: Jörg Brase, ZDF-Studioleiter in Istanbul, hat die Zusage der türkischen Behörden erhalten, dass seine Pressekarte nun doch verlängert wird. Zuvor war diese Verlängerung von türkischer Seite ohne Begründung abgelehnt worden. Nach Ablauf der Zehn-Tages-Frist musste Jörg Brase die Türkei am vergangenen Sonntag verlassen.

Natürlich gibt es keine offizielle Erklärung, weshalb die Türkei anderen Sinnes wurde. Aber es zeigt, daß man gar nicht laut genug über solche Zensurmaßnahmen des autoritäten Regimes in der Türkei sprechen und schreiben kann. 

Bettina Schausten, stellvertretende ZDF-Chefredakteurin: "Wir begrüßen es, dass die türkischen Behörden nun zu einer anderen Entscheidung gekommen sind. Jörg Brase wird in den kommenden Tagen seine Tätigkeit in der Türkei wieder aufnehmen. Ich hoffe, dass auch die Pressekarten für Tagesspiegel-Korrespondent Thomas Seibert und die übrigen Kollegen, die noch darauf warten, jetzt ausgestellt werden."

Das ZDF-Studio Istanbul ist für die Berichterstattung aus der Türkei, dem Iran und Afghanistan zuständig. Ohne eine gültige Pressekarte ist ungehindertes Recherchieren, Durchführen von Interviews oder Besuchen von Pressekonferenzen nicht möglich. Auch die Bundesregierung und das Auswärtige Amt hatten sich für eine Verlängerung der Pressekarte eingesetzt.

Aber wer weiß, aus welchen Gründen das türkische Regime, denn es handelt sich um Herrschaft!, hier Nachsicht walten ließ? Vielleicht, um zu verschleiern, daß an anderer Stelle eine regelrechte Verhaftungswelle rollt. Dabei geht es vorrangig um den innertürkischen Konflikt, daß immer noch, insbesondere innerhalb der Polizei und der Rechtsprechung, nach Gülenanhängern gefahndet wird, denn der Rächer und türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan beschuldigt seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 den in den USA lebenden ehemaligen Weggefährten Fethullah Gülen Urheber des Putschversuches zu sein.

Daß inzwischen auch nach amtlichen Angaben etwa eine halbe Million Türken schon festgenommen worden sind, von denen sich rund 30 000 in Untersuchungshaft befinden. Das Säbelgerassel soll wohl Angst machen, denn die Kommunalwahlen am 31. März nahen und ohne Wahlmanipulationen gilt das potentielle Ergebnis für Erdogans AKP wohl nicht aussichtsvoll genug. Da paßt es, daß die Opposition, insbesondere die HDP ebenfalls staatlicherseits heftig angegangen wird und reihenweise Politiker inhaftiert werden. Der Überblick über die Kommunalwahlergebnisse von 2014 zeigt, daß damals die HDP in 103 Städten und Gemeinden die Mehrheit besaß und die Bürgermeister stellte, von denen noch 23 im Amt sind, weil Erdogan per Dekret 80 der gewählten HDP-Bürgermeister absetzte. 

Foto:
Jörg Brase, Leiter des ZDF-Studios in Istanbul
©ZDF/Ralph Orlowski